Schwarz-Gelb: Macht versessen und pflichtvergessen, aber ohne Ideen für das Land

Die Jahresbilanz 2009 der Hessischen Landesregierung fällt aus Sicht der Sozialdemokraten im Hessischen Landtag „auf ganzer Linie enttäuschend“ aus. „Dieses Jahr stand für die Landesregierung anscheinend unter dem Motto zurück zur Überheblichkeit der Macht“, sagte SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel am Montag in Wiesbaden.

Dafür gebe es zahlreiche Beispiele. Die Zustimmung von Ministerpräsident Koch im Bundesrat zum schwarzgelben „Schuldenbeschleunigungsgesetz“ lasse sich in dem Satz zusammenfassen: „Egal ob es ökonomisch sinnvoll ist oder nicht, wir haben die Macht es zu tun und deshalb tun wir es.“ Auch der Umgang mit den Mobbingopfern in der Finanzverwaltung oder der Wortbruch beim Nachtflugverbot seien das Ergebnis ungebremster Machtphantasien. „Damit geht ein Jahr zu Ende, in dem die Landesregierung sich einmal mehr die Zuschreibung „Macht versessen aber pflichtvergessen“ verdient hat“, so Schäfer-Gümbel.

„Diese Landesregierung steht nicht für den Aufbruch.“ Das Land werde weiterhin „deutlich unter Wert regiert“. Schäfer-Gümbel forderte die Landesregierung auf, endlich aus der Lethargie zu erwachen und einen Gestaltungsanspruch zu entfalten. „Der dürftige Koalitionsvertrag darf nicht das letzte Wort für die kommenden vier Jahre dieser Wahlperiode bleiben.

Bildungspolitisch sei die neue schwarz-gelbe Regierung „blutleer“. Anstatt die dringend notwendigen Aufräumarbeiten nach der Periode Wolff und der Zwischenphase Banzer anzupacken, verhedderte sich die Kultusministerin im Gestrüpp ihres Ministeriums. In den Gymnasien gehe der G8-Stress weiter, von früherer Förderung sei nichts zu spüren, Ganztagsschule bleibe mehr Schein als Sein und längeres gemeinsames Lernen Fehlanzeige. Die neue Wissenschaftsministerin habe sich ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert und die Proteste der Studierenden gegen die Bachelor- und Masterstudiengänge völlig falsch eingeschätzt.

Den „Umweltdinosaurier des Jahres“ könne man getrost Ministerin Lautenschläger überreichen – für ihr trotziges Festhalten an der Hochrisikotechnologie Atomkraft. „Von einer echten Energiewende hin zu den Erneuerbaren in Hessen keine Spur“, konstatierte Schäfer-Gümbel. Das Festhalten an Biblis A und B diene dem vorherrschenden Energiekartell der großen Konzerne, keineswegs der Sicherheit der Energieversorgung oder der Preisstabilität. Als einzige Landtagsfraktion haben die SPD einen umfassenden Gesetzentwurf zur Förderung erneuerbaren Energien vorgelegt und dabei alle Facetten der Energiewende beschrieben: Mehr Wertschöpfung in der Region, mehr Arbeitsplätze in Hessen, sichere und bezahlbare Energie auf Dauer und weniger Konzentration auf Anbieterseite.

Noch nie seien die Finanzen des Landes so aus den Fugen geraten wie 2009 – und dies nur zu einem geringen Teil wegen der notwendigen Investitionen gegen die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Schwarz-Gelb habe in den guten Jahren nicht vorgesorgt und sei völlig konzeptionslos in die Krise geschlittert, so Schäfer-Gümbel. Es gebe keine Idee, schon gar kein Konzept, dem „hessischen Schuldenturm“ zu entkommen. Weimar türme Schulden über Schulden, verzichte aus ideologischen Gründen auf Einnahmen und belastet mit 400 Millionen die kommunalen Haushalte. Der parteiübergreifend aufkommende Protest der Bürgermeister im Herbst 2009 gegen weitere Belastungen aus Wiesbaden spreche Bände. Die kommunale Selbstverwaltung sei in Gefahr – die Sanierung des Landeshaushaltes wolle Weimar den Städten, Gemeinden und Landkreisen aufbürden. „Hessen will auf Kosten der kommunalen Basis sparen – dagegen machen wir mobil“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende. Die unglaublichen Vorgänge in Weimars Finanzverwaltung zeigten, dass seine Zeit als Minister ablaufe. Statt Aufklärung und Entschuldigung werde vernebelt und vertuscht – sowohl in der Affäre Wolski als auch in der Steuerfahnderaffäre. Beide Schauplätze werden der Landespolitik in 2010 erhalten bleiben, so Schäfer-Gümbel.

Auch bei der Inneren Sicherheit seien weiterhin Defizite zu beklagen. Der Personalabbau bei der Polizei halte an und die Personaldecke in den Stationen werde dünner. Innenminister Bouffier bleibe seinem alten Kurs treu und ignoriere Verfassungsbedenken, so zum Beispiel bei seinem neuen Polizeigesetz. Mit der Kennzeichenerfassung wolle er Verbrechern zu leibe rücken, dies aber um den Preis von tiefen Eingriffen in Bürgerrechte, kritisierte Schäfer-Gümbel.

Wirtschafts- und Verkehrsminister Posch habe sich durch die Abkehr vom Konsens, dass die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen nur mit einem verbindlichen Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr kommen können, ins politische Abseits manövriert und der Methode der Mediation schweren Schaden zugefügt. „Wie wollen wir in Zukunft in hochindustrialisierten und dicht besiedelten Gebieten nur industrie- und infrastrukturpolitische Großprojekt im Benehmen mit allen Beteiligten umsetzen, wenn nach zehn Jahren politischer Zusagen solche Versprechen nichts mehr wert sind“, so Schäfer-Gümbel. Eben weil der Flughafenausbau so wichtig sei für Wachstum und neue Arbeitsplätze, sei das Einhalten gegebener Zusagen auf Nachtruhe so entscheidend für die Vertrauensbildung in der Region. „Koch, Hahn und Posch haben da in den letzten Wochen viel Porzellan zertrümmert. Das schadet dem Projekt, dem Land und der politischen Kultur in Hessen.“