Michael Roth, Generalsekretär der SPD-Hessen und Landessynodaler der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, spricht für eine Absage der Preisvergabe an Kermani aus. "Es gibt nichts zu preisen, nichts zu loben", erklärte er und kritisierte Kardinal Lehmann und Kirchenpräsident Steinacker. Zwar stellten Kermanis Äußerungen über das Kreuz eine "Zumutung" für gläubige Christen dar. "Doch – mit Verlaub – die muss man ertragen können".
Der Beitrag von Michael Roth im Detail
Zwei renommierte und respektierte Kirchenmänner haben die Verleihung des Kulturpreises an den Schriftsteller und Orientalisten Navid Kermani abgelehnt. Dies ist ein beschämendes Zeichen des Kleinmutes. Sie haben damit weder sich noch ihren Kirchen einen Gefallen getan. Freilich stellen Kermanis Äußerungen über das Kreuz für jeden gläubigen Christen eine Zumutung dar. Doch – mit Verlaub – dies muss man ertragen können. Judentum, Christentum und Islam haben zwar die gleichen Wurzeln, aber an Jesus Christus scheiden sich eben die Geister. Das Kreuz eint Christinnen und Christen aller Konfessionen. Es trennt hingegen wie kaum ein anderes Glaubenszeichen von allen anderen Religionen. Hier wird es niemals Gemeinsamkeit geben können. Insofern mag das Kreuz gläubige Nichtchristen wie Navid Kermani provozieren. Die christlichen Kirchen haben allen Grund zu Selbstbewusstsein. Der Kulturpreis wird in Hessen verliehen. In einem Land, in dem die Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich evangelisch oder katholisch sind, die Konfessionen ganze Regionen kulturell immer noch stark färben und prägen. Da sollte so viel Statur doch möglich sein, sich den provozierenden Äußerungen eines anerkannten Islamwissenschaftlers offensiv zu stellen. Meinetwegen auch im Streit. Vielleicht hätte sich manches klären lassen. Sich selbst aber in den Schmollwinkel zurückzuziehen, den Preis gar abzulehnen, sollte Navid Kermani ihn erhalten, ist schlicht verzagt, man mag es auch töricht nennen. Mir tut es leid, weil ich mir eine kraftvolle, sich ihrer selbst bewussten Kirche wünsche.
Insbesondere die evangelische Kirche hat in den vergangenen Jahren aus guten Gründen ihr Verhältnis zum Islam neu zu klären versucht. Dabei wurden Gemeinsamkeiten beschrieben, aber eben auch grundlegende Differenzen und Divergenzen pointiert betont. Das hat manch engagierte Verfechter des interreligiösen Dialogs verstört. Wir prangern die teilweise unerträglichen Bedingungen in islamisch geprägten Ländern an, unter denen christliche Minderheiten ihren Glauben leben müssen. Christliches Wirken, Symbole des Glaubens, Riten und Traditionen, Bekenntnisse und Verkündigungen sind der Öffentlichkeit gänzlich entzogen. Kein Kreuz auf dem Turm, kein Glockengeläut, kein Gottesdienst unter freiem Himmel. Christliche Kirchen ersuchen hier um ein Mindestmaß an Selbstbehauptung. Da sollte man im eigenen Land, zumal in Hessen mit seiner starken liberalen Tradition, Toleranz großzügig walten lassen. Es war schon Goethe, der unterstellte: "Im Praktischen ist doch kein Mensch tolerant! Denn wer auch versichert, dass er jedem seine Art und sein Wesen gerne lassen wolle, sucht doch immer diejenigen von der Tätigkeit auszuschließen, die nicht so denken, wie er."
Der hessische Ministerpräsident hat sich mit seinem Gebaren ein Armutszeugnis ausgestellt. Angesichts der Verzagtheit zweier Kirchenmänner hätte zumindest die Landesregierung mutig und verantwortungsbewusst handeln müssen. Jetzt ist es nur noch peinlich. Unter diesen Umständen sollte kein Kulturpreis verliehen werden. Die Preisverleihung hat sich erübrigt. Es gibt nichts zu preisen, nichts zu loben. Ein Moment des Schweigens und Innehaltens täte hingegen ganz gut.
Michael Roth ist Bundestagsabgeordneter und Generalssekretär der hessischen SPD. Er ist Landessynodaler der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und Mitglied der Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD.