Dr. Hermann Scheer (SPD-Zukunftsteam Umwelt und Wirtschaft): Kochs Äußerungen zum hessischen SPD-Energie-Programm sind durchgängig abwegig, haltlos und hoffnungslos verlogen

  • Er hat erneut seine Behauptung wiederholt, wir wollten innerhalb von fünf Jahren den Anteil der hessischen Stromproduktion aus erneuerbaren Energien auf 90 % steigern, um auf diese Weise das SPD-Programm als unrealistisch denunzieren zu können.

    Tatsache ist demgegenüber, dass unser Konzept in dem Zeitraum bis 2013 darauf abzielt, für den hessischen Strombedarf bereitgestellte Kapazität der beiden Atomreaktoren in Biblis (normaler Produktionsbetrieb vorausgesetzt) und über eine Kraft-Wärme-Kopplungskapazität von 300 MW hinausgehende vorgesehene Produktionskapazität des geplanten neuen Kohlekraftwerks in Großkrotzenburg durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Das wären jedoch 52 %, die zu den gegenwärtig eingeführten 5 % sowie dem etwa 15 %igen Anteil erneuerbarer Energie am Stromimport nach Hessen. Wir zielen also auf 60 % bis 2013 und nicht auf 90 %.

    Zur Erläuterung: Hessen hat gegenwärtig einen Strombedarf von jährlich 35 Mrd. Kilowattstunden, wovon 20 % Stromimporte sind. Die Eigenerzeugung in Hessen durch die Atomstromproduktion liegt bei 43 % des Strombedarfs, wenn beide Biblis-Reaktoren in Betrieb sind. Das geplante Großkraftwerk in Großkrotzenburg mit einer Kapazität von 1100 MW soll dagegen 6 Mrd. Kilowattstunden für den hessischen Stromverbrauch liefern, wovon etwa 3,0 Mrd. KWh für die Stadtwerke Hannover gedacht sind. Wir wollen dagegen nur 300 MW genehmigen, unter der Voraussetzung einer vollständigen Kraft-Wärme-Kopplung, was etwa 2,2 Mrd. KWh entspricht. In diesem Fall müssten dann nur etwa 3 Mrd. KWh aus erneuerbaren Energien zusätzlich produziert werden (entsprechend 8,3 %) des gegenwärtigen Bedarfs, da nicht einzusehen ist, dass im von Emissionen hoch belasteten Rhein-Main-Gebiet eine 400 MW Kohlestromproduktion für die von Emissionen geringer belastete Region Hannover stattfindet.

  • Roland Koch behauptet nach wie vor unaufhörlich, dass unser Programm wegen seines darin vorgesehenen deutlichen Ausbaus der Windkrafterzeugung auf Widerstände durch SPD-Landräte und SPD-Bürgermeister stoße und deshalb schon jetzt gescheitert sei.

    Tatsache ist, dass die als Beleg von der CDU zitierte SPD-Landräte und –Bürgermeister das SPD-Programm unterstützen. Dies dokumentiert die beiliegende gemeinsame persönliche Erklärung, in der sich diese gegen den Missbrauch ihres Namens und die falsche Darstellung ihrer Auffassung durch die CDU verbitten.

  • Die neueste Behauptung Roland Kochs ist, dass das SPD-Programm die Stromkosten für die hessischen Bürger verdreifachen würde – an anderer Stelle spricht er von einer Verteuerung um 50 Cent pro Kilowattstunde (der gegenwärtige durchschnittliche Strompreis in Hessen für Haushaltsstrom liegt bei durchschnittlich 23,5 %.

    Die Tatsachen sehen vollkommen anders aus: Die Mehrkosten der erneuerbaren Energien ergeben sich aus der Differenz zu den durchschnittlichen Produktionskosten von Atom- oder Kohlestrom in Deutschland. Dies ergab im Jahr 2007 Mehrkosten von 3,5 Mrd. Euro, die nach dem EEG auf alle Privathaushalte in Deutschland umgelegt werden – unabhängig davon, in welchem Bundesland die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien stattfindet. Für einen durchschnittlichen Stromhaushalt (3.500 KW/h Jahresverbrauch) macht das 18 Euro Mehrkosten im Jahr aus, also 1,50 Euro im Monat – für die Produktion emissionsfreien, gesundheits- und klimaschonenden Strom in Deutschland. Das sind pro Kilowattstunde 0,7 Cent.

    Damit konnte der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland auf nahezu 15 % des Gesamtstrombedarfs gesteigert werden, wobei Hessen mit nur 5 % weit dahinter herhinkt. Man kann auch sagen: Die hessische Stromkunden haben bisher den aufwuchs des Anteils erneuerbarer Energien in andren Bundesländern mitbezahlt. Aber wegen der Blockadehaltung der Landesregierung gegenüber der Windenergie kamen die damit verbundenen Vorteile in Form sauberer Luft und regionaler bzw. kommunaler Wertschöpfung anderen Bundesländern zugute.

    Durch den von uns vorgesehenen Ausbau der erneuerbaren Energien in den nächsten fünf Jahren würde der bundesweite Beitrag der erneuerbaren Energien von 15 auf 18 Prozent gesteigert. Zum Vergleich: Das Programm der Bundesregierung sieht für Gesamtdeutschland 27% bis 2020 vor und rechnet dabei mit einer Steigerung jährlicher Mehrkosten auf maximal 24 Euro pro Stromhaushalt – und dies nur dann, wenn die Brennstoffpreise für Kohle- und Atomstrom nicht weiter ansteigen. Wiederum zum Vergleich: allein die Strompreissteigerungen ab 4.1.2008 bei E.ON lagen bei 77 Euro im Jahr – von 794 Euro (2007) auf 870 Euro.

    Daraus ergibt sich: Die Strompreise für die hessischen Bürger würden durch die Umsetzung des SPD-Programms – wenn überhaupt –maximal um 0,25 Cent (von 0,7 auf 0,95 Cent pro Kilowattstunde) steigen und nicht um 50 Cent oder gar um das Dreifache, wie Roland Koch mit seiner Horrormeldung behauptet. Mit anderen Worten: Er verbreitet eine faustdicke Lüge, idem er um den Faktor 200 übertreibt!

    Die in jedem Fall weiter steigenden atomaren und fossilen Brennstoffkosten sowie steigenden Kosten für den Klimaschutz zu rechnen ist, wird sogar das Gegenteil einer Preissteigerung eintreten: zunächst eine Stabilisierung und dann eine Senkung der Strompreise durch erneuerbare Energien – und eine Senkung von Wärmekosten wegen des von uns vorangetriebenen Ausbaus der Kraft-Wärme-Kopplung.