Dr. Hermann Scheer (SPD-Zukunftsteam Wirtschaft und Umwelt): Rhiel springt leider zu kurz

„Die bisherigen Vermutungen, dass sich die vier großen Stromkonzerne Deutschlands im Hinblick auf Preise und Wettbewerbsgebiete absprechen, werden durch die heutigen Veröffentlichungen des SPIEGEL und Untersuchungen des Bundeskartellamtes immer mehr zur bitteren Realität. Die heutige Initiative des Hessischen Wirtschaftsministers Rhiel für eine gesetzliche Zerschlagung der Stromkonzerne in mehr als vier Eigentümer der Großkraftwerke springt leider zu kurz und verfehlt gleich doppelt den Kern des Problems:

  • Zum einen spricht sich Rhiel im gleichen Atemzug gegen eine eigentumsrechtliche Entflechtung von Stromproduktion und Betrieb des Übertragungsnetzes aus. Diese Entflechtung ist aber der wichtigste Punkt zur Sicherung fairen Wettbewerbs im Strommarkt, weshalb sich auch die EU-Kommission dafür ausspricht. Nicht zufällig haben sich 26 von 27 nationalen Regulierungsbehörden in der EU für die Trennung von Netz und Vertrieb ausgesprochen.
  • Zum anderen ist es ein unübersehbarer Widerspruch Rhiels und der Hessischen Landesregierung, dass sie nach wie vor eine Dezentralisierung der Stromerzeugung blockieren. Gerade durch lokale und regionale Anbieter kann der Wettbewerb von unten auf allen Ebenen des Energiemarktes wirksam werden. Nur so kann man im großen Stil neue Anbieter in den Markt bringen, die mit passenden Energieprodukten vor Ort (mit erneuerbaren Energien, dezentraler KWK-Produktion, Energiecontracting u.a.) den „Großen Vier“ Konkurrenz machen.

    Die Vorstellung Rhiels, dass man mit dem zwangsweisen Verkauf von Teilen des Kraftwerkswerkspark deutscher Oligopolkonzerne an z.B. belgische Monopolisten Wettbewerb schafft, ist kaum mehr als eine Alibi-Initiative. So kommt Rhiel allenfalls als ein Robin-Hood-Imitat ohne Pfeil und Bogen daher. Die hessische SPD setzt sich innerhalb der Bundes-SPD für eine Politik der Entflechtung von Stromproduktion und Übertragungsnetz ein. Eine von der SPD geführte Landesregierung wird eine diesbezügliche Gesetzesinitiative im Bundesrat einbringen.“