CDU-Schwarzgeldskandal hat der politischen Moral dauerhaft geschadet

"Nach Befragung aller, die damit zu tun haben und damit zu tun gehabt haben, durch den Generalsekretär gibt es keine Buchungen, Zahlungen und anderes außerhalb der ordnungsgemäß geprüften Buchführung der hessischen CDU." Roland Koch am 16. Dezember 1999 vor dem Hessischen Landtag

Heute vor 10 Jahren, am 16. Dezember 1999, hat der Hessische Landtag erstmals über den damals aufkommenden Schwarzgeldskandal der hessischen CDU debattiert. Zuvor hatte die Süddeutsche Zeitung am 1. Dezember berichtet, dass der CDU-Finanzberater Horst Weyrauch Zürich-Reisen für die hessische CDU abgerechnet hatte. Nach anfänglichem Dementi musste die CDU am 8. Dezember eingestehen, dass sie 1989 und 1991 "Vermächtnisse" aus dem Ausland von zusammen sechs Millionen Mark erhalten habe. Der frühere Schatzmeister Prinz Wittgenstein vermute die Erblasser "in Kreisen deutschstämmiger jüdischer Emigranten", Zahlungen außerhalb der Buchführung habe es aber nie gegeben. Am 10. Dezember enthüllte der "Spiegel", dass auch an die Frankfurter CDU 1991 und 1996 jeweils 3,5 Millionen Mark als anonyme Vermächtnisse geflossen seien. Am 16. Dezember erklärte der hessische Ministerpräsident Roland Koch vor dem Landtag, alle Finanzfragen der hessischen CDU seien ordnungsgemäß und einwandfrei geführt worden.

Mit diesem Vorlauf nahm einer der größten Politikskandale der deutschen Geschichte seinen Lauf. Am Ende stand fest, dass die hessische CDU sich über Jahrzehnte hinweg ein Schwarzgeldsystem aufgebaut hatte, um jenseits der Rechenschaftsberichte der Partei in erster Linie Wahlkämpfe zu finanzieren. Allein in Roland Kochs Landtagswahlkampf 1998/99 waren 1,4 Millionen Mark aus diesem illegalen Schatz geflossen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Günter Rudolph, hat den 10. Jahrestag der Landtagsdebatte vom 16. Dezember 1999 zum Anlass genommen, auf die bis heute wirksamen Folgen des Schwarzgeldskandals hinzuweisen.

"Der CDU-Schwarzgeldskandal hat der politischen Moral in Hessen dauerhaft geschadet. Die fehlende Bereitschaft, insbesondere von Roland Koch, Verantwortung für diesen Skandal zu übernehmen, hat die Maßstäbe, nach der die hessische CDU politische Affären beurteilt, dauerhaft verschoben und damit einer bedenklichen Gleichgültigkeit der Regierungsparteien gegenüber den ungeschriebenen und geschriebenen Regeln unserer Demokratie den Weg gebahnt", sagte Rudolph am Mittwoch in Wiesbaden. "Oder volkstümlich ausgedrückt: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert."

Als aktuelle Beispiele nannte der Sozialdemokrat den Mobbing-Skandal im Finanzressort und die Wolski-Affäre. "Die Art und Weise, wie in Hessen erfolgreiche Steuerfahnder erst ausgebremst und dann raus gemobbt wurden, ist eines demokratischen Rechtsstaats nicht würdig. Aber wer selbst Parteigeld über eine Stiftung in Liechtenstein geparkt hatte, hat wohl eher ein Herz für die Steuerhinterzieher als für ihre Verfolger", sagte Rudolph.

Das vergleichbare Vorgehen krimineller Steuersünder einerseits und von Manfred Kanther und sowie weiteren Verantwortlichen der hessischen CDU andererseits lasse auf eine Art "geistige Blutsbrüderschaft" schließen. "Und auch die CDU hat ja ihre Erfahrung mit lästigen Recherchen. Deshalb hat sie unter Verantwortung von Roland Koch alles getan, um immer nur das zuzugeben, was ohnehin bekannt zu werden drohte. Deshalb wurden die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft, die Untersuchungsausschüsse in Berlin und Wiesbaden und die Wirtschaftsprüfer der CDU von Roland Koch behindert, blockiert und getäuscht."

Auch der in der Öffentlichkeit immer wieder aufs Neue entstehende Eindruck, dass die der CDU angehörende hohe hessische Richterin Karin Wolski trotz aller Verstrickungen in die dubiosen Machenschaften ihres Ehemannes von den Strafverfolgungs- und Steuerbehörenden verschont werde, sei ohne den Schwarzgeldskandal nicht denkbar. "Frau Wolski war im Untersuchungsauschuss die ‚rechte Hand‘ des Ausschussvorsitzenden und hat sich nach unserem Eindruck instrumentalisieren lassen, um die Aufklärung eher zu behindern als voranzubringen. Die CDU ist ihr anscheinend bis heute dankbar", sagte Rudolph.

Der Sozialdemokrat erinnerte daran, dass Roland Koch die "brutalstmögliche Aufklärung" des Spendenskandals bis heute schuldig geblieben sei. "Seine Aufklärung endete immer vor der eigenen Haustür. Alles was ihm persönlich nahe kam, insbesondere die dubiosen Umstände seiner eigenen Wahlkampffinanzierung und des Systems illegaler Spenden in seiner Amtszeit – Stichwort Ferrero – waren für den selbst ernannten Chefaufklärer tabu", sagte Rudolph.

Außerdem sei es nie gelungen, die Herkunft der 20,8 Millionen Mark, die Manfred Kanther 1983 zunächst in die Schweiz und dann nach Liechtenstein transferiert hatte, zu klären. "Das Kartell des Schweigens hat im Grunde gehalten." Alle Indizien sprächen aber dafür, dass sich die hessische CDU Gelder der Staatsbürgerlichen Vereinigungen – der Spendenwaschanlagen von CDU und FDP – einverleibt habe. "Das heißt nicht anderes, als dass der geheime Reichtum der hessischen CDU aus Steuerhinterziehung stammt."

Um sich selbst nicht zu gefährden, habe Roland Koch die Haupttäter immer mit Samthandschuhen angefasst. "Weder parteirechtlich noch zivilrechtlich ist Herr Koch gegen Manfred Kanther vorgegangen, obwohl dieser rechtskräftig verurteilt wurde und der Partei immenser Schaden entstanden ist. Es gilt das alte Wort: Eine Hand wäscht die andere." Einzig Franz Josef Jung habe als politisch Verantwortlicher den Kopf für den Schwarzgeldskandal hinhalten müssen. "Und es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass Herr Jung auch jetzt wieder die Verantwortung für etwas übernehmen musste, was in seinem Haus angeblich hinter seinem Rücken und ohne sein Wissen geschehen ist."

Aber trotz aller Versuche, die Verantwortung auf andere abzuwälzen, habe Roland Koch im Schwarzgeldskandal ein langes "Sündenregister" zu verantworten, dass unvereinbar gewesen sei mit seinem Festhalten am Sessel des Ministerpräsidenten. Rudolph erinnerte

  • an den gefälschten Rechenschaftsbericht 1998, für den Schwarzgeldzuflüsse nachträglich als Darlehen des Prinzen Wittgenstein deklariert wurden,
  • an die "Sternsingerlüge" vom 10. Januar 2000, als Roland Koch wahrheitswidrig behauptete "Ich kenne bis zum heutigen Tag keinen einzigen Vorgang außerhalb der offiziellen Buchhaltung der Christlich Demokratischen Union",
  • an die Finanzierung von Roland Kochs Landtagswahlkampf 1998/99 mit 1,4 Millionen Mark Schwarzgeld,
  • an die Übergabe falscher Vermerke an die Staatsanwaltschaft durch Roland Koch,
  • an die Ferrero-Spenden und die damit bestückte "Sonderkasse" in der CDU-Landesgeschäftsstelle,
  • an die diskreten Spenden von Hessen-Metall und dem Haftpflichtverband der Deutschen Industrie, um über den Bundesrat die damalige rotgrüne Bundesregierung auszubremsen,
  • an die Blockade der Untersuchungsausschüsse in Wiesbaden und Berlin durch zögerliche Aktenherausgabe,
  • an den verweigerten Eid von Roland Koch im Untersuchungsausschuss.

    "Wer nicht lügt, kann auch schwören. Das legt im Umkehrschluss den Verdacht mehr als nahe, dass gelogen hat, wer partout nicht schwören will", sagte Rudolph. Roland Koch habe der Demokratie schweren Schaden zugefügt und diese Wunden seien auch nach 10 Jahren noch nicht verheilt. "Im Gegenteil: Die Rückkehr zur Arroganz der Macht von Schwarzgelb im vergangenen Jahr belegt, dass die mit dem Schwarzgeldskandal eingezogene politische Unkultur weiter als Schatten auf dem Land liegt."