Wir wollen den Menschen mehr Stimme geben!

Die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag will die Möglichkeiten der Beteiligung von Bürgern an politischen Entscheidungsprozessen deutlich stärken. "In den vergangenen Monaten hat sich bei verschiedenen politischen Ereignissen gezeigt, wie wichtig es ist, den Bürgern mehr Stimme zu geben", sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Nancy Faeser am Montag bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung ihres Gesetzentwurfs zur Stärkung der Bürgerbeteiligung, der in dieser Woche im Landtag in Erster Lesung beraten wird (Drs. 18/3006). Bei den Protesten um Stuttgart 21 wie auch bei den Castor-Transporten habe sich gezeigt, dass die Menschen bei Belangen, die sie unmittelbar betreffen, mehr Mitspracherecht haben wollen. "Wir können das nicht einfach ignorieren", sagte Faeser. Vielmehr müssten jetzt in Hessen dringend die Grundlagen dafür geschaffen werden, die politischen Mitwirkungsmöglichkeiten zu erleichtern. Dies gelte auf kommunaler Ebene für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, sowie auf Landesebene für Volksbegehren und Volksentscheide. "Die Hürden müssen gesenkt werden", so Faeser.

Dies will die SPD nun mit verschiedenen Maßnahmen erreichen. So soll in der Hessischen Gemeindeordnung die derzeit nötige Zustimmung für ein Bürgerbegehren abgesenkt werden. Derzeit sind die Unterschriften von 10 Prozent der wahlberechtigten Einwohner nötig. Nach den Vorstellungen der SPD-Fraktion soll diese 10 Prozent-Regelung nur noch in Gemeinden bis 50 000 Einwohnern Anwendung finden. In Städten mit bis zu 100 000 Einwohnern werden nur noch fünf Prozent der Unterschriften benötigt, um ein Bürgerbegehren zu veranlassen. In Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern müssen nur noch die Unterschriften von mindestens drei Prozent der Wahlberechtigten vorgelegt werden. Folgt die Gemeindevertretung dem durch ein Bürgerbegehren getragenen Verlangen der Bürgerschaft nicht, kann ein Bürgerentscheid initiiert werden. Auch für diesen fordert die SPD eine Absenkung der notwendigen Stimmen. Bislang gilt, dass der Entscheid von der Mehrheit der abgegebenen Stimmen mit "Ja" beantwortet sein soll, diese Mehrheit aber zugleich mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten betragen muss. Die SPD will diesen Anteil reduzieren. In Gemeinden bis 50 000 Einwohnern sollen nur noch mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten, in Städten bis 100 000 Einwohnern mindestens 15 Prozent und über 100 000 Einwohner mindestens zehn Prozent notwendig sein, um einem Bürgerentscheid zu einem positiven Ausgang zu verhelfen.

"In Hessen liegen die Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide insgesamt sehr hoch" erläutert die SPD-Politikerin. Mit einer Änderungen der Hessischen Gemeindeordnung würden die Grundlagen im Grundsatz an die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt angepasst, in denen es bereits gestaffelte Quorumsmodelle gebe.

Was für die kommunale Ebene gelte, müsse auch gegenüber dem Land Anwendung finden. Deswegen setzt sich die SPD-Fraktion auch bei der Beantragung von Volksbegehren und der Durchführung eines Volksentscheids für eine deutliche Reduzierung der notwendigen Unterschriften und Stimmen ein. So fordert die SPD-Fraktion in einem erarbeiteten Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der CDU und FDP (Drs. 18/2727) die Senkung der Anzahl der notwendigen Unterschriften von derzeit zwei auf 0,5 Prozent der Stimmberechtigten in Hessen. Nach dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition benötigte man in Hessen immer noch die Unterschriften von 87 506 Stimmberechtigten. "Das ist nur Kosmetik", sagt die SPD-Politikerin. Darin sehe sie keine wesentliche Stärkung der demokratischen Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger. "In Bayern, wo es mit knapp 9,4 Millionen fast doppelt so viele Wahlberechtigte gibt wie in Hessen, sind lediglich 25 000 Unterschriften notwendig", so Faeser. Auch der Entwurf der Grünen zu den Themen Volksbegehren und Volksentscheid geht der SPD-Politikerin nicht weit genug. Die Grünen fordern eine Absenkung des Quorums für einen Volksentscheid auf 10 Prozent. Deshalb beantragt die SPD eine Absenkung auf 0,5 Prozent der Stimmberechtigten – also auf knapp 22 000 Unterschriften. Darüber hinaus soll ein Volksentscheid künftig zustande kommen, wenn er von der Mehrheit der abgegebenen Stimmen getragen wird und dabei insgesamt 15 Prozent der Wahlberechtigten (656 293 Stimmberechtigte) zugestimmt haben.

Auf diese Weise werde in Hessen nicht nur die Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheiden erheblich erleichtert, sondern gleichzeitig verhindert, dass politische Einzelinteressen an der Mehrheit der Bevölkerung vorbei durchgesetzt würden.