
Ein Gespräch mit dem hessischen Landesschülersprecher Tim Huß über Missbrauch in der Schule, Kinderpornografie im Internet und die Notwendigkeit von Schulsozialarbeit.
Vorwärts: Haben die aktuellen Fälle von Missbrauch Dein Vertrauen in Schulen erschüttert?
Tim Huß: Nein, es wäre völlig verkehrt, jetzt alle Schulen unter einen Generalverdacht zu stellen.
Vorwärts: Wie lässt sich Deiner Meinung nach sexueller Missbrauch an Schulen verhindern?
Tim Huß: Gefragt sind gute Schulsozialarbeit und ausreichend Schulpsychologen an allen hessischen Schulen. Und wir brauchen geschulte Lehrer, die besser und präziser erkennen, was gerade mit einem Schüler in so einem Fall los ist.
Vorwärts: Und wie stellst Du Dir Prävention an Schulen konkret vor?
Tim Huß: Im Unterricht muss einfach ganz oben auf der Agenda stehen, dass Schülerinnen und Schüler sich einen kritischen Ge ist bewahren. Es kann nicht sei n, dass sexueller Missbrauch im Freundeskreis und in de r Familie eines Opfers bekannt ist, und niemand findet den Mut, die Strafverfolgungsbehörden zu informieren und Anzeige zu erstatten.
Vorwärts: Hast Du die Debatte im Internet zum Thema „Netzsperren und Kinderpornografie“ verfolgt?
Tim Huß: Ja, ich halte Netzsperren für unwirksam, die kann jeder technisch völlig easy umgehen. Wichtiger ist mehr Polizeipräsenz im Internet. Solche Täter müssen mit allen Mitteln des Rechtsstaates verfolgt werden. Wer Kinder sexuell missbraucht, ist krank und braucht Hilfe.
Vorwärts: Aber begünstigt die Anonymität des Internets nicht zwangsläufig sexuellen Missbrauch?
Tim Huß: Das kann man so nicht sagen. Aber es gibt Schülerinnen und Schüler, die viel zu viel Zeit vor ihrem PC verbringen und dadurch irgendwie den Kontakt zu ihrer Familie verlieren. Da geht dann auch das Vertrauen verloren, sich seinen Eltern anzuvertrauen, wenn man im Internet zum Beispiel blöd angemacht wurde.
Vorwärts:Was erwartest Du jetzt von der Politik?
Tim Huß: Die Resolution, die der Hessische Landtag im März verabschiedet hat, war doch schon mal ein guter Schritt. Wir beobachten als Landesschülervertretung die Missbrauchsdebatte unter zwei weiteren Aspekten. Erstens: Bekommen Opfer und Täter jetzt wirklich schnell die professionelle Hilfe, die sie benötigen? Und zweitens, wie schafft es Politik, dass das nicht wieder passiert. Die Kultusministerin darf sich bei der Drittmittelfinanzierung für Schulsozialarbeit nicht verstecken, sondern muss den Anteil zahlen, den sie zugesagt hat. Das wäre ein guter Ansatz und richtiges Signal. Es wäre sicher nicht verkehrt, wenn das Kultusministerium eine Nothotline für Betroffene einrichtet, wo man anonym solche Vorfälle melden kann.
Erschienen im „Vorwärts Hessen“ Ausgabe Mai
Tim Hußwurde im Februar 2010 erstmals zum Landesschulsprecher gewählt. Der 17-jährige Darmstädter, der die 12. Klasse der dortigen Edith-Stein-Schule besucht, will die Interessen der hessischen Schülerinnen und Schüler stärker ins Zentrum der bildungspolitischen Debatte rücken. „Das Sprachrohr der hessischen Schülerinnen und Schüler ist ein lautes!“, sagte Huß. Die Landesschülervertretung Hessen ist die gesetzliche Interessenvertretung für alle 800.000 Schülerinnen und Schüler in Hessen.