Andrea Ypsilanti beruft Rainer Domisch für Bildungspolitik in ihr Zukunftsteam

„Wir wollen und wir werden Lehren aus PISA ziehen. Wir werden ernst nehmen, was uns die OECD, die Vereinten Nationen, aber auch nationale Bildungsberichte ins Stammbuch geschrieben haben: Eine grundlegende Reform des Schulsystems ist unumgänglich. Ganz konkret für unser „Haus der Bildung“ heißt das, dass wir von einer neue Grundphilosophie des Lehrens, wie wir sie auch aus Finnland beispielsweise kennen, überzeugen wollen: ‚Kein Kind wird zurückgelassen.’ So einfach und gleichzeitig so weitreichend lautet unser Obersatz in der Bildungspolitik“, sagte Ypsilanti.

Es gebe wohl ansonsten keinen einzigen deutschen Staatsbürger, der eine solch tiefe Kenntnis des herausragenden finnischen Schulsystems habe wie Rainer Domisch. „Ich bin stolz, Ihnen heute jemanden vorstellen zu dürfen, der sich mit Schule hervorragend auskennt, aber nicht mit Schulkampf“, sagte Ypsilanti. Sein Expertenwissen sei in Deutschland und international gefragt. So berate Domisch die Regierungen von Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Österreich und wirke an einem UNESCO-Programm für Südafrika mit.

Ypsilanti betonte, die SPD in Hessen habe sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, indem sie sich den PISA-Sieger Finnland als Vorbild nehme. „Wir wollen Hessen europaweit an die Bildungsspitze führen. Unser Motto dabei ist: Von den Besten lernen“, sagte die SPD-Landesvorsitzende.

Finnland stehe nicht nur leistungsmäßig an der Spitze der PISA-Studie, sondern schaffe es, alle Talente – unabhängig vom Bildungsstand und vom Geldbeutel des Elternhauses – bestmöglich zu fördern. „Ich bin stolz, jemanden für mein Zukunftsteam gewonnen zu haben, der seit nunmehr 13 Jahren seinen Arbeitsplatz in der obersten Schulbehörde Finnlands, dem Zentralamt für Unterrichtswesen (Opetushallitus) in Helsinki hat und dort miterlebt und mit daran arbeitet, das erfolgreichste Bildungssystem der PISA-Länder immer weiter zu modernisieren und zu verbessern.“

Domisch stehe damit für eine andere Bildungsmentalität, die in Finnland das bürgerliche Lager und die Sozialdemokratie seit 30 Jahren eine, über die es zwischen den großen Parteien seit 30 Jahren keinen politischen Streit gebe. „Herr Domisch steht für eine Bildungsmentalität, die allen Kindern gleiche Chancen gewährt. Bei der Förderung, Leistung und Einsatz, nicht Herkunft, Nachhilfe und Eltern zählt. Und die mit ihren Ansprüchen an frühes, selbstständiges und lebenslanges Lernen im 21. Jahrhundert angekommen ist. Eine Bildungsmentalität, die das Kind und nicht die Institution in den Mittelpunkt stellt.“

Ypsilanti bezeichnete das „Haus der Bildung“ als ganzheitliches Konzept. Es nehme seinen Ausgangspunkt am Anfang der Bildungsbiographie, in den Kindertageseinrichtungen, deren Bildungsauftrag gestärkt werden müsse.

Darüber hinaus solle der Übergang zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen neu organisiert werden. „Wir wollen bis 2012 die Schuleingangsstufe flächendeckend einrichten. An allen Grundschulen wird es dann möglich sein, die ersten beiden Jahrgangsstufen in ein bis drei Jahren zu durchlaufen.“

Im „Haus der Bildung“ sei für alle Kinder Platz. „Wir werden nicht auf die geöffnete Türe zeigen und die Kinder in den Regen schicken, wenn sie an der einen oder anderen Stelle Schwierigkeiten haben. Nein, wir werden dafür sorgen, dass jedes Kind die Zuwendung und Unterstützung erhält, die es braucht“, so Ypsilanti.

„Und wenn in dem Haus der Bildung jedes Kind seinen Platz haben soll, so rede ich von gemeinsamem Lernen aller Kinder bis zur Jahrgangsstufe 10. Wir wollen keine Selektion, wir wollen Integration.“ Ypsilanti verwahrte sich gegen den Begriff „Zwangseinheitsschule“. „Das wollen wir nicht. Vielmehr sagen wir ja zu einer vielfältigen Schule. Wir sagen ja zur Vielfalt der Begabungen, Neigungen und Talente der Kinder. Wir sagen ja zu einer Vielfalt der Persönlichkeiten, die ihren Raum brauchen, um sich zu entfalten.“

Die SPD wolle den Schulgemeinden und Schulträgern das Angebot unterbreiten, die modernsten und zukunftsträchtigsten Schulen in Deutschland zu bekommen. „Unser ‚Haus der Bildung’ wird wie jedes Haus von unten her gebaut. Eine solche Vorstellung ist natürlich einer Landesregierung fremd, die seit Jahren von oben herab dekretiert, um ihre Bildungspolitik zu erzwingen. Mit uns wird es keinen staatlichen Zwang geben. Denn eine grundlegende Reform des Schulsystems kann sich nicht auf staatlichen Zwang gründen. Sie muss auf der Zustimmung der Beteiligten aufbauen. Das ist uns klar und das haben wir immer wieder gesagt. Wir erwarten, dass bis zum Jahr 2012, also zum Ende der Wahlperiode, jede dritte Schule diesen Weg zum Haus der Bildung aus eigenem Antrieb gegangen sein wird.

Haus der Bildung