Michael Roth: Zukunftsprogramm Soziales Dorf
Eckpunkte einer Reform des Dorferneuerungsprogrammes
Das Dorferneuerungsprogramm muss wieder zu einer treibenden Kraft für den ländlichen Raum werden. Das einst von der hessischen Sozialdemokratie eingeführte und seit Jahrzehnten bewährte Programm ist heute notwendiger denn je. Die CDU-Landesregierung hat das Programm stets stiefmütterlich behandelt und die Mittel kontinuierlich gekürzt. Wir werden das Programm finanziell ausbauen, entbürokratisieren und unter dem Leitbild Soziales Dorf mit Zukunft wiederbeleben.
Im Mittelpunkt steht die Gestaltung des demografischen Wandels. Es gilt, die Kommunen des ländlichen Raumes zu unterstützen, die Lebensqualität und das dörfliche Miteinander trotz Bevölkerungsrückgangs zu verbessern. Eine älter werdende Gesellschaft ist dabei kein Schreckensszenario, sondern eine Chance zur Weiterentwicklung der Kommunen im ländlichen Raum.
Das Land unterstützt den Aufbau eines Altbaukatasters, der über Objekte, Sanierungsbedarf und Wohnumfeld informiert. In Zusammenarbeit mit Kommunen und regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften soll die strategische Vermarktung professionalisiert und konkrete Beratungsangebote aufgezeigt werden.
Bisherige Finanzierung
Das Dorferneuerungsprogramm speist sich aus Mitteln der EU (ELER), des Bundes (GAK) und originären Landesmitteln. Letztere gingen seit dem Regierungsantritt von Roland Koch von rund 8 Millionen auf 1,7 Millionen Euro (2008) zurück. Insgesamt sind für das Jahr 2008 rund 28,5 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt, wovon allein ca. 16 Millionen Euro über den Kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung gestellt werden. Davon jedoch bindet der Kirchenbaulastvergleich (Mittel zur Sanierung von kirchlichen Bauten) rund 8 Millionen Euro. Faktisch mindert dies die Gestaltungsspielräume im Rahmen der Dorferneuerung.
Neues Finanzierungsmodell
Die SPD-Landtagsfraktion hat bei den Haushaltsberatungen beantragt, die Landesmittel für 2008 in einem ersten Schritt um 1,5 Millionen Euro zu erhöhen. Mittelfristig sollen für Maßnahmen der Dorferneuerung insgesamt 40 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Die finanziellen Mittel dazu erreichen wir, indem wir hierfür die eingesparten Energiekosten des Landes durch die energetische Sanierung der Landesgebäude zur Verfügung stellen.
Mit dem fadenscheinigen Argument, trotz deutlich geringer werdender Mittel einer steigenden Zahl von Kommunen die Teilnahme am Programm zu eröffnen, wurde die Förderquote auf 50 Prozent der förderfähigen Kosten reduziert. Das mindert die Teilhabechancen von finanzschwächeren Kommunen dramatisch. Dies dann auch noch als Abkehr einer Elitenförderung zu bezeichnen, wie es die CDU-Landesregierung tut, zeugt von wenig Fachkompetenz. Daher werden wir die Fördersätze wieder auf durchschnittlich 65 Prozent erhöhen.
Programmschwerpunkte
Es gibt schon heute zahlreiche gelungene Beispiele zukunftsweisender Modelle der Dorfentwicklung. Viele Kommunen klagen jedoch über hohe bürokratische Hürden und komplizierte Verfahren. Wir werden die Verfahren einerseits vereinfachen und flexibilisieren, andererseits die Schwerpunkte weiterentwickeln bzw. neu ausrichten. Das Zukunftsprogramm Soziales Dorf beruht auf den folgenden Säulen:
1. Generationenübergreifendes Wohnen und Leben
Neue generationenübergreifende Wohnmodelle, integrierte Betreuungsangebote für Kinder und Behinderte, Treffpunkte für Seniorinnen und Senioren stellen einen herausragenden Schwerpunkt des Programms dar. In Zusammenarbeit mit Sozialverbänden aber auch privaten Initiativen sollen in allen ländlich geprägten Landkreisen entsprechende Nutzungskonzepte möglichst flächendeckend entwickelt und gefördert werden
2. Lebendige Ortsmittelpunkte für Jung und Alt
Die massive Ausweisung von Neubaugebieten in zahlreichen Dörfern in den vergangenen Jahrzehnten hat sich sowohl finanziell als auch strukturell häufig als Irrweg herausgestellt. Mittelfristig ist das Wohnen und Leben an der dörflichen Peripherie ohne Anbindung an vitale Ortskerne unattraktiv. Trotz vielerorts bekundeten Interesses an einer Sanierung von Objekten in den Dorfzentren scheitern viele Überlegungen am baulichen Aufwand und den immensen Kosten. Häufig sind die Grundstücke klein und verschachtelt, die Wohnungen für Familien mit Kindern eher ungeeignet. Vor diesem Hintergrund gilt es, Familien Mut zur modernen Altbausanierung zu machen.
3. Dorftreff
Märkte, Behörden, Ärzte, Handwerksbetriebe, Post-, Bank- und sonstige Dienstleister sowie Gastwirtschaften ziehen sich mehr und mehr aus der Fläche zurück. Daraus resultiert ein Verlust an Lebensqualität, Arbeitsplätzen und Treffpunkten. Unter dem Dach des Dorftreffs soll die Grundversorgung gesichert und ein möglichst breites Angebot an Produkten, Dienstleistungen sowie sozialen und kulturellen Aktivitäten vorgehalten werden. Voraussetzung dafür sind ein entsprechender Bedarf und die Unterstützung aus der dörflichen Bevölkerung
Zur Grundversorgung zählen Geschäfte mit Gütern des täglichen Bedarfs, Gastronomie sowie soziale und kulturelle Angebote (z. B. Kinderbetreuung, Seniorentreff, Singstunde, Vereinsveranstaltungen). Der Dorftreff bietet in der Regel unter einem Dach ein Kerngeschäft auf wirtschaftlicher Grundlage (Markt, Gastronomie), Dienstleistungen (z. B. Arzt, Bankautomat, Post, Lottoannahmestelle, Bürgerbüro, Bürgermeister/Ortsvorstehersprechstunde) sowie einen Treffpunkt als Zentrum dörflicher Gemeinschaft. Gefördert werden Planungs- und Beratungskosten, bauliche Investitionen, Ladeninfrastruktur, Projektbegleitung.
4. Solares Dorf
Im Zusammenhang mit der energetischen Gebäudesanierung und der Nutzung erneuerbarer Energien legen wir in den Dörfern einen Schwerpunkt auf die Dorfgemeinschaftshäuser, um damit mit öffentlichem Beispiel voranzugehen. Die von Wirtschaftsminister Rhiel angekündigte Förderung eines energieautarken modellhaften energieautarken Solardorfs ist bereits jetzt überholt, wie bereits praktizierte Beispiele zeigen. Mit der Realisierung unseres Programms Neue Energie für Hessen werden in kurzer Zeit zahlreiche Dörfer energieautark.
Dr. Hermann Scheer: Energiewende im Gebäudebereich schafft Arbeitsplätze in Bauwirtschaft und Handwerk
Der Wärme- und Kühlbedarf in Gebäuden macht etwa 40 % des gesamten deutschen Energiebedarfs aus. Das bedeutet nicht nur, dass ein Schwerpunkt der Energiewende auf einer bereit angelegten Mobilisierung der fortgeschrittensten Möglichkeiten des gebäudebezogenen Energiesparens und der Nutzung erneuerbarer Energien (vor allem Solarwärme, Solarstrom, geothermische Energie) legen muss, die nur wenig oder keine Brennstofflasten mehr verursachen. Die dafür erforderlichen gebäudebezogenen Maßnahmen führen nicht zu höheren Kosten für die Bewohner und Nutzer der Gebäude, sondern zur drastischen und dauerhaften Kostensenkung. Die Möglichkeiten dazu gibt es nicht nur in Neubauten, sondern auch im Altbaubestand. Die politischen Schritte zu einer durchgängigen Einleitung der Energiewende im Gebäudebereich sind deshalb nicht nur ein Klimaschutz- und Umweltkonzept, sondern ein unverzichtbares sozialpolitisches Gebot und gleichzeitig ein wirtschaftliches Aufschwungprogramm insbesondere für Bauwirtschaft und handwerk.
Die Bundesregierung hat mit ihrem CO2-Gebäudesanierungsprogramm in Wohngebäuden im Jahr 2006 über 150.000 Wohneinheiten erfasst, das über KfW-Kredite gefördert wurde. Der hessische Anteil daran lag bei 6 %, entsprechend dem proportionalen Bevölkerungsanteil in Deutschland. Mit dem von der Bundesregierung angekündigten Wärmegesetz, das allerdings aufgrund koalitionsinterner Positionsunterschiede auf Neubauten beschränkt sein soll, sollen zusätzliche Impulse gesetzt werden.
Nach unserer Auffassung muss und kann das durch landespolitische Initiativen erweitert werden. Unser Zielbild sind Gebäude, die sich zu 100 % aus erneuerbaren Energien versorgen, unter Einberechnung des Einsatzes von Mini-Blockheizkraftwerken, besonders im Bereich des Gebäudebestandes, womit gleichzeitig ein großer Beitrag zum Ersetzen hessischer Großkraftwerke durch dezentrale Stromerzeugung geleistet wird. Damit entlasten wir gleichzeitig die Städte von Gesundheits- und Umweltgefahren. Das im hessischen CDU-Wahlprogramm angestrebte Ziel eines 100 KWh-Hauses liegt weit über den tatsächlich gegebenen Möglichkeiten und Erfordernissen.
Folgende Schritte wird eine von der SPD geführte Landesregierung einleiten:
1. Die Landeshaushaltsordnung wird geändert und ein gesonderter Energiehaushalt vorgeschrieben. Daraus ergibt sich für die gesamte öffentliche Hand die Möglichkeit, bei allen die eigene Energieversorgung betreffenden Investitionen die dauerhaft eingesparten Energiekosten in Rechnung zu stellen.
2. Alle Gebäude im Landesbesitz werden energetisch saniert, für alle Neubauten des Landes wird der Null-Emissionsstandard eingeführt. Durch die energetische Gebäudesanierung werden mindestens 50 Mio. Euro der gegenwärtigen Energiekosten für die landeseigenen Gebäude in Höhe von über 100 Mio. Euro eingespart.
3. Die Gemeindeordnung wird geändert und die energetische Verwertung organischer Abfälle zur kommunalen Pflichtaufgabe gemacht.
4. In der Landesbauordnung wird verankert, dass die in der Bauleitplanung die Ausrichtung der Neubauten an der energetischen Nutzungsmöglichkeit der Sonne erfolgen muss und die Bausetzungen die Sonnenenergienutzung im Gebäudebestand freistellen.
5. Eine kostenlose Energieberatung wird jedem Hausbesitzer angeboten.
6. Mit den Handwerkskammern wird eine gewerkeübergreifende Fortbildung für klima- und umweltgerechtes Bauen und Bausanierung eingeführt, in Verbindung mit der Vergabe eines Fortbildungszertifikats eines SolarXXX. Für die Berufsschulausbildung in den Bauberufen wird ein entsprechendes Ausbildungscurriculum entwickelt.
7. Ergänzend und auf der Basis der KfW-Kreditprogramme des Bundes wird Energiebaukredit eingeführt, bei dem die jährliche Abschreibung für ökologische Energieinvestitionen in der Höhe der eingesparten Brennstoffkosten zum Zeitpunkt der Investition erfolgt. Daraus ergeben sich für jeden Kreditnehmer unterschiedliche Kreditlaufzeiten. Damit bleiben den privaten Investoren die erwartbaren künftigen Steigerungen der fossilen Brennstoffkosten erspart.