Mehrheiten für ein soziales Hessen

Das Parlament hat einiges in die richtige Richtung bewegen können. Die wichtigen Initiativen gingen dabei von der SPD aus, die dafür Mehrheiten vor allen bei den Grünen, aber auch der Linkspartei, in Einzelfällen bei der FDP finden konnte. Die amtierende geschäftsführende Landesregierung hat immer wieder gezeigt, dass mit ihr ein Politikwechsel nicht möglich ist und die Versprechung, fairer Partner des Parlaments zu sein, nie ernst gemeint war. Deshalb muss es unser Ziel bleiben, eine handlungsfähige Regierung zu bilden.

Besonders im Bildungsbereich hat eine gestaltende Mehrheit von SPD, Grünen und Linkspartei im Landtag Erfolge vorzuweisen. Die Studiengebühren werden zum Wintersemester 2008/2009 abgeschafft. Das ist ein wichtiger Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit. Die entfallenden Mittel werden den Hochschulen vollständig ersetzt, so dass sich die Rahmenbedingungen nicht verschlechtern. Hessen übernimmt damit wieder eine Vorreiterrolle in einer zentralen Frage der Bildungsgerechtigkeit.

Der den Schulen, Eltern und Kindern aufgezwungene Einsatz von nicht entsprechend ausgebildeten Ersatzkräften im Rahmen der so genannten Unterrichtsgarantie plus ist ebenfalls Vergangenheit. Die Schulen bekommen den Freiraum, über die bisherigen U-Plus-Mittel frei zu verfügen, um damit verlässliche Schulzeiten sicherzustellen.

Wichtig für die Zukunft kleiner Schulen und Schulzweige war die Abschaffung der Richtwerte zur Klassenbildung, die vielerorts Schulstandorte gefährdet hätten. Und schließlich wurde die Möglichkeit beendet, Eltern an den Schülerbeförderungskosten zu beteiligen. Mit der Ankündigung, die so genannten BAT-Lehrerinnen und -Lehrer ab 2009 nicht wie bisher vor den Sommerferien zu entlassen und danach wieder einzustellen, ist die Landesregierung einer Initiative der SPD gefolgt.

Im Sozialbereich zeichnet sich ab, dass die Zuständigkeit für das Betreute Wohnen beim Landeswohlfahrtsverband verbleibt. Dies sieht ein gemeinsamer Gesetzentwurf von SPD und Grünen vor. Damit wird sichergestellt, dass alle Betroffenen Hilfe aus einer Hand erhalten und die Qualität der Betreuung in allen Landesteilen gleich hoch ist.

Das Ende des Tarifdiktats für die Tarifbeschäftigten im Öffentlichen Dienst des Landes ist auf den politischen Druck der Parlamentsmehrheit zurückzuführen. Erst nachdem der Landtag die Landesregierung zur Rückkehr in die Tarifgemeinschaft der Länder aufgefordert hatte, hat der Innenminister mit den Gewerkschaften die Eckpunkte für einen neuen Tarifvertrag vereinbart. Die SPD tritt als nächsten Schritt dafür ein, dass auch die Beamtinnen und Beamten an der Einkommensentwicklung teilhaben. Eine entsprechende Initiative hat die SPD-Fraktion eingebracht.

Mit dem Austritt aus der so genannten Internationalen Atomenergiekommission hat die neue Landtagsmehrheit gezeigt, dass sie nicht bereit ist, ein Feigenblatt für den Betrieb von Atomkraftwerken zu legitimieren. Zudem wurde die Landesregierung aufgefordert, den Einsatz Erneuerbarer Energien nicht mehr zu behindern, sondern ihren Einsatz zu fördern.

Ebenso ist die grundsätzliche Bereitschaft der Landesregierung, die Härtefallkommission für Flüchtlinge neu zusammenzusetzen, vom Parlament angestoßen worden. Auch die Rücknahme des „Raser-Freibriefs“ für Minister und Staatsekretäre ist unter dem Druck eines drohenden Parlamentsbeschlusses erfolgt.

Für weitere Initiativen zeichnen sich Mehrheiten ab: Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden wird nach den Vorstellungen der SPD wieder erleichtert. Die SPD-Fraktion hat einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem die Hessische Gemeindeordnung so verändert werden soll, dass die von CDU und FDP eingeführten Restriktionen bei den Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen wieder abgebaut werden und dadurch die Städte und Gemeinden in Hessen wieder zusätzliche Handlungsspielräume erhalten. Außerdem umfasst der Gesetzentwurf die Einführung von Seniorenbeiräten und die Absenkung der Quoren bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden.

In das von der SPD beharrlich auf die Tagesordnung gesetzte Thema „Internationale Bauausstellung“ ist Bewegung gekommen.

Mit Unterstützung auch der FDP soll die Förder- und Beratungspraxis für Unternehmer in Hessen wieder besser organisiert werden.

Bei der Analyse der zustande gekommenen Abstimmungsmehrheiten fällt auf, dass zentrale Anträge eine Mehrheit durch SPD, Grüne und Linkspartei gefunden haben. So bei der Änderung des Hessischen Schulgesetzes, der Abschaffung der Studiengebühren, der Rückkehr in die Tarifgemeinschaft der Länder, einem Abschiebestopps für afghanische Staatsangehörige, einem Antrag zur IT-Strategie der Landesregierung und einem Antrag zur Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Einstimmig waren eine Resolution zu Tibet und Anträge zur Überprüfung von MdLs durch die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, zur Erhöhung der Referendariatsplätze und zum Gedenken an den 17. Juni 1953.

Ein Antrag zur Verlegung des US-Streitkräfte Headquarters nach Wiesbaden fand eine Mehrheit von CDU, SPD und FDP. Ebenso die Änderung des Abgeordnetengesetzes sowie ein Antrag „keine Verunglimpfung der Bundeswehr“.

Einen Antrag zum Vertrag von Lissabon erbrachte eine Mehrheit von CDU, SPD, Grüne und FDP.

Bei der Frage der Bahnprivatisierung wurde ein Antrag von CDU, FDP und Grüne angenommen; das war der einzige Antrag, der bisher eine „Jamaika“-Abstimmungsmehrheit erbrachte.

Deutlich wird dabei aber auch, dass mit der CDU in Hessen weiterhin keine Politik möglich ist, die sozialen Gerechtigkeit, ökologische Verantwortung, Bildungsgerechtigkeit und eine gute Sicherheitspolitik mit Augenmaß anstrebt. Ein bisschen Kosmetik bei der Schulpolitik und die Entdeckung des Themas Nachhaltigkeit nach jahrelangen Be- und Verhinderns stellt noch lange keinen notwendigen Politikwechsel dar. Insbesondere beim Haushalt bleibt die Politik der CDU unsolide. Die Verzögerung der Vorlage eines Haushaltsentwurfs bis zum Dezember kommt einer Arbeitsverweigerung der geschäftsführenden Landesregierung gleich. Hier wird einmal mehr aus parteipolitischem Kalkül verzögert und – typisch für Roland Koch – getrickst und die Unwahrheit gesagt.

Auf Dauer nicht tragfähig ist es, allein den Politikwechsel durch Parlamentsmehrheiten herstellen zu wollen. Die Erfahrungen der vergangenen Monate zeigen, dass Roland Koch alle Möglichkeiten nutzen wird, um über die Nichtbefolgung von Mehrheitsentscheidungen (siehe Tarifvertrag, Abschiebestopp Afghanistan), mangelnde Kooperation (siehe Studiengebühren und Haushaltentwurf 2009) und bereits angekündigte Einsprüche (z.B. Änderung der Haushaltsordnung) Parlamentsbeschlüsse zu konterkarieren.

II. Neue Herausforderung durch Fünf-Parteien-Parlament

Erstmals in der Geschichte Hessens sind im Hessischen Landtag fünf Fraktionen vertreten. Auch in anderen Parlamenten sind einfache Mehrheitsbildungen nicht mehr möglich. Dies stellt die Politik insgesamt und damit auch die SPD vor neue Herausforderungen.

1.Alle im Landtag bisher vertretenen Parteien hatten sich im Vorfeld der Landtagswahl auf diese Herausforderung offensichtlich noch nicht eingestellt. Die Koalitionsaussagen bewegten sich im bisher gewohnten Muster. Mit Fünf-Parteien-Parlamenten wird die Regierungsbildung insgesamt schwieriger; es sei denn die Große Koalition – bisher eher der Ausnahmefall in unserer Demokratie – wird zum Serienmodell.

2.Die hessische SPD steht vor der Herausforderung – nachdem es für die rot-grüne Wunschkoalition nicht reicht und die FDP weiterhin eine Ampel-Koalition brüsk ablehnt – sich entweder auf eine Große Koalition einzulassen oder eine Koalition mit den Grünen anzustreben, die durch die Linkspartei toleriert wird.

Kommt es zu keiner dieser Konstellationen und auch nicht zu einer Jamaika-Koalition, werden Neuwahlen früher oder später notwendig werden.

Eine Nagelprobe für die Mehrheitsverhältnisse im Landtag werden die Haushaltsberatungen für das Jahr 2009 darstellen, die nach den Planungen der Landesregierung und durch ihre verspätete Vorlage des Haushaltsentwurfs erst im März nächsten Jahres abgeschlossen sein sollen.

3.Die SPD muss deshalb in den kommenden Wochen klären und dann eine Entscheidung treffen, welchen Weg sie für unser Bundesland zur Bildung einer neuen Regierung für den richtigen hält.

III. Zentrale Punkte unserer Politik:

Die hessische SPD strebt weiterhin den Politikwechsel in Hessen an.

Die hessische SPD steht dafür, dass Hessen nachhaltigen Fortschritt, wirtschaftliche Dynamik, soziale Gerechtigkeit und ökologische Vernunft vereint. Wir wollen Hessen in die Soziale Moderne führen. Wir wollen mit unserer Politik die solidarische Mitte der Gesellschaft ansprechen. Wir wollen den vorsorgenden Sozialstaat in Hessen entwickeln, der Armut bekämpft, Menschen gleiche Chancen eröffnet und gerechte Teilhabe gewährleistet. Wir stehen für Generationengerechtigkeit und setzen auf das Miteinander der Generationen und die Gleichberechtigung von Frauen und Männer.

Der Erfolg der hessischen SPD bei der Landtagswahl im Januar dieses Jahres war Ergebnis dieses klaren politischen Profils und einer Politik, die die konkreten Themenbereiche Bildung, Gute Arbeit, Soziale Gerechtigkeit, zukunftsweisende Wirtschaft und ökologische Verantwortung sowie Toleranz und kulturelle Vielfalt in den Mittelpunkt der Zukunftsgestaltung unseres Bundeslandes gerückt hat. Diese zentralen Bereiche wollen wir Schritt für Schritt durch die Erringung entsprechender Mehrheiten umsetzen:

Die Soziale Moderne für Chancengleichheit: Das Haus der Bildung bauen.

Wir wollen:

  • mehr Ressourcen für Bildung zur Verfügung stellen und Schulen besser ausstatten,
  • die Qualitätsoffensive „frühe Bildung für alle“ starten,
  • das Bewerbungsverfahren für echte Ganztagsschulen starten
  • und G8 abschaffen und Schulzeitverkürzung über eine flexible Eingangs- und Oberstufe anbieten.

    Die Soziale Moderne für Gute Arbeit: Wer arbeitet muss davon auch leben können.

    Wir wollen:

  • eine Bundesratsinitiative für einen gesetzlichen Mindestlohn starten,
  • den Öffentlichen Dienst zum Vorbild machen
  • und das Tariftreuegesetz / Hessische Vergabegesetz europafest machen und Sanktionsmöglichkeiten schaffen.

    Die Soziale Moderne für mehr Gerechtigkeit: Starke Schultern tragen mehr und schwachen wird geholfen.

    Wir wollen:

  • das soziale Netz in Hessen neu knüpfen und mit einem zuverlässigen Sozialbudget Finanzierungssicherheit für Träger, Organisationen und Institutionen herstellen,
  • das Präventionsprogramm gegen Kindesvernachlässigung starten und flächendeckend sicherstellen, dass z.B. Hebammen die Neugeborenen begrüßen und als Ansprechpartnerinnen und Wegweiser helfend zur Verfügung stehen und eine Bundesratsinitiative für die Wiedereinführung der Vermögensteuer starten.

    Die Soziale Moderne für eine zukunftweisende Wirtschaft: „Hessen vorn“ ist der Maßstab.

    Wir wollen:

  • wieder Mittelstandsförderung aus einer Hand gewährleisten und dazu im Dialog mit den Mittelstandsvertretern die Zusammenführung der Investitionsbank Hessen, der Hessen Agentur und der Landestreuhandstelle Hessen mit dem Ziel der Gründung einer Mittelstands- und Infrastrukturbank erreichen,
  • ein integriertes Verkehrssystem für Hessen und eine zukunftsorientierte Infrastruktur, die Engpassstellen gezielt aber behutsam beseitigt und Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen in allen Regionen sowie Transport und Logistik für unseren dynamischen Wirtschaftsstandort sichert,
  • die Erweiterung des Frankfurter Flughafens mit Nachtflugverbot und damit sowohl der Bedeutung des Frankfurter Flughafens als Verkehrsdrehpunkt und wichtigstem Infrastrukturprojekt als auch der Entlastung der Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet Rechnung tragen.

    Die Soziale Moderne für den Ausbau Erneuerbarer Energien: Hessen zum Vorzeigeland machen.

    Wir wollen:

  • mit dem „Gesetz zum Vorrang Erneuerbarer Energien“ die Energiewende einleiten und die Nutzung Erneuerbarer Energien zum vorrangigen öffentlichen Belang machen,
  • bürokratische Hürden beseitigen und damit Investitionen in Erneuerbare Energien und Arbeitsplätze ermöglichen
  • und Transparenz über die Sicherheitsüberprüfungen der hessischen Atomreaktoren schaffen.

    Die soziale Moderne für Sicherheit und Toleranz: Der Rechtsstaat kennt keine Grenzen.

    Wir wollen:

  • den Stellenabbau bei Justiz und Polizei stoppen und als ersten Schritt zur Schaffung neuer Stellen die Anzahl der Ausbildungsplätze erhöhen,
  • eine schnelle und ergebnisorientierte Resozialisierung jugendlicher Straftäter ermöglichen,
  • eine unabhängige Härtefallkommission einsetzen
  • und eine dialogorientierte Integrationspolitik umsetzen.

    IV. Verfahren

    1. Partei und Fraktion müssen in den kommenden Wochen eine Entscheidung treffen, welchen Weg sie zur Bildung einer neuen Regierung einschlagen wollen.

    2. Dies setzt eine breite umfassende Diskussion in der Parteibasis voraus. Das zur Verfügung stehende Zeitfenster bis zum bereits einberufenen Parteitag am 13. September ist zu kurz, um diese Diskussion in der notwenigen Breite und Tiefe führen zu können.

    3. Der ordentliche Landesparteitag wird deshalb verschoben. Ein außerordentlicher Landesparteitag wird für den 4. Oktober 2008 einberufen.

    4. Die in diesem Beschluss aufgeworfenen Fragestellungen wird die Parteispitze im Vorfeld des nun neu terminierten Landesparteitags mit der Parteibasis auf mehreren Regionalkonferenzen diskutieren. Zusätzlich werden Ortsvereine und Unterbezirke ebenfalls den Diskussionsprozess selbständig organisieren.

    5. Der geschäftsführende Landesvorstand wird beauftragt, einen Kriterienkatalog zu erarbeiten, der dem Landesvorstand und dem Landesparteirat als Diskussionsgrundlage zur Klärung weiterer offener Fragen in Bezug auf die Linkspartei dienen soll.

    6. Dem Landesparteitag am 4.Oktober 2008 wird eine Vorlage des Landesvorstandes zur Beschlussfassung vorlegt, die die Diskussionsergebnisse aufnimmt. Zuvor wird der Landesparteirat über eine entsprechende Vorlage beraten.