Petra Fuhrmann (SPD-Zukunftsteam Soziales und Arbeit): Kinderarmut in Hessen bekämpfen – Ausgrenzung verhindern

Arm sein bedeutet, sehr wenig Geld zur Verfügung zu haben, oft schlechtere Ernährung und wenig Bewegung. Arme Kinder haben weniger Hilfe bei schulischen Problemen, müssen auf Ausflüge und Kindergeburtstage verzichten, müssen – aus Geldmangel – oft auf das warme Mittagessen in der Kindertagesstätte oder der Schule verzichten.

Wer über Armut spricht, muss aber auch über Reichtum sprechen. Die Schere zwischen privater Armut, öffentlicher Armut und privatem Reichtum geht immer weiter auseinander. Die Hessische Landesregierung verweigert seit Jahren einen Armuts- und Reichtumsbericht. Warum? Nicht, weil die Opposition ihn fordert, sondern weil ein solcher Bericht die dramatischen Folgen von Kochs Politik der zynischen "Operation sichere Zukunft" schonungslos abbilden würde. Wer niedrig schwellige Hilfen streicht, wer die Ausgrenzung und Auslese im Schulsystem perfektioniert, wer Studiengebühren einführt und immer härtere Kürzungen bei sozialen Leistungen durchsetzt und tatenlos bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit bleibt, will die zunehmende Spaltung in arm und reich, der tut nicht nur nichts dagegen, sondern befördert sie!

Andererseits war Kochs Politik im Bundesrat und in Hessen durchaus ein "Reichtumsförderungsprogramm". Er forderte die steuerliche Entlastung der internationalen Spitzenverdiener, forderte weitere Steuergeschenke für Unternehmer, hat die Anhebung der Erbschaftssteuern bekämpft, verarmtem Adel ein Schloss abgekauft, eine Pferderennbahn aus Steuergeldern unterstützt, hat in Hessen laut Steuergewerkschaft die nachlässigste Steuerprüfung für Millionäre installiert und finanziert die meisten Privatschulen im Bundesvergleich!

Dass er auch gegen die Vermögenssteuer zu Felde zieht – wen wundert das noch? Würde man die Vermögenssteuer nur auf dem Stand von 1997 erheben, hätte Hessen 1,2 Milliarden Euro mehr in der Tasche – davon könnten rund 30.000 Erzieherinnen und Erzieher und Lehrerinnen und Lehrer finanziert werden.

Die Schere zwischen arm und reich wieder zu schließen und allen Menschen gleiche gesellschaftliche Teilhabe- und Verwirklichungschancen zu ermöglichen, ist nur möglich, wenn wir auch die Verteilungsfrage stellen. Es gilt die alte Regel: Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Ein gutes Bildungssystem, gute Kinderbetreuung, Sozialleistungen, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, Gesundheitswesen und die ganze öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge können von einem armen Staat nicht finanziert werden.

Wir in Hessen werden nach der Wahl ein Programm gegen Kinderarmut starten, weil wir der Auffassung sind, dass hier sofort gehandelt werden muss. Das Land muss alle ihm zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung setzen, um Armut bei Kindern zu bekämpfen. Diese Maßnahmen haben wir in einem 10-Punkte-Programm zusammengefasst.

Hessisches Sofortprogramm gegen Kinderarmut

1) 10-Millionen Landesprogramm zur Begrüßung aller Neugeborenen, durch aufsuchende Familienhilfe (200 Stellen) und Ausbau früher Hilfen

2) Überführung aller Spiel- und Lernstuben in den so genannten sozialen Brennpunkten in Regel-Kindertagesstätten mit erhöhtem Personalschlüssel

3) Finanzielle Unterstützung der Kommunen durch das Land beim Ausbau der Betreuungsplätze in Ganztagskrippen und Kindertagestätten, Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr und sukzessive Einführung der Beitragsfreiheit

4) 8-Millionen Landesprogramm für kostenfreies Mittagessen in Kindertagesstätten und Schulen für benachteiligte Kinder und Jugendliche

5) Landesprogramm Bewegung und Gesundheit
Die Gesundheitserziehung in Kindergärten und Schulen muss verstärkt werden. Gesundheitswissenschaftliche Erkenntnisse in Fragen der Ernährung, Bewegung und Ruhepausen müssen bei der Organisation von Schulen und Kindertagesstätten berücksichtigt werden

6) Ausbau der Schule zum „Haus der Bildung", mit Ganztagsbetreuung, besseren Bildungschancen, längerem gemeinsamen Lernen und echter Lernmittelfreiheit

7) Unterstützung und Ausbau der Beratungs- und Hilfsangebote im Rahmen des 35 Millionen- Sozialbudgets (Erziehungsberatung, Schuldnerberatung u.a.), Aufbau von Netzwerken (u.a. Familienbildung)

8) Wiedereinführung der finanziellen Unterstützung für soziale Arbeit in den Standorten des Bund-Länderprogramms „Soziale Stadt"

9) Landesprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, verbindlicher Ausbildungspakt und Erhöhung des Ausbildungsvolumens im Landesdienst um 10%.

10) Ein Armuts- und Reichtumsbericht mit einem speziellen Teil über Kinderarmut

Unter sozialdemokratischer Führung wird sich das Land Hessen auf Bundesebene für folgende Maßnahmen stark machen, die ebenfalls Kinderarmut bekämpfen:

1) Jährliche Überprüfung und Anhebung der Regelsätze für Hartz IV, insbesondere für Kinder

2) Wiedereinführung von Einmalbeihilfen insbesondere für Kinderbedarf, für Schul- und Lernmaterial, für Einschulung, Klassenfahrten und Essenszuschüsse

3) Gesetzlicher Mindestlohn – bis dahin: Erwerbstätigenzuschuss für gering verdienende Familien aufstocken