

Als Bausteine für ein schlüssiges Konzept einer modernen, an den Grundgedanken des gegenseitigen Respekts und der gleichberechtigten Teilhabe orientierten Integrationspolitik hat der integrationspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Gerhard Merz das von seiner Fraktion am Freitag vorgelegte Grundsatzpapier Integration für Hessen – 10 Punkte für Anerkennung und sozialen Zusammenhalt bezeichnet.
Die 10 Punkte sind in engem Dialog mit vielen integrationspolitischen Gesprächspartnern, vor allem mit Organisationen und Einrichtungen von und für Migrantinnen und Migranten, entwickelt worden. Wir begreifen Integrationspolitik als eine der zentralen gesellschaftspolitischen Gestaltungsaufgaben, die nur im Zusammenhang mit allgemeiner Gesellschaftspolitik und nur als Querschnittsaufgabe gedacht und formuliert werden kann, erklärte Merz.. Das Papier wolle man nun in weiteren intensiven Diskussionen mit den maßgeblichen integrationspolitischen Kräften konkretisieren. Die Ergebnisse der bisherigen Diskussion werde man in die Arbeit der auf SPD-Initiative gebildeten Enquête-Kommission des Landtags einbringen und auch in konkrete integrationspolitische Initiativen umsetzen.
Das Schlüsselwort heißt Respekt!
Integration, so das Grundverständnis der Sozialdemokraten, beruht auf Wechselseitigkeit, ihre Grundlagen sind Toleranz, gegenseitiger Respekt und die Anerkennung von kultureller Diversität und nicht Misstrauen und die anmaßende Verpflichtung auf irgendeine Leitkultur. Zuwanderer müssen – wie alle Bürgerinnen und Bürger – die Chance zur gleichberechtigten aktiven Teilhabe am gesamten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft haben. Ihre Verantwortung liegt darin, diese Chancen zu erkennen und wahrzunehmen. Das Ziel ist das gleichberechtigte, von gegenseitiger Wertschätzung geprägte Zusammenleben aller Menschen unabhängig von Herkunft, Religion und sozialem Hintergrund in einer am Grundgesetz ausgerichteten Rechts- und Wertegemeinschaft, heißt es in dem Papier.
Politische und gesellschaftliche Beteiligungsrechte sind die Schlüsselstrategie
Die Schlüsselstrategie bei der Integration sei politische und gesellschaftliche Partizipation. Nur wer politische und gesellschaftliche Beteiligungsrechte hat, wird sich als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft fühlen. Nur wer diese Rechte aber auch konstruktiv nutzt, wird tatsächlich ein gleichberechtigter Teil werden, plädierte Merz für eine Ausweitung des kommunalen Wahlrechts und gleichzeitig für eine Stärkung der Rechte der Ausländerbeiräte sowie für eine stärkere Einbeziehung der Migrantinnen und Migranten in die zivilgesellschaftlichen Organisationen. Er appellierte aber gleichzeitig an die Migrantinnen und Migranten, bereits bestehende Rechte und Chancen der Beteiligung auch tatsächlich aktiv zu nutzen und warb für eine bessere Beteiligung an den Ausländerbeiratswahlen, für mehr Engagement in den Vereinen und auch für mehr Einbürgerung. Bei letzterem sei die doppelte Staatsbürgerschaft eine wesentliche Erleichterung. Politische Beteiligung steht nicht am Ende des Prozesses, sie ist ein wichtiges Instrument des Prozesses, sowohl für den Einzelnen als auch für das Gemeinwesen insgesamt.
Die Landesregierung bleibt ein Gesamtkonzept schuldig
Hessen braucht, so die SPD, eine Integrationspolitik, die nicht in Einzelmaßnahmen stecken bleibt. Nach wie vor fehlt ein schlüssiges Konzept von Integrationspolitik. Auch unter der CDU-FDP-Regierung werden bisher nur punktuelle Maßnahmen und Modellversuche angeboten. Aus Modellen und Projekten müssen langfristige und nachhaltige Maßnahmen werden, mit denen die gesellschaftlichen und politischen Akteure rechnen und auf die sich die Betroffenen, die Adressaten verlassen können. Zwar sei der Integrationsminister guten Willens und auch mit einigen Vorschlägen auf dem richtigen Weg. Aber zu oft sei ein unentschiedenes Schwanken und ein insgesamt widersprüchliches Erscheinungsbild der Koalition zu beobachten. Dass Minister Hahn den Dialog mit den Muslimen sucht und gleichzeitig mit Herrn Sarrazin an einem Tisch sitzt, passe ebenso wenig zusammen wie Herr Irmer auf ein Minarett passen würde. Gerade im Verhältnis zum Islam, aber auch bei den Fragen der politischen Partizipation und eines modernen Zuwanderungs- und Staatsangehörigkeitsrechts seien die Widersprüche ebenso offenkundig wie beträchtlich. Hier haben CDU und FDP noch einen langen Weg vor sich, bevor sie wirklich in der gesellschaftlichen Realität ankommen, die zum Glück weiter ist als Teile der politischen Debatte.
10 Punkte: Schwerpunkt Bildung, Arbeit, Gemeinwesenorientierung
Klarer Schwerpunkt bei den 10 Punkten sei die Integration durch Bildung, insbesondere durch Stärkung der integrativen Elemente des Bildungswesens und Zurückdrängung selektiver und diskriminierender Mechanismen, einen entschiedener Ausbau der frühkindlichen Bildung und Verbesserungen beim Spracherwerb durch eine konsistente Sprachförderungsstrategie und Mehrsprachigkeitspolitik, die auch europäischen Maßstäben genüge. Auch hier kommt die Landesregierung nicht über das modellhafte hinaus und ist überdies in ihrer auf frühzeitige Selektion fixierten Bildungspolitik gefangen. Nötige Voraussetzung sei eine deutliche Verstärkung der interkulturellen Kompetenz bei den Bildungs- und Erziehungsfachkräften und -institutionen. Dazu gehört auch, dass endlich entschiedene Anstrengungen unternommen werden, mehr Menschen mit Migrationshintergrund für die Arbeit in den Einrichtungen zu gewinnen, die als Mittler zwischen den Kulturen auftreten können. Dies sei auch aufgrund des sich immer stärker abzeichnenden Fachkräftemangels, aber auch Gründen der arbeitsmarktpolitischen Gleichberechtigung erforderlich. Die Zugangschancen zu allen Bereichen des Arbeitsmarkts müssen verbessert, die Nutzung bestehender Qualifikationen erleichtert werden.
Zuwanderer mit Integrationsbedarf sollen in Integrationsberatungsstellen Rat und Hilfe aus einer Hand erhalten, Familienzentren zu Integrationszentren in den Stadtteilen weiterentwickelt werden, in denen Kinder insbesondere beim vorschulischen Erlernen der deutschen Sprache gefördert, Eltern niedrigschwellig beraten und durch Bildungsmaßnahmen für Familien begleitet werden. Gemeinsam mit den Kirchen und Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege will die SPD die vorhandenen Migrationsfachdienste zu Integrationszentren umwandeln, in denen Fachleute unterschiedlicher Professionalität zusammenarbeiten. Die Altenhilfe stehe vor der Herausforderung, medizinische Versorgung, Betreuung und Pflege einer zunehmenden Zahl alter Menschen mit Migrationshintergrund kultursensibel auszurichten.
Besonderes Augenmerk legen die Sozialdemokraten auch auf die Probleme der Geschlechtergerechtigkeit. Hier gelte es, patriachalischen Familienstrukturen ebenso entgegenzuarbeiten wie auf der anderen Seite Vorurteilen gegenüber muslimischen Frauen und Mädchen. Insgesamt wollen die Sozialdemokraten dazu beitragen, den Islam in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Wir treten für die Gleichbehandlung aller Religionen ein. Das bedeutet, dass die hessischen Muslime ein Anrecht auf einen islamischen Religionsunterricht, auf Anerkennung ihrer religiösen Gemeinschaften als Partner in Staat und Gesellschaft und auf entsprechende Beteiligung an öffentlichen Institutionen, wie z.B. den Rundfunkräten, haben. Selbstverständlich müssen auch die Muslime dafür etwas tun. Dazu gehört, dass sie sich von fundamentalistischen Positionen distanzieren und sich stärker als bisher gegenüber ihrer Umwelt öffnen und dadurch Transparenz herstellen.