
Die Vorsitzenden der süddeutschen SPD-Landtagsfraktionen, Franz Maget (Bayern), Claus Schmiedel (Baden-Württenberg) und Thorsten Schäfer-Gümbel (Hessen), forderten heute eine zeitlich begrenzte Aussetzung der Basel-II-Regeln. Damit wollen die Sozialdemokraten der prozyklischen Wirkung dieser Kreditregeln und der entstandenen Wettbewerbsverzerrung entgegen treten, da die Regeln in den USA noch nicht flächendeckend umgesetzt seien.
Die Kreditklemme hat einen Namen: Basel II. Das Regelwerk von Basel II ist für Schönwetterperioden gemacht. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten heizen sie aber die Krise an. Das trifft vor allem die mittelständischen Industriebetriebe im Maschinen- und Fahrzeugbau in Baden-Württemberg und gefährdet bei uns Tausende Arbeitsplätze, so Schmiedel.
Das strenge Bonitätsrating nach Basel II wirke stark prozyklisch. Wenn ein Unternehmen sein Rating verliere und es zurückgestuft werde, müsse es plötzlich höhere Zinsen zahlen als ein Unternehmen, das schon vorher auf dem schlechteren Niveau angesiedelt war. Dies verringere die Kreditnachfrage und somit die Investitionsgüternachfrage. Anschlussfinanzierungen würden schwieriger. Hintergrund der steigenden Kreditkosten sei dabei das Erfordernis der Banken, die Kredite mit immer mehr Eigenkapital zu hinterlegen, was derzeit sehr teuer sei.
Der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, habe sich in einem Gespräch mit EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Joaquín Almunia dafür ausgesprochen, das Basel-II-Regelwerk befristet auszusetzen. Als Folge der anhaltenden Finanzkrise habe Basel II die Kredite für Klein- und Mittelbetriebe verteuert. Deshalb plädiere er dafür, das Regelwerk für mindestens zwei Jahre außer Kraft zu setzen, betonte Ohoven, der mit Almunia in seiner Position als Chef des europäischen Dachverbands nationaler Mittelstandsvereinigungen (CEA-PME) sprach. Ohoven kritisierte beim Blick auf die Finanzmarktregulierung den EU-Kompromiss zum Selbstbehalt bei der Verbriefung von Kreditforderungen durch Banken. Ohoven halte die Regelung, wonach die Banken künftig fünf Prozent der Kreditrisiken, die sie als Wertpapiere verkauften, selbst behalten müssten, für nicht ausreichend. Hier wäre eine mindestens doppelt so hohe Quote angemessen gewesen, merkte der Mittelstandpräsident in einer Pressemitteilung an.
Die Forderung des luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker nach einer dringenden Überprüfung der Regeln ist begründet. Zum Schutz und zum Aufbau von Beschäftigung muss sich etwas bewegen, so Franz Maget.
Auch die deutsche Wirtschaft fordere Reformen. Wir brauchen dringend einen internationalen Ordnungsrahmen für Finanzmärkte, der für alle gilt, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), dem TAGESSPIEGEL. Klar ist: Wäre Basel II überall eingeführt worden, hätten wir heute eine bessere Situation an den Finanzmärkten. sagte Wansleben. Bundesregierung und EU müssten nun anstreben, die Regeln von Basel II als Ausgangspunkt für eine neue internationale Finanzarchitektur zu nutzen.
Solange diese Regeln aber nicht Ausgangspunkt und in den USA nicht flächendeckend eingeführt sind, führen sie zu einer Wettbewerbsverzerrung. Deshalb ist aus Konjunktur- und Wettbewerbsgründen eine Aussetzung bis Ende 2010 geboten, so Schäfer-Gümbel.
Die drei Sozialdemokraten kündigten eine gemeinsame Initiative auf Bundesebene an. Diese Initiative ist Ausgangspunkt einer intensiveren Zusammenarbeit der süddeutschen Landtagsfraktionen aus Baden-Württemberg, Bayern und Hessen.
Hintergrund
Das Basel-II-Abkommen legt die Höhe des Eigenkapitals fest, mit dem Banken von ihnen vergebene Kredite unterlegen müssen. Je geringer die Kreditwürdigkeit des Schuldners, umso mehr Eigenkapital müssen die Banken für einen Kredit vorhalten. Im Abschwung führt dies dazu, dass die Banken mehr Eigenkapital vorhalten müssen, weil sich die Situation der Unternehmen verschlechtert. Firmen in schwierigen Lagen drohen von Krediten abgeschnitten zu werden, weil die Banken oft selbst angeschlagen die Eigenkapitalanforderungen nicht erfüllen können. Die Richtlinien gelten dabei nur in Europa seit Ende 2006 flächendeckend, in den USA werden die Standards bis zum heutigen Tage noch immer nicht angewendet.