Dr. Hermann Scheer (SPD-Zukunftsteam): Andrea Ypsilanti schafft neue Gründungswelle und Koch hat Angst vor Investitionen

Das beweist sein heute vorgelegtes Zahlenwerk, das in jeder Beziehung haltlos ist. Ich belege hier – auf Basis des zwischen den zuständigen Ressorts der Bundesregierung[1] abgestimmt EEG- Erfahrungsberichts 2007 der Bundesregierung vom 7.11.2007 – dass die praktische Umsetzung des SPD-Programms zu monatlichen Strompreissteigerungen von monatlich 0,2 Cent pro Kilowattstunde führen würden und keineswegs – wie Koch behauptet – um 23,5 Cent. Die Mehrbelastung pro Haushalt wird dadurch maximal um 12,- Euro pro Jahr (1 Euro pro Monat) ansteigen – und nicht wie von Koch behauptet um 850,- Euro im Jahr. Koch übertreibt also um das 70-fache.

Die von uns angegebenen Mehrkosten sind als maximal zu betrachten, weil sich die zusätzliche Kostenbelastung der Stromhaushalte durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) jeweils aus der Differenz zwischen den erzielten durchschnittlichen Strompreisen für Strom aus Atom- und fossilen Kraftwerken (gegenwärtig knapp 6 Cent) und den durchschnittlichen Einspeisevergütungen für die erneuerbaren Energien (gegenwärtig 10, 6 ct) ergibt.

Es ist jedoch als sicher anzunehmen, dass die durchschnittlichen Strompreise in den nächsten Jahren deutlich steigen und zwar aus mehreren Gründen:

  • Brennstoffpreise steigen weltweit
  • Neubauten von Kraftwerken
  • Die von der EU demnächst vorgeschriebenen Kosten für CO2- Zertifikate im Rahmen des Emissionshandels
  • Willkürliche Preissteigerung durch die Anbietermonopole der Großkraftwerksbetreiber.

    Allein zwischen 2005 und 2008 sind die Strompreise in Deutschland um etwa 35% gestiegen. Am 1.1.2008 erfolgten Preissteigerungen um durchschnittlich 7% (zwischen 50 und 80 Euro im Jahr.) Demgegenüber stehen Mehrkosten für die Erneuerbaren-Energie – derzeit 14,3% Anteil an der Stromversorgung – bei 24 Euro im Jahr (2 Euro im Monat).

    Die Realisierung des SPD-Programms ‚Neue Energie für Hessen’ mit dem Ziel, bis 2013 von gegenwärtig 5% auf einen Anteil von 60% aus Erneuerbaren Energien in Hessen zu kommen, würde ein Investitionsvolumen bis 2013 von 12 Mrd. Euro erfordern (nicht wie Koch behauptet, 35-45 Mrd. Euro), also etwa 2 Mrd. Euro im Jahr. Mit diesen Investitionen würden 17 Mrd. MWS Strom erzeugt werden, um damit die Stromerzeugnis-Leistung der beiden Biblis-Reaktoren (15 Mrd. KW) und den Bau des neuen Großkraftwerks in Hanau (mit Ausnahme von 300 MW Kraft-Wärme-Kopplung) zu ersetzen. Während die SPD in Hessen damit eine Gründerwelle auslösen wird, bezieht Koch eine äußerst seltsame wirtschaftspolitische Position. Er warnt vor Investitionen.

    Allein die Investitionen für Erneuerbare Energien im Jahr 2007 steigerte die Stromproduktion um 13,7 Mrd. KW bei einem Investitionsvolumen von 10 Mrd. Euro. Das entsprach einer Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien um 2,5%.

    Mit dem realisierten hessischen SPD-Programm würde der Anteil Erneuerbarer Energien in Deutschland um etwa 3 % ansteigen (Hessen stellt 6 % des deutschen Strombedarfs). Würde Kochs Zahlenwerk nur annähernd stimmen, so wäre die von ihm unterstellte Preisexplosion schon im Jahr 2007 eingetreten. Er müsste dann auch gegen das EEG insgesamt Sturm laufen, da die Bundesregierung bis zum Jahr 2020 bereits einen Anteil von 30 % erwartet.

    Dass durch die von der Bundesregierung erwartete jährliche Steigerung um 1,6 % bis 2020 Doppeltenur eine geringe Erhöhung der Durchschnittskosten zu erwarten ist, belegt auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der bis 2013 nur einen Anstieg von 10,6 auf 11,09 ct/kWh erwartet (für einen Anteil der Erneuerbaren Energien von dann über 20%.

    Hessen wurde durch die Blockadepolitik der Koch-Regierung wirtschaftlich geschädigt

    Für die Strompreise spielt es keinerlei Rolle, wo in Deutschland die Erneuerbaren Energien installiert werden, weil es nach dem EEG einen bundesweiten Finanzierungsausgleich gibt. Für die positiven Effekte durch Erneuerbare Energien für Wirtschaft und Beschäftigung spielt es demgegenüber jedoch eine große Rolle!

    Der Ausbau der Erneuerbaren Energien auf aktuell 14,3 % des deutschen Strombedarfs wurde von den deutschen Stromhaushalten mitfinanziert, die dadurch Mehrkosten von 24 EUR im Jahr hatten – und damit über 200.000Doppelte neue Arbeitsplätze ermöglichten. Da Hessen aber durch die Verweigerungspolitik der Landesregierung besonders gegenüber der Windkraft bei einem Anteil von 5 % stehen geblieben ist, haben die hessischen Stromkunden die sich aus dem Zubau ergebenden Vorteile in den anderen Bundesländern bezahlt, ohne selbst etwas davon zu haben: bessere Luftqualität, regionale Wertschöpfung, Gewerbesteuereinnahmen. Hessen zahlt, ohne von den Vorteilen zu profitieren.

    Das Beispiel der Darmstädter HSE: Stromversorgung ohne Atom und Kohle

    Der südhessische Energieversorger HSE beweist jetzt schon, dass eine Stromversorgung ohne Atom- und Kohlekraftwerke möglich ist. Er versorgt heute 1 Million Menschen mit Strom (etwa ein Sechstel der hessischen Bevölkerung). Davon sind 55 % Erneuerbare Energien und 45 % aus Gas, großenteils in Kraft-Wärme-Kopplung – und keinen Strom aus Kohle- und Atomkraftwerken. Er beweist damit auch, dass diese nicht für die Grundlastversorgung erforderlich sind. Allerdings muss die HSE die 55 % Erneuerbare Energien großenteils außerhalb Hessens zukaufen, da es die Standortverweigerungspolitik der hessischen Landesregierung gegenwärtig unmöglich macht, den Strom selbst aus hessischen Standorten zu produzieren.

    Volkswirtschaftliche und ökologische Vorteile durch beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien

    Koch unterschlägt vollständig die volkswirtschaftlichen, einschließlich der ökologischen Vorteile des beschleunigten Ausbaus Erneuerbarer Energien:

  • Die wirtschaftlichen Effekte im Anlagenbau, Anlagenbetrieb (2006: 14,2 Mrd. Euro).
  • die senkende Wirkung auf den Großhandelspreis in Form der durch zusätzliches Stromangebot aus Erneuerbaren Energien (2006: bis zu 5 Mrd.)
  • die Vermeidung der Folgeschäden für Umwelt und Gesundheit (2006: mindestens 3,4 Mrd.)
  • die Verringerung der Importabhängigkeit durch vermiedene Steinkohle-, Erdgas- und Uran (2006: 0,9 Mrd. Euro)

    Programm „Neue Energie für Hessen“: Vorreiterrolle in der SPD

    Das hessische SPD-Programm nimmt innerhalb der SPD eine Vorreiterrolle ein und befindet sich dabei im Einklang mit dem Beschluss der SPD auf dem Bundesparteitag („Unser Weg in die ökologische Ökonomie“) vom Oktober 2006 in Hamburg.

    Dieser Beschluss strebt als Ziel eine Steigerung der Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien auf über 30 % bis 2020 an.

    Darüber hinaus heißt es:

    „Die Bundesländer sollen im Rahmen ihrer Landesplanungskompetenz die zahlreichen und oft willkürlichen Genehmigungsblockaden gegenüber Standorten zur Nutzung Erneuerbarer Energien abbauen. Mit pro-aktiven landesgesetzgeberischen Gestaltungsmaßnahmen in Form eines ökologischen Infrastrukturbeschleunigungsgesetzes können und sollen sie somit den Ausbau Erneuerbarer Energien noch schneller und umfangreicher vorantreiben und damit die bundespolitische Zielvorgabe übertreffen.“

    Weiter heißt es auf Antrag der hessischen SPD: „Die SPD tritt dafür ein, dass neue Kraftwerke auf der Grundlage fossiler Brennstoffe nur noch genehmigt werden können, wenn sie nachweislich Kraft-Wärme-Kopplung verwirklichen und die Nutzung der Wärme gesichert ist.“

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    [1] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (SPD), Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (CSU), Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (CSU)