Nancy Faeser und Günter Rudolph (SPD): Ein Jahr nach übler Kampagne zur Jugendkriminalität hinkt Hessen weiter hinterher

Ein Jahr nach der von Roland Koch in unverantwortlicher Art und Weise vom Zaun gebrochenen Kampagne zur Jugendkriminalität hat die Landesregierung immer noch nicht ihre Hausaufgaben erledigt. Die Bilanz der geschäftsführenden Landesregierung bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität sei heute noch genauso schlecht wie vor 12 Monaten, stellten die Rechtspolitikerin Nancy Faeser und der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Günter Rudolph am Dienstag in Wiesbaden dar.

„Es zeigt sich auch im Rückblick überdeutlich: Diese Kampagne war auf gesellschaftliche Spaltung angelegt, auf das Schüren von Ressentiments“, so Faeser und Rudolph. Statt offensiv Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendkriminalität zeitnah umzusetzen und so eine Steigerung der Inneren Sicherheit herbeizuführen, trete die geschäftsführende Landesregierung seit Monaten auf der Stelle, sagten die beiden Sozialdemokraten.

Als Beispiele für das Versagen von Koch, Bouffier und Banzer führten die Fachpolitiker an, dass die SPD seit 2006 Einrichtungen für Hessen fordere, in denen Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendamt und Jugendgerichtshilfe sowie freie Träger unter einem Dach zusammengeführt werden, um auf die Jugendkriminalität zeitnäher, angemessen und wirkungsvoll reagieren zu können. Obwohl es solche „Häuser des Jugendrechts“ bereits in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gebe und diese dort erfolgreich arbeiteten, habe die CDU in Hessen bis zum Dezember des letzten Jahres die Schaffung von Häusern des Jugendrechts im Hessischen Landtag immer wieder abgeblockt.

Selbst nachdem die Rechtspolitikerin Nancy Faeser im Januar dieses Jahres im Rahmen des sozialdemokratischen Aktionsplans zur Bekämpfung der Jugendkriminalität öffentlich die Einrichtung von Häusern des Jugendrechts in Hessen forderte, um aufzuzeigen wie den von der CDU verursachten Defiziten bei der Kriminalitätsbekämpfung begegnet werden könne, und deren repressiven und präventiven Möglichkeiten darstellte, habe die CDU immer noch nicht eingelenkt. Vielmehr seien weitere drei Monate der Untätigkeit, so Faeser, ins Land gegangen, bevor der geschäftsführende Justizminister über die Köpfe der Stadt Frankfurt und aller Beteiligten vor Ort hinweg verkündete, dass man in Frankfurt ein Haus des Jugendrechts schaffen wolle. Inzwischen würden weitere Gespräche mit der Stadt Wiesbaden geführt.

Spürbare Auswirkungen auf die Dauer der Jugendstrafverfahren seien in Hessen bislang nicht zu verzeichnen.

Gleiches gelte für die dringend erforderliche personelle Verstärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften, um die Dauer von Jugendstrafverfahren endlich abzukürzen, hob Faeser hervor und stellte dar, dass Hessen zu Beginn dieses Jahres im Bundesvergleich den letzten Platz bei der Dauer von Jugendstrafverfahren eingenommen habe. Dies hänge u.a. damit zusammen, dass nicht in ausreichendem Maße Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte zur Verfügung stünden. Immerhin seien seit 2003 bis einschließlich 2008 von der CDU-geführten Landesregierung immer wieder Haushaltspläne vorgelegt und von der CDU-Mehrheit beschlossen worden, die auf einen Stellenabbau bei der Justiz gerichtet gewesen seien. So seien von 2003 bis 2008 rd. 120 Richter- und Staatsanwaltsstellen abgebaut worden.

Einen Personalzuwachs, mit dem Hessen die „rote Laterne“ bei den Jugendgerichtsverfahren hätte aus der Hand geben können, habe bis heute nicht stattgefunden. Der geschäftsführende Justizminister sei lediglich der sozialdemokratischen Forderung nach zusätzlichen Plätzen des Jugendarrests nachgekommen und habe darüber hinaus eine Expertenkommission eingerichtet, die Lösungsvorschläge zur Bekämpfung der Jugendkriminalität erarbeiten sollte.

Deren Bericht liege seit ca. 3 Monaten dem Justizministerium vor, sei aber dem Landtag nicht zur Kenntnis gegeben worden. Interessant sei jedoch die hierzu veröffentlichte Presseerklärung des geschäftsführenden Justizministers, so Faeser, in der wiederum die Häuser des Jugendrechts hervorgehoben würden und in der gerade auch Maßnahmen im präventiven Bereich gefordert würden. Einem Bereich, in dem 2004 rd. 8 Mio. Euro ersatzlos gekürzt worden seien, die für präventive Arbeit im Umgang mit Jugendlichen und insbesondere auch in sozialen Brennpunkten jedes Jahr fehle.

Im Übrigen habe die Bekämpfung von Kriminalität auch etwas damit zu tun, dass potentielle Straftäter das Gefühl vermittelt bekämen, die Möglichkeit einer Tatbegehung sei in Hessen besonders gering und die Gefahr der Tataufklärung sowie einer zeitnahen Verurteilung besonders groß, ergänzte Günter Rudolph.

Letztes sei in Hessen, wie Nancy Faeser aufgezeigt habe, in Hessen nicht gegeben und auch in den beiden anderen Punkten gäbe es erhebliche Defizite zeigte der sozialdemokratische Innenpolitiker auf. Schließlich gebe es heute in Hessen 1.186 Stellen für Polizeibeamte weniger als 1999 und die vorhandenen Bediensteten müssten neben der Arbeit der nicht mehr vorhandenen Kollegen auch noch die Aufgaben der im Innendienst weggefallenen über 700 Tarifbeschäftigten auffangen.

Außerdem sei diese Landesregierung für die gänzliche oder teilweise Schließung von Polizeidienststellen verantwortlich, weil dem Innenminister das Personal fehle. Zu Beginn dieses Jahres seien nach GdP-Angaben rund ein Dutzend Dienststellen betroffen gewesen, so Rudolph. In Kassel seien das 3., 4. und 7. Polizeirevier zu reinen Tagesdienststellen umgewandelt worden, in denen kein Dienst mehr rund um die Uhr verrichtet werde. Das Gleiche gelte für die Polizeistationen Ehringshausen, Dreieich, Hattersheim, Viernheim und das 3. Polizeirevier in Offenbach.

Komplett geschlossen, worden seien die Polizeiposten Harleshausen, die Polizeiautobahnstationen Herborn und Lorsch sowie die Polizeistation Rödermark, und inzwischen sei auch das 3. Polizeirevier im Norden Darmstadts gefährdet.

All dies schaffe zusätzliche Räume für Tatgelegenheiten und bliebe auch potentiellen Straftätern nicht verborgen. Dennoch habe der geschäftsführende Innenminister in den letzten 12 Monaten unverändert seine Politik des Personalabbaus fortgesetzt.

Eine sozialdemokratische Landesregierung wird:

  • 8 Jugendstaatsanwälte einstellen.
  • 20 Richterstellen schaffen, damit es in Hessen mehr Jugendrichter gibt.
  • Die Bewährungshilfe personell verstärken.
  • Im Jugendstrafvollzug 20 zusätzliche Bedienstete des Allgemeinen Vollzugsdienstes einstellen.
  • Häuser des Jugendrechts in Nord- und Südhessen schaffen.
  • Endlich in Hessen eine Jugendstrafvollzugseinrichtung für einen Vollzug in freien Formen schaffen und damit die Vorgaben des Jugendstrafvollzugsgesetzes.
  • Die Mittel für die ehrenamtliche Bewährungshilfe aufstocken.
  • Eine umfassende Jugendstraffälligenhilfe aufbauen.
  • Im Sozialhaushalt die finanzielle Förderung des Hof Fleckenbühl zur Prävention und Haftvermeidung drogenabhängiger Jugendlicher verankern.
    Die Streichungen von jährlich rd. 8 Mio. € im Sozialbereich an Zuschüssen für Jugendhilfemaßnahmen, die durch die Operation „Düstere Zukunft“ verursacht worden sind, wieder für Jugend- und Präventionsarbeit zur Verfügung stellen, dies gilt insbesondere für
  • 4 Millionen Euro für die Erziehungsberatung
  • 750.000 Euro zur Förderung der offenen Erziehungshilfen in sozialen Brennpunkten
  • 700.000 Euro für die Betreuung von Aussiedlerkindern und Jugendlichen in Wohnsiedlungen
  • 700.000 Euro für Förderungen von Integrationsmaßnahmen.
  • In den nächsten fünf Jahren 1.200 zusätzliche Polizeibeamte einstellen.
  • In den nächsten fünf Jahren 200 zusätzliche Tarifbeschäftigte bei der Polizei einstellen.