Der Landesparteitag unter dem Motto „Regionen stärken – Hessen modernisieren“ werde deshalb in weiten Teilen zu einer Abrechnung mit dem Scheitern der Regierung Koch, kündigte Ypsilanti an. „Innerhalb nicht einmal eines Jahres sind sämtliche Wahlversprechen Roland Kochs gebrochen worden. Es gibt weniger statt mehr Lehrer, es gibt weniger Polizisten statt mehr, der Hochschulpakt ist geplatzt, der Straßenbau kommt faktisch zum Erliegen. Und die soziale Infrastruktur des Landes wird platt gemacht.“
Mit ihrem Vorschlag zur Neuordnung der Regionen beweise die Hessen-SPD, dass gestaltende Politik auch in Zeiten knapper Kassen möglich sei. „Vor allem die Neuordnung der Rhein-Main-Region ist ein zentraler Faktor, um die Qualität dieses hochkarätigen Standorts zu verbessern. Es geht nicht nur um administrative Fragen, sondern es geht auch darum, diesem eng
verflochtenen Wirtschaftsraum eine eigene Identität zu stiften. Es geht darum, die Kirchturmpolitik eines polyzentrischen Gebildes hinter sich zu lassen und dafür eine über lokale Grenzen hinaus denkende Politik zu ermöglichen“, so Ypsilanti. Voraussetzung dafür sei eine kommunal verfasste Region mit einem eigenen Parlament. „Diese Überlegungen gelten auch für die anderen Landesteile. Die SPD-Landtagsfraktion wird das vom Landesparteitag vorgeschlagene Konzept in Gesetzesform bringen und im Landtag einbringen. Damit könnten 2006 mit der Kommunalwahl die vier Regionalparlamente in Nordhessen, Mittelhessen, Rhein-Main und Starkenburg gewählt werden.“
Der Gesetzentwurf solle regeln, dass die von der Region zu entscheidenden Sachverhalte in deren ausschließliche und abschließende Kompetenz gegeben werden. „Damit werden Doppelzuständigkeiten ausgeschlossen und das Regionalparlament erhält die notwendige Stärke, um seine Beschlüsse auch zu realisieren. Es wäre damit dem früheren Umlandverband weit voraus“, sagte die SPD-Landesvorsitzende. Für neue Verwaltungskapazitäten der Region sollen im Gegenzug in demselben Umfang Verwaltungskapazitäten im kommunalen oder staatlichen Bereich abgebaut werden.
„Unser Modell ist dem Durcheinander aus Planungsverband, Rat der Regionen und Zweckverbänden weit überlegen. Es ermöglicht eine politische Willensbildung und Steuerung in der Region, die nicht – wie zurzeit vom Ministerpräsidenten beabsichtigt – durch Entscheidungen der Landesregierung erzwungen wird“, sagte Ypsilanti. Die SPD behalte mit ihrem Konzept die Meinungsführerschaft in einer der wichtigsten Fragen für die Zukunft des Landes.
Vorbereitung der Europawahl
Ebenfalls auf dem Landesparteitag steht die Nominierung der Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl an, die am 13. Juni 2004 stattfinden wird. Einstimmig hat der SPD-Landesvorstand für die aussichtsreichsten Plätze die bisherigen Europaparlamentarier Dr. Udo Bullmann, Barbara Weiler und Ozan Ceyhun vorgeschlagen.
Nachdem der langjährige Europaabgeordnete und ehemalige hessische Staatsminister Willi Görlach auf eigenen Wunsch für die Parlamentsperiode 2004-2009 nicht mehr zur Verfügung steht, soll die Liste der hessischen SPD-Kandidaten vom Gießener Europaabgeordneten Dr. Udo Bullmann angeführt werden. Der 47-jährige ist Experte für Wirtschafts- und Währungspolitik und wurde vor kurzem auch zum stellvertretenden Vorsitzenden der SPD- Abgeordneten im Europäischen Parlament gewählt.
Die Sozialpolitikerin Barbara Weiler (Fulda) vertritt seit 1994 den Bezirk Nordhessen im Europäischen Parlament und hat sich hier insbesondere als Berichterstatterin zur Beschäftigungsförderung und zum Ausbau sozialer Schutzrechte einen Namen gemacht.
Der drittplatzierte Ozan Ceyhun (43) ist innenpolitischer Koordinator der SPD und hier vor allem mit dem Aufbau eines unionsweiten Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts befasst. Als in der Türkei geborener Deutscher mit Schwerpunkt in der gemeinsamen Zuwanderungs- und Asylpolitik engagiert sich der Rüsselsheimer besonders für die Integration der Neubürger in der Bundesrepublik.
„Wir besetzen mit drei herausragenden Kandidaten gleichzeitig drei wichtige Politikfelder, die in Zukunft nicht nur für Europa, sondern gerade auch für Hessen von zentraler Bedeutung sein werden“, so die SPD-Landesvorsitzende. Ypsilanti und der designierte SPD-Spitzenkandidat Bullmann kündigten an, „die behäbige und flügellahme Europapolitik der Regierung Koch“ im Vorfeld der Europawahl stärker ins Visier zu nehmen. Aufgrund ihrer chaotischen Haushaltspolitik lasse die Landesregierung europäische Fördermittel vielfach ungenutzt. „Hessen stand einmal für Weltoffenheit und Modernität und befand sich bis vor kurzem noch auf einem Spitzenplatz unter den europäischen Regionen. Einen weiteren Abstieg in die 2. Liga können wir uns gerade mit Blick auf das in der europäischen Rangskala seither deutlich abfallende Rhein-Main-Gebiet nicht leisten“, so die SPD-Politiker.
Parteireform
Mit dem Vorschlag des Landesvorstands zur Parteireform wird ein Auftrag des letzten Landesparteitags umgesetzt. „Wir stärken den Landesverband, dessen politisches Mandat beträchtlich erweitert wird. Die bisherigen satzungsrechtlichen Hürden werden beseitigt. Die gesamte Koordinierungs- und Planungsarbeit der Hessen-SPD wird verantwortlich von einem Generalsekretär wahrgenommen, der dafür auch direkt auf die personellen Ressourcen der Bezirke zugreifen kann. Damit wird die Hessen-SPD schlagkräftiger und reaktionsschneller“, sagte Ypsilanti. Für die neue Position eines SPD-Generalsekretärs werde sie den Delegierten den bisherigen Landesgeschäftsführer Norbert Schmitt vorschlagen.
Die immer wiederkehrende Debatte um die Abschaffung der SPD-Bezirke Nord- und Süd-Hessen bezeichnete Ypsilanti insofern als Phantomdiskussion, als sich die Bezirke nur selbst auflösen könnten. „In einer Zeit, in der die SPD erkennbare Probleme hat, ihre Identität zu finden, hielte ich es auch für falsch, diese identitätsstiftenden Einheiten aufzugeben.“