
"Fortschritt und soziale Gerechtigkeit" und Wege zu mehr Demokratie waren Themen auf dem Hessengipfel 2011 in Friedewald. Kraft holte sich die SPD bei Hannelore Kraft, die über ihre Konzepte zur Bildungspolitik und das Regieren mit wechselnden Mehrheiten berichtete.
Thorsten Schäfer-Gümbel stimmte zu Beginn der Klausurtagung vor den rund 100 Abgeordneten von der Kommunal- bis zur Europaebene auf die Kommunalwahlen ein. Ziel sei, am 27. März die Mehrzahl der hessischen Rathäuser zu erringen, kündigte er an. Darauf aufbauend wollen wir bei der Landtagswahl 2013 eine Gestaltungsmehrheit erlangen. Dazu werden man weiter an Konzepten für mehr soziale Gerechtigkeit arbeiten. Thorsten Schäfer-Gümbel forderte, das Aufstiegsversprechen an Bürgerinnen und Bürger zu erneuern. Trotz des momentanen wirtschaftlichen Aufschwungs sind wir von einem Zustand des Wohlstands für alle weit entfernt, sagte er bei der Vorstellung seines Impulspapiers Fortschritt und soziale Gerechtigkeit. Für viele Menschen seien Abstiegsbedrohungen bittere Realität. Angst ist ein schlechter Berater. Wir müssen den Menschen wieder Sicherheit und Hoffnung geben, so Thorsten Schäfer-Gümbel. In den vergangenen zwei Jahren habe sich insbesondere an der Finanz- und Wirtschaftskrise das Ohnmachtsgefühl der Menschen gegenüber anonymer Entscheidungen der Finanz- Wirtschafts- und Bankenwelt, aber auch der Politik und des Staates herauskristallisiert. Dem müssen wir klare politische Alternativen entgegensetzen, so Schäfer-Gümbel.
Dem Fortschritt eine Richtung geben
Es ist Zeit für eine Renaissance sozialdemokratischer Politik, erklärte er. In seinem Papier setzt er sich für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, massive Investitionen in den Bildungsbereich, insbesondere in Ganztagsschulen, eine Neuregelung des solidarischen Ausgleichs, etwa der Beitragsbemessungsgrenze und der Beitragsparität, den Ausbau familien- und kinderfreundlicher Infrastruktur, eine deutliche Erhöhung des Spitzensteuersatzes zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge und eines handlungsfähigen Staates sowie für den gesetzlichen Vorrang für Energieeffizienz ein. Wir müssen dem Fortschritt eine Richtung geben, so Thorsten Schäfer-Gümbel.
Zwölf Vorschläge für mehr Demokratie
Thema am Samstag waren Wege zu einer neuen Kultur der Beteiligung. Unter dem Motto Wieder mehr Demokratie wagen diskutierten die Abgeordneten über gelebte Demokratie und verschiedene Instrumente für mehr direkte Demokratie mit Volksentscheiden, aber auch deren Probleme. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass sich die repräsentative Demokratie in einer schweren Akzeptanz- und Vertrauenskrise befindet, erklärte Generalsekretär Michael Roth. "Sicherheit und soziale Gerechtigkeit werden als unverzichtbares Element einer demokratischen Gesellschaft angesehen", stellte er fest.
Das Konzept des Papiers mit dem Titel "Wieder mehr Demokratie wagen! Wege zu einer neuen Kultur der Beteiligung" versucht diese Stränge zusammenzuführen und mit zwölf Vorschlägen für eine neue Kultur der Beteiligung Lösungen für die derzeitige Vertrauenskrise der Demokratie zu finden. So schlägt die SPD vor, einerseits die Instrumente direkte Demokratie auszubauen, also die Teilhabe vor Ort zu stärken und Volksbefragungen einzuführen. Gleichzeitig müsse aber auch die Handlungsfähigkeit des Staates gesichert werden, damit sich Teilhabe lohne. Hürden zur Teilnahme an Wahlen sollten so gering wie möglich gestaltet und bereits in der Schule zu aktiver demokratischer Teilhabe ermuntert und informiert werden.. Darüber hinaus sei auch die Europäische Union demokratischer zu gestalten. "Die SPD muss als die linke Volkspartei vertraut werden, bei der die Handlungsfähigkeit des freiheitlichen und solidarischen Staates am besten aufgehoben ist", so Roth.
Außerdem verlangt die SPD Hessen auch eine stärkere direkte Beteiligung der eigenen Mitglieder bei wichtigen politischen Entscheidungen. Die Ideen werden wir jetzt innerhalb und außerhalb der Partei diskutieren und zum SPD-Bundesparteitag einbringen, kündige Michael Roth an.
Diskussion mit Experten
Zur Diskussion gekommen waren Johano Strasser, Präsident des PEN-Club, und Christoph Bautz vom Vorstand von Campact. Strasser referierte über Grundlagen von Freiheit und Demokratie, Lobbyismus und Interessenvertretung. Bautz stellte sein Online-Aktionsbündnis vor und diskutierte über Aktionsformen jenseits der Parteiarbeit, die Organisation von Gemeinwohl- und Partikularinteressen sowie die neuen Mobilisierungsmöglichkeiten des Internets.
Hannelore Kraft über wechselnde Mehrheiten
Als prominente Gastrednerin war Hannelore Kraft am Freitagabend auf der Klausurtagung. Sie erklärte ihre Ansätze zur Bildungspolitik und zum vorsorgenden Sozialstaat. In NRW verfügten im kommenden Jahr rund 90 Prozent der Kreise, Städte und Gemeinden nicht über einen genehmigten Haushalt. Ein Schwerpunkt ihrer Politik sei, diesen Kommunen wieder die Möglichkeit zu geben, nicht nur Pflichtleistungen zu erfüllen, sondern auch finanziell in der Lage zu sein, Wahlleistungen anzubieten, erläuterte sie. Mit deren präventiven Charakter, etwa im Bereich Bildung, könnten langfristig Kosten im Sozialbereich reduziert werden. Außerdem berichtete die Ministerpräsidentin über das Regieren mit wechselnden Mehrheiten und ihren Weg zur Regierungsbildung.
Über den Hessengipfel
Beim Hessengipfel treffen sich alljährlich hessische SPD-Spitzenpolitiker der Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europaebene in Friedewald. Der Gipfel gilt als politischer Jahresauftakt und setzt thematische Signale für die kommenden 12 Monate. Der Hessengipfel 2011 am 14. und 15. Januar hatte insgesamt rund 110 Teilnehmer darunter die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries, die ehemalige Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, der Europa-Abgeordnete Udo Bullmann, die Hofheimer Bürgermeisterin Gisela Stang, und die Bezirksvorsitzenden Gernot Grumbach und Manfred Schaub.