Energiewende nicht mit Märchen vom teuren Öko-Strom behindern

„Die von den Atom- und Kohlekraftbefürwortern gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung, Erneuerbare Energien würden hohe Preissteigerungen auf dem Energiesektor auslösen, ist nichts anderes als eine interessengesteuerte Erfindung,“ sagte der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion Thorsten Schäfer-Gümbel am Freitag in Wiesbaden. Es müsse Schluss sein damit, auf dem Märchen vom teuren Öko-Strom als Totschlagargument gegen die längst überfällige Energiewende zu beharren, forderte Schäfer-Gümbel im Vorfeld des Klimagipfels von Kopenhagen. „Wir brauchen ambitionierte Ziele – gerade in der hessischen Landespolitik. Die gestrige Anhörung des Umweltausschusses hat einmal mehr gezeigt, dass CDU und FDP keine eigene Vorstellung davon haben, wie Hessen von der Position als Schlusslicht beim Einsatz Erneuerbarer Energien wegkommt. Sie hat aber auch gezeigt, dass die Erneuerbaren Energien, in der Zukunft keine Preissteigerungen bewirken werden. Die Beheizung mit Solarthermie wurde dabei explizit genannt.“

„Wir haben seit Jahren exorbitante Preissteigerungen auf dem Strommarkt, über die hin und wieder stattfindende leichte Preissenkungen nicht hinwegtäuschen können.“ Die Verteuerungen der Energiepreise hätten bereits jetzt die finanzielle Belastungsgrenze für zahlreiche Mitbürger überschritten und unter den gegebenen Bedingungen sei mit weiteren Verteuerungen zu rechnen, die mehr und mehr zur sozialen Hypothek unserer Volkswirtschaft würden. Auch im Hinblick auf die finanziellen Belastungen sei die Energiewende nötig, weil ökologisch produzierter Strom immer billiger werde, konventionell erzeugter Strom immer teurer, so Schäfer-Gümbel. Die im schwarzgelben Koalitionsvertrag angekündigten „Anpassungen“ bei der Förderung insbesondere der Photovoltaik müssten leider als Drohung verstanden werden, die Förderung der Erneuerbaren Energien zu verschlechtern. „Das wäre eine grundsätzlich falsche Weichenstellung.“

Schäfer-Gümbel nannte als wesentliche Gründe für diese Entwicklung zum einen die einseitige Abhängigkeit der Energieversorgung von endlichen Energieträgern (Erdöl, Erdgas, Kohle, Uran), da die Ausbeutung der Restreserven zu laufend steigenden Förderkosten führe. Zum anderen bewirke genau diese Endlichkeit, dass die global steigende Nachfrage Preisschübe auslöse, da die Vorkommen dieser Reserven auf wenige Länder der Welt beschränkt seien und das Angebot bei fortlaufend steigendem Weltenergiebedarf tendenziell kleiner sei als die Nachfrage, sei die Energiewirtschaft zu einem Anbietermarkt geworden.

Steigende Förderkosten und steigende Renditeforderungen würden auf den Preis umgelegt. „Und die Preise werden von wenigen Anbietern diktiert.“ Dies erkläre, weshalb die Förderländer ebenso wie die zunehmend transnational organisierten Energiekonzerne gerade in Zeiten der Verknappung der Energiereserven Rekordeinnahmen erzielten.

Schließlich würden die Schadensfolgen des herkömmlichen Energieeinsatzes zunehmend teurer und könnten nicht mehr „nur“ als Langfristschäden angesehen werden. Das gelte nicht allein für Klimaschäden, sondern auch für die Gesundheitskosten und für die Folgekosten der Atomenergienutzung (Entsorgung), betonte der SPD-Politiker. Die bisher ergriffenen internationalen und nationalen Gegenmaßnahmen wie Emissionshandel und Ökosteuern hätten sich als unzureichend erwiesen, denn sie hätten die Verteuerungen der herkömmlichen Energieversorgung nicht korrigieren können. Dies gelte insbesondere für die Kohle. Die Energieimportländer – gerade Deutschland mit seiner Importabhängigkeit von 75 Prozent – stünden dem so lange weitgehend hilflos gegenüber, wie sie an diesen Energieträgern festhielten und keinen umfassend angelegten Wechsel zu heimischen erneuerbaren Energien realisieren würden.

Hinzu komme, dass die beispielsweise die Gestehungskosten für Atomstrom politisch gewollt niedrig gehalten würden. „Die Kosten für Entwicklung und Entsorgung werden im Wesentlichen aus der Staatskasse gedeckt, Rückstellungen der Atomkonzerne sind steuerfrei, ebenso die atomaren Brennelemente, darüber hinaus liegt das Haftungsrisiko vor allem beim Staat“, so Schäfer-Gümbel.

„Die herkömmliche Energieversorgung führt in eine Sackgasse mit schwerwiegenden sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen. Diese Entwicklung war lange voraussehbar. Dennoch wurde der einzige Ausweg – der konsequente und zügige Wechsel zu unerschöpflichen erneuerbaren Energien und die gleichzeitig massive Förderung des Energiesparens und der Energieeffizienzsteigerung – interessengeleitet verleugnet, ignoriert und sogar bekämpft. Wir in Hessen wissen davon ein Lied zu singen“, sagte der Fraktionsvorsitzende. Der hessische Landtagswahlkampf sei ein spektakuläres Beispiel dafür gewesen.

Die für die unterlassene Energiewende Verantwortlichen könnten davon nicht freigesprochen werden – insbesondere, wenn sie bis heute daraus keine substanziellen Lehren in ihrer praktizierten Politik zögen. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Dieser berühmt gewordene Satz Michail Gorbatschows sei ebenso auf die Energiepolitik anwendbar, die eine ökonomisch-technologische Herausforderung ersten Ranges für die Politik darstelle, sagte Schäfer-Gümbel. Die Energiewende sei viel zu lange aufgeschoben worden – nicht zuletzt in Hessen, das als eines der wirtschaftlich und technologisch leistungsfähigsten Bundesländer leider zu einem der Schlusslichter bei der Einführung Erneuerbarer Energien in Deutschland geworden sei.