„Keine Selbstbedienung“

Gerade bei so genannten „freihändigen Auftragsvergaben“ muss nach Ansicht des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Landtagsfraktion Günter Rudolph „auf jeden Fall der Anschein vermieden werden, dass eine ungerechtfertigte Begünstigung gegeben ist.“ Die Vergabe eines Agenturauftrags des FDP-geführten Justizministeriums ausgerechnet an die FDP-eigene Agentur Cicero wecke leider den Verdacht, dass hier eine parteipolitische Komponente eine wesentliche Rolle gespielt habe, sagte Rudolph am Montag in Wiesbaden.

„Es ist ganz klar, es darf keine Selbstbedienung geben, deswegen hat die SPD-Fraktion mit einem Schreiben an Justizminister Hahn nachgehakt“, sagte Rudolph weiter. Die Nähe der Agentur „Cicero“ zur FDP sei ja bekannt, so werde beispielsweise die Parteizeitung „Liberale Depesche“ – herausgegeben von Guido Westerwelle – von dieser Agentur gestaltet.

Die Erklärungen von Minister Hahn vom Wochenende seien nicht ausreichend. „Weder Eilbedürftigkeit noch eine Auftragsvergabe in Rheinland-Pfalz können Parteibuch-Wirtschaft in Hessen rechtfertigen. Herr Hahn muss zügig und umfassend aufklären“, sagte der Sozialdemokrat, deshalb habe die SPD-Fraktion ihm eine Frist bis Mittwoch gesetzt. „Freihändige Vergaben sind in engen Grenzen erlaubt, aber gerade an sie müssen höchste Maßstäbe angelegt werden, damit kein schiefer Eindruck entsteht.“

Das Schreiben an Staatsminister Hahn hat folgenden Wortlaut:

„Der Spiegel vermeldet in seiner heutigen Ausgabe, dass Ihr Haus Aufträge an die FDP-eigene Werbeagentur Cicero in Wiesbaden „freihändig“ vergeben hat. Diese Meldung hat ja bereits am Wochenende in den Medien eine große Rolle gespielt und Sie haben bereits am Samstag unserer Aufforderung entsprochen und eine Erklärung zum Sachverhalt abgegeben. Diese Erklärung erscheint uns jedoch unzureichend, so dass ich Sie bitte, uns die folgenden Fragen bis Mittwoch, 3. März 2010, 16 Uhr zu beantworten.

1.Welche Aufträge mit welchem finanziellen Volumen hat das Ministerium für Justiz, Integration und Europa an die Wiesbadener Werbeagentur „Cicero“ vergeben?
2.Welche Aufträge davon sind freihändig vergeben worden?
3.Warum wurden diese Aufträge freihändig vergeben?
4.Welche Stelle im Ministerium für Justiz, Integration und Europa hat diese Aufträge vergeben? Welche Personen im Hause hatten davon Kenntnis?
5.In welcher Form waren Staatsminister Jörg-Uwe Hahn, Staatssekretär Dr. Rudolf Kriszeleit, Staatssekretärin Nicola Beer sowie Mitarbeiter des Ministerbüros in die Auftragsvergabe involviert?
6.Welche konkrete Prüfung der Auftragsvergabe hat das HCC vorgenommen?
7.Welche weiteren Agenturen wurden angefragt, ob sie die Aufträge übernehmen können?
8.Wurden Vergleichsangebote eingeholt? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht?
9.Welche weiteren Aufträge hat das Ministerium für Justiz, Integration und Europa seit Amtsantritt von Minister Hahn freihändig vergeben? Welches Volumen hatten die jeweiligen Aufträge? Wer erhielt die Aufträge?

Gerade bei freihändigen Auftragsvergaben ist nach Auffassung der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag höchste Sensibilität gefragt. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass durch öffentliche Aufträge staatliche Mittel in das Firmengeflecht von Parteien eingespeist werden. Sicherlich sehen Sie das genauso und deshalb bitten wir Sie um schnelle und umfassende Aufklärung.“