
"Mit vielen Worten versucht Axel Wintermeyer unsere mit der Kleinen Anfrage aufgeworfenen Fragen zu den Meinungsumfragen der Landesregierung weiterhin nicht zu beantworten", kommentiert Günter Rudolph, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, das heutige Antwortschreiben der Staatskanzlei.
Damit reihe sich Wintermeyers Reaktion in die Vorgeschichte der Anfrage ein. "Erst hat die Hessische Landesregierung auf meine Kleine Anfrage zu den Meinungsumfragen der Landesregierung, (Drs. Nr. 18/ 2779) inhaltlich gar nicht geantwortet und dann aufgrund eines erneuten Schreibens vom 06. Oktober 2010 durch den Chef der Staatskanzlei Axel Wintermeyer detaillierte Auskünfte verweigert", so Rudolph.
Zunächst einmal sei festzustellen, dass der Haushaltstitel der Staatskanzlei "Zur Verfügung des Ministerpräsidenten für Zwecke zur Förderung des Informationswesens" vom Ansatz für das Haushaltsjahr 1999 mit 800.000 DM auf über 1.000.800 Euro in 2010 angestiegen ist.
Günter Rudolph weiter: "Dies zeigt, dass die jetzige Landesregierung erheblich mehr Mittel für Meinungsumfragen ausgibt."
Die Landesregierung beruft sich im Kern bei ihrer Auskunftsverweigerung weiterhin darauf, dass es sich bei der Vergabe von Meinungsumfragen um den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung handelt.
Diese Auffassung der Landesregierung ist nach Ansicht der SPD-Fraktion nicht haltbar.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Juni 2009, (- 2 BvE 3/07 -) festgestellt, dass bei abgeschlossenen Vorgängen des Regierungshandelns dem Parlament auch hinsichtlich des ansonsten geschützten Willensbildungsbereichs eine Kontrollkompetenz zukommen kann. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt: "Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den innersten Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss das parlamentarische Informationsbegehren sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber einer parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen".
Vor diesem Hintergrund ist insbesondere auf die in dem Schreiben von Herrn Staatsminister Wintermeyer angegebenen Umfrage-Sachverhalte "Sparkassen", "Ausbau und Nachtflugverbot Flughafen Frankfurt", "Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke", "Finanzierung von Kindergärten", "Finanzkrise, und Schuldenverbot" sowie "Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften" festzustellen, dass hierzu bereits durch öffentliche Positionierungen und/oder Gesetzentwürfe eine abschließende Meindungsbildung der Landesregierung stattgefunden hat und es sich somit um abgeschlossen Vorgänge handelt.
Darüber hinaus bleibt festzustellen, dass die durchgeführten und von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Umfragen im Übrigen keine dem internen Willensbildungsbereich zuzuordnenden Vorgänge darstellen, sondern vielmehr vorgelagerte Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind.
Bei der Offenlegung dieser Vorgänge droht auch nicht die Gefahr, dass das Parlament versuchen werde, Regierungshandeln zu ersetzen oder für die Zukunft nicht möglich zu machen. Ziel ist vielmehr bisheriges Handeln transparent zu machen.
Dabei ist auch zu prüfen, ob Ergebnisse der von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Umfragen dazu geführt haben, dass daraus nicht etwa Regierungshandeln, sondern parteipolitisch zurechenbare Initiativen erwachsen sind. Letzteres gilt zum Beispiel für die von den Fraktionen von CDU und FDP eingebrachten Gesetzentwürfe für ein Lebenspartnerschaftsgesetz (Drs. 18/1405) sowie für den Gesetzentwurf zur Aufnahme der Schuldenbremse in die Hessische Verfassung (Drs. 18/2732).
Die Kontrollfunktion des Landtages bzw. einzelner Abgeordneter wird durch die Art und Weise, wie die Landesregierung mit der Beantwortung der Kleinen Anfrage umgeht, nicht gerecht.
Nach Auffassung der SPD-Fraktion kann die Landesregierung sich nicht auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berufen, um die Fragen nicht zu beantworten.
Aus Artikel 139 der Hessischen Verfassung leitet sich die zustehende Kontrollbefugnis über die Verwendung öffentlicher Mittel für den jeweiligen Haushaltsplan ab.
Dieses verfassungsmäßige Recht wird offensichtlich von der Landesregierung ignoriert.
Die SPD-Landtagsfraktion wird daher die weitere Vorgehensweise erörtern. Es kann nicht angehen, dass sich die Landesregierung und die sie tragenden Regierungsfraktionen von CDU und FDP Wettbewerbsvorteile auf Kosten des Steuerzahlers beschaffen und andererseits verfassungsmäßig zustehende Rechte des Landtages ignorieren.
Offensichtlich hat die Landesregierung einiges zu verbergen. So hat sie auch bisher noch nicht dargelegt, ob sie Meinungsumfragen zu so genannten Sonntagsfragen etwa vierteljährlich durchführt. Auch diese Umfragen gehören nicht zum Kernbereich des Regierungshandelns.
Die SPD-Fraktion wird alle verfassungsrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Regierung zum rechtmäßigen Handeln zu veranlassen."