Ypsilanti: Zukunft gehört erneuerbaren Energien

Auszüge aus der Rede von Andrea Ypsilanti zum Festhalten am Atomausstieg im Hessischen Landtag.

„Morgen in drei Monaten jährt sich zum 20-sten Mal die Katastrophe von Tschernobyl. Das hat den Ministerpräsidenten nicht davon abgehalten, neue Atomkraftwerke in Aussicht zu stellen und die Laufzeit der alten verlängern zu wollen. Haben Sie alles, was passiert ist, was uns damals auch in Deutschland bewegte, schon wieder vergessen?

30 Menschen starben durch den Unfall in Tschernobyl. Von den ca. 800.000 zwangsrekrutierten Aufräumhelfern sind bis heute mehr als 50.000 an den Folgen ihrer Arbeit gestorben und der größte Teil der noch lebenden Helfer leidet heute an unterschiedlichen Krebserkrankungen.

Damals hieß es, Tschernobyl wäre im Osten eines der sichersten Atomkraftwerke.
Heute wissen wir, es gibt nicht nur keine sicheren Atomkraftwerke im Osten, sondern es gibt schlicht gar keine sicheren Atomkraftwerke. Allein im hessischen Atomkraftwerk, besser gesagt in Biblis, hat es rund 740 Störfälle seit der Inbetriebnahme gegeben.

Wir diskutieren hier oft über Generationengerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen eindrucksvoll die unermesslichen Gefahren der Nutzung der Atomenergie. Andere Alternativen, nämlich nicht fossile Energieträger, erneuerbare Energien, hat die Hessische Landesregierung bekämpft und finanziell ausgeblutet.

Nach dem Motto ‚nach mir die Sintflut’ behandeln Sie das Atommüllproblem. Das ist ökologisch, gesellschaftlich und politisch verantwortungslos!

Sie, Herr Ministerpräsident, verschweigen nicht nur die potentiellen Risiken einer weiteren Nutzung ganz bewusst und gezielt, Sie spielen auch mit den aktuellen Ängsten und Sorgen der Menschen. Arbeitslosigkeit einerseits, Angst um die Energieversorgung anderseits, sind das populistische Schmiermittel dieser von Ihnen versuchten schlechten Inszenierung.

Fakt ist, dass die Hessische Landesregierung unter sozialdemokratischer Führung 1999 noch insgesamt 24 Mio. € für erneuerbare Energien und Klimaschutz zur Verfügung gestellt hat. Das war erst der Anfang und keineswegs genug, aber Sie haben den Betrag auf magere 5,9 Mio. € reduziert. Wahr ist, dass es unter sozialdemokratischer Führung in Hessen einen sozial-ökologischen Aufbruch gegeben hat. Wahr ist, meine Damen und Herrn, dass es im Land Hessen und im Bund unter sozialdemokratischer Führung ein Umdenken und Umlenken in der Energiepolitik gegeben hat.

Sie, Herr Ministerpräsident, als oberster Kernspalter haben diesen Kurs, wo Sie konnten, bekämpft und verhindert! Solarenergie, Windkraft, Biomasse, Energiesparprogramme sind bis heute für die hessische CDU böhmische Dörfer. Es wäre die vornehmste Aufgabe jeder Landesregierung auf diesem Weg schnell voran zu kommen und Energieträger der Zukunft zu fördern. Die Sozialdemokraten wollen in einem ersten Schritt ein Förderprogramm Erneuerbare Energien schaffen. Wir setzen das Ziel, dass bis 2015 der hessische Beitrag an erneuerbarer Energien bei wenigstens 15% liegt.

Die Reduktion der Energiedebatte auf den Aspekt der Atomenergie ist ein zu kleines Karo. Abgesehen davon können billige Preise auch anders herbeigeführt werden. Mit erneuerbaren Energien gibt es keine Brennstoff- und Folgekosten. Sie werden mit massenhafter industrieller Einführung und Weiterentwicklung immer billiger, während atomare und fossile Energie uns immer teurer zu stehen kommt. Die heutigen Mehrkosten sind geringfügig im Vergleich zum größten Subventionsprogramm der Weltgeschichte, dem Atomstrom.

Erneuerbare Energien sind die Voraussetzung für zukünftigen umweltfreundlichen und billigen Strom. Magere 18 Euro mehr pro Haushalt und Jahr kostet das Erneuerbare Energien Gesetz. Das ist weniger, als allein die Mehrkosten für die atomare Entsorgung in Form von noch steuerfreien Rückstellungen ausmachen. Aber damit gewinnen wir eine umweltfreundlich Energie und zahllose Arbeitsplätze – zukunftsfähige Arbeitsplätze.

Mit Blick auf Berlin möchte ich jedoch die aufgeklärten Teile der hessischen CDU bitten nachzudenken. Die Bürger haben trotz vieler Bedenken dieser großen Koalition einen Vertrauensvorschuss gegeben. In Anbetracht der großen Herausforderungen, die vor uns allen stehen, haben die Bürger ein Recht auf Zukunftsdebatten und nicht das Bedürfnis nach einer Renaissance längst geschlagener Schlachten.

20 Jahre nach Tschernobyl hat die Atomindustrie in Ihnen, Herr Koch, und der hessische CDU willfährige Lobbyisten gefunden. Aber die Zukunft gehört weder dem Öl noch der Atomenergie, sondern der realen Perspektive menschenfreundlicher, zukunftsfähiger erneuerbarer Energien.“