
Die SPD-Landtagsfraktion hat jetzt ihren Gesetzentwurf für den Vorrang Erneuerbarer Energien in Hessen in den Geschäftsgang des Landtages eingebracht. "Dieser Gesetzentwurf kann ein Meilenstein für die Energiewende werden. Wir loten damit systematisch und umfassend die landesrechtlichen Handlungsspielräume aus. Ohne eine solche Neuorientierung sind die energiepolitischen Ziele der EU, des Bundes und des Landes nicht erreichbar", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel am Montag in Wiesbaden, wo er den Gesetzentwurf gemeinsam mit dem umweltpolitischen Sprecher der Fraktion, Manfred Görig, vorstellte.
"Wir kommen mit dem jetzt vorliegenden Entwurf dem Ziel einen Riesenschritt näher, Hessen zum Vorreiterland für Erneuerbare Energien zu machen. Vorausgesetzt, die politische Mehrheit im Landtag nimmt unsere Vorschläge an. Wir erwarten eine offene und vorurteilsfreie Beratung dieses Entwurfs, den wir über Monate mit hoch qualifizierten Juristen und mit breiter Beteiligung vieler Fachleute erstellt haben", sagte Schäfer-Gümbel. "Wir bieten mit unserem Gesetz genau die Instrumente, die nötig sind, um das zu erreichen, was Ministerpräsident Koch seit Anfang 2008 propagiert, CDU und FDP brauchen sie nur einzusetzen."
Schäfer-Gümbel belegte die Bedeutung landespolitischer Weichenstellungen mit einem Zitat aus der Studie "Vergleich der Bundesländer: Best Practice für den Ausbau Erneuerbarer Energien" des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin und des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) Stuttgart: "Die Bundesländer spielen auch deshalb eine erhebliche Rolle in dieser Entwicklung, wenn wichtige Ziele und Instrumente zunehmend europaweit bzw. bundesweit festgelegt werden. Die Länder haben erhebliche rechtliche und finanzielle Handlungsspielräume, die ausgenutzt werden müssen, damit ambitionierte Ausbauziele erreicht werden können. Außerdem sollten in einem föderalen System die Länder um die besten Lösungen und Konzepte ringen. Darüber hinaus ist die Entwicklung Erneuerbarer Energien vor allem aus technologie-, industrie- und regionalpolitischen Gründen interessant (…)"
In dieser Vergleichsstudie aus dem Jahr 2008 lande Hessen insgesamt leider nur auf dem 14. Platz. Insbesondere kritisiere die Studie die restriktive Windplanung des Landes.
Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion setze folgerichtig einen Schwerpunkt bei der Landesplanung. Dort solle die Nutzung Erneuerbarer Energien als vorrangiger öffentlicher Belang verankert werden. "Das bedeutet das Ende der investitionsfeindlichen Verhinderungsplanung des Landes", sagte Schäfer-Gümbel. 1,5 Prozent der Landesfläche sollten – ohne Anbauflächen für Biomasse – als Vorranggebiete vorgesehen und die Regionalpläne entsprechend angepasst werden.
Besondere Bedeutung komme auch der Vorbildfunktion des Landes zu. Hier insbesondere mit dem Schwerpunkt Energieeffizienz, zum Beispiel bei öffentlichen Gebäuden und beim Fuhrpark des Landes. Neu gegenüber dem bisherigen Entwurf ist die Vorgabe, dass für den Gebäudebestand des Landes ein energetischer Sanierungsplan erstellt werden soll. Bei der klimafreundlichen Umstellung des Fuhrparks will die SPD-Fraktion strengere Vorgaben. Der Gesetzentwurf sieht jetzt vor, den Kohlendioxid-Ausstoß als Maßstab anzusetzen: Ab sofort solle für neu angeschaffte Fahrzeuge eine Obergrenze bei 140 Gramm und 2012 bei 120 Gramm pro gefahrenem Kilometer gelten. Ein Landeskataster für Erneuerbare Energien solle dazu beitragen, tatsächlich alle Potentiale der Erneuerbaren Energien zu erschließen.
Schließlich gehe es darum, die kommunale Verantwortung zu stärken. So sollen die Empfehlungen der Städte und Gemeinden bei der Ausweisung von Vorranggebieten für Windenergie berücksichtigt werden. Ferner sollen die Kommunen das Recht erhalten, den Anschluss von Gebäuden an das Fernwärmenetz aus Gründen des Klima- und Ressourcenschutzes vorzuschreiben. Ebenso sollen die Kommunen die Nutzung bestimmter Energieformen vorschreiben oder untersagen können.
Weitere wichtige Neuerungen aufgrund der umfassenden Anhörung im Vergleich zum bisherigen Entwurf erläuterte Manfred Görig: "Wir greifen einige der Anregungen auf, die uns anlässlich der Anhörung erreicht haben bzw. vorgetragen wurden, und die bisher in der Energiediskussion eine zu geringe Rolle spielten", sagte Görig. Ein Element sei die wesentlich stärkere Integration natürlicher Ressourcen in Bau- und Sanierungsmaßnahmen. "Tageslicht und Regenwasser bieten sich geradezu an, Strom und Wasser einzusparen. Es gibt dazu hervorragende Konzeptionen, beispielsweise eines Ingenieurbüros aus Frankfurt, das nachweist, dass der Stromverbrauch durch elektrische Beleuchtung um bis zu 50 Prozent gesenkt werden kann. Dies ist eine nennenswerte Größe, wenn man bedenkt, dass bis zu 40 Prozent des gesamten Energiebedarfs eines Gebäudes tagsüber für elektrische Beleuchtung aufgewendet werden." Die Verwendung von Regenwasser zum Brauchwassereinsatz sei eine weitere Möglichkeit, Gebäude energetisch zu modernisieren. Beide Maßnahmen seien deshalb in den Gesetzestext eingearbeitet worden, sagte der SPD-Fachsprecher.
Ferner solle im geplanten Landeskataster für Erneuerbare Energien auch das technische Potenzial an solarer Strahlungsenergie sowohl für Solarthermie als auch für Photovoltaik erfasst werden, sowie das Einspeisepotenzial an Solarthermie für Fern- und Nahwärmenetze. Manfred Görig stellte klar, dass der Einsatz von Solarthermie zur Wärmebereitstellung in Gebäuden Priorität habe und die Möglichkeit zur Einspeisung in Nah- und Fernwärmenetze sinnvoll sei.
Der Investitionseffekt des Vorrang-Gesetzes sei enorm, so Schäfer-Gümbel. "Wir lösen gerade in der Wirtschaftskrise sehr positive Folgewirkungen aus, und zwar in jeder Hinsicht positiv, für den Arbeitsmarkt, die Beschäftigung und die regionale Wertschöpfung. Wir werden ein großes Potenzial an Innovationen auf dem Energiesektor durch die Förderung von Forschung und Entwicklung auslösen."