EU-Gipfel: Reformen mit Verstand gefragt

Portraitfoto von Udo Bullmann

"Die ganze Debatte über Vertragsänderungen und Sanktionen geht völlig am eigentlichen Ziel vorbei. Das ist Theater für die Wähler zu Hause. Anstatt sich über Vertragsänderungen und Sanktionsmechanismen die Köpfe heiß zu reden, sollten die Staats- und Regierungschefs lieber diskutieren, wie eine intelligente europäische Wirtschaftspolitik gestaltet werden kann. Um den Schuldenberg zu überwinden, muss Europa gemeinsam wachsen lernen", fordert der SPD-Europaabgeordnete und Fraktionssprecher für Wirtschaft und Währung, Udo Bullmann mit Blick auf den heute in Brüssel beginnenden EU-Gipfel.

Die Absurdität der deutsch-französischen Vorschläge, Defizitsündern künftig das Stimmrecht zu entziehen, macht Bullmann anhand eines einfachen Beispiels deutlich: "Wäre eine solche Regel Ende 2009 in Kraft gewesen, würden die Geschicke der EU heute von Dänemark, Estland, Luxemburg, Finnland und Schweden bestimmt." Denn von allen 27 EU-Mitgliedstaaten konnten nur diese fünf ein Haushaltsdefizit von unter 3 Prozent sowie eine Staatsverschuldung von unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vorweisen. Länder wie Deutschland oder Frankreich hingegen stünden auf Grund ihrer Verschuldung ohne Stimmrecht da. "Das kann nicht im Interesse der deutschen Europapolitik sein", so der Europaabgeordnete.

Die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament setzt sich stattdessen für eine flexible Haushaltskonsolidierung ein, bei der die Qualität der öffentlichen Ausgaben berücksichtigt wird. "Europa muss in Zukunft viel genauer hinschauen, wofür die Mitgliedstaaten ihr Geld ausgeben", so Bullmann. "Versickert es in aufgeblähten Bürokratien und überdimensionierten Rüstungsausgaben oder werden damit wichtige Zukunftsinvestitionen angeschoben?" Für die Bewertung nationaler Reformanstrengungen müssten in Zukunft auch Indikatoren wie Arbeitslosenquote oder Armutsrisiko herangezogen werden.

Gleichzeitig bleibe die EU gefordert, neue Finanzquellen zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zu erschließen. "Dazu zählt die Finanztransaktionssteuer", erklärt Bullmann. Auch ein konsequenteres Vorgehen gegen Steuerbetrug und Steuerschlupflöcher könnte zu deutlichen Mehreinnahmen in Europa führen.