Brutale Übergriffe auf Mitmenschen seien nicht hinnehmbar und müssten sanktioniert werden. Die Forderung nach härteren Strafen aber lenke von den tatsächlichen Ursachen der Jugendkriminalität, mangelnder sozialer Förderung und fehlgeschlagener Integration ab und sei ein gänzlich misslungener Beitrag zu einem ernsten Problem. Die Position der SPD ist klar: Wir müssen hart gegen Kriminalität vorgehen, aber vor allem müssen wir ihre Ursachen konsequent bekämpfen.
Entgegen der fachlichen Bewertung von Kriminologen und Jugendstrafrechtsexperten, dass die Anhebung der Höchststrafe im Jugendstrafrecht von 10 Jahren auf 15 Jahre keinerlei Abschreckungswirkung entfalte, werde die Union nicht müde, diese Forderung gebetsmühlenartig zu wiederholen. Fakt sei jedoch, dass zum einen schon jetzt nur selten Verurteilungen von über fünf Jahren ausgesprochen würden, und zum anderen das Strafmaß für die Gewalttaten, um die es in der aktuellen öffentlichen Debatte gehe, bei der von der Union geforderten Erhöhung gar nicht tangiert sei.
Ebenso unangebracht sei die Unionsforderung zur Anwendung der Regelungen des Erwachsenenstrafrechts im Jugendrecht. Hier fehle jeglicher Bezug zur Rechtsprechungspraxis der Jugendgerichte. Anders als im Erwachsenenstrafrecht können die Jugendrichter auf der Grundlage des Jugendgerichtsgesetzes auf ein differenziertes Sanktionssystem von Maßregeln der Besserung und Sicherung, Erziehungsmaßregeln (Weisungen und Anordnungen), Verwarnungen, Auflagen, Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest bis hin zur Jugendstrafe zurückgreifen. Damit stehe den Gerichten ein umfangreiches gesetzliches Instrumentarium zur Verfügung, um auf jegliche Art von Straftaten im Jugendbereich angemessen zu reagieren.
Deshalb stelle sich auch die Forderung nach einer generellen Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf Heranwachsende, d.h. Straftäter zwischen 18 und 21 Jahren, als gänzlich untauglich dar, da nicht berücksichtigt werde, dass viele junge Menschen in diesem Alter noch altersverzögert entwickelt seien.
Als ebenso populistisch erweise sich die Forderung nach einer schnelleren Ausweisung von ausländischen Jugendlichen. Auch die Union wisse, dass häufig eine Ausweisung bereits jetzt nicht in Betracht komme, da das geltende internationale Recht dem entgegenstehe.
Sinnvoll sei es dagegen, junge Menschen schon in der frühen Kindheit und Jugend in ihrer Entwicklung zu fördern und zu unterstützen. Dazu gehöre, Familien-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik zu verzahnen, mit einer familienfreundlichen urbanen Wohnungspolitik zu verknüpfen und dadurch die Voraussetzungen für ein Aufwachsen junger Menschen in gesellschaftspolitisch stabilen Verhältnissen zu schaffen.
__________________________________________________
Zur Information:
§ 2 JGG / Ziel des Jugendstrafrechts; Anwendung des allgemeinen Strafrechts
Abs.1: Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.
§ 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende
Abs.1: Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn
1. die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2. es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.