
"Alle kennen den halb scherzhaften Ausspruch: ‚Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.‘ Aber der Innenminister muss offenbar sogar noch seine eigenen Ergebnisse verschleiern", sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Nancy Faeser anlässlich der Präsentation der hessischen Kriminalstatistik in Wiesbaden. Natürlich gebühre den hessischen Polizeibediensteten besonderer Dank. Sie hätten landesweit trotz der in den letzten Monaten immer wieder diskutierten Vorfälle und der Mehrbelastung auf Grund des zurückliegenden Personalabbaus, erfolgreich dazu beigetragen, dass die Aufklärungsquote nach einer Stagnation in den Jahren 2000 und 2001 sowie einem Absinken im Jahr 2002 inzwischen den Wert von 58,3 Prozent erreicht habe.
Dennoch könne bei genauerer Prüfung keineswegs davon gesprochen werden, dass in Hessen alles in Ordnung sei, auch wenn der Innenminister durch die Art seiner Darstellung dies gerne Glauben machen wolle. Gerade die Bagatellisierung der Zunahme von Raubüberfällen in Wohnungen um 13,1 Prozent, von Raubüberfällen auf Tankstellen, Bäckerreibetrieben, Lebensmittel- und Drogeriemärkte und Juweliere um 10,4 Prozent sowie von Wohnungseinbrüchen um 16,3 Prozent zeige, wie wenig es dem neuen Innenminister um eine sachliche Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse in Hessen gehe. Bei Bereichen, die sich unmittelbar auf das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung auswirkten und die jeden treffen könnten, müsse man angesichts dieser Zahlen bestehende Defizite hinterfragen und klären, ob die Polizeiführung in Hessen und die politische Spitze des Hauses bei der Entwicklung von Bekämpfungsstrategien die richtigen Maßstäbe angelegt habe.
So habe die Anzahl der Wohnungseinbrüche mit 9.974 Fällen wieder einen Spitzenwert erreicht und liege noch deutlich über dem Jahreshöchstwert der letzten sechs Jahre von 9.665 aus dem Jahr 2005. Man dürfe sich nicht damit begnügen, Einzelprojekte aufzulegen, bei denen die Polizeibehörden vor Ort im Bedarfsfall durch Kräfte der Bereitschaftspolizei verstärkt würden, und dann zur Tagesordnung übergehen, so die Innenpolitikerin. Hier ernte der Innenminister deutlich spürbar die Früchte des Personalabbaus seines Vorgängers Bouffier, der dazu beigetragen habe, dass die Polizeipräsidien Sonderermittlungsgruppen schließen mussten und nicht in der Lage gewesen seien, konzeptionell und dauerhaft die Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen umsetzten zu können.
Des Weiteren wies Faeser auf den Bereich der Bekämpfung der Computerkriminalität hin, bei der der Innenminister sich in erster Linie mit der Unterstützung des Bundeszentrums gelobt habe und lapidar die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung bedauere. Angesichts einer Steigerung der Deliktsfälle bei gleichzeitigem Rückgang der Aufklärungsquote und der zunehmenden Bedeutung, die das Internet und die PC-Nutzung im Alltag einnähmen, sei ein solcher Umgang mit der Internetkriminalität völlig ungenügend. Auch hier zeige sich letztlich die Konzeptionslosigkeit des Ministers. Statt auf den leichtfertigen Umgang der Bevölkerung mit den eigenen Internetdaten zu verweisen, wäre es zielführender gewesen, wenn Rhein erklärt hätte, dass er die hessische Polizei durch weitere IT-Experten vor Ort personell verstärken wolle und welche Position die Landesregierung bei der künftigen Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung einnehmen werde. Faeser erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die Regierungsfraktion in diesem Punkt in der vorletzten Sitzung des Innenausschusses dem Minister den Rückhalt versagt hatte, als diese einen von ihm inhaltlich vertretenen Antrag der SPD zur Vorratsdatenspeicherung (Drs. 18/3746) in jedem Punkt ablehnten.
Völlig ausgeblendet habe der Minister bei seiner Präsentation auch die über 20 Prozent liegende Steigerung bei Korruptions-, Amts- und Wettbewerbsdelikten, monierte die Sozialdemokratin. Bedenklich sei auch der Versuch des Ministers, durch seine schriftliche Presseerklärung der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass zu einer Verbesserung der Gesamtsituation der Kriminalitätsentwicklung des Jahres 2010 in Hessen in besonderer Weise der Einsatz von Kennzeichenlesegeräten beigetragen habe, obwohl er nach seinen eigenen Worten deren Einsatz auf der Grundlage des HSOG erst Anfang Januar 2011 gemeinsam mit dem Landespolizeipräsidenten beschlossen habe. Das Rhein dabei auch noch deren verfassungsrechtliche Problematik durch die Erfassung von Fahrzeuginsassen ausblende, sei ein weiteres Phänomen beim Darstellungsstil des Innenministers.
Gleiches gelte für seine Ausführungen zum Bereich der politisch motivierten Gewalt, zeigte die Sozialdemokratin auf. So bewege sich offenbar die Anzahl der Gewalttaten mit 27 Fällen in Hessen auf einem nahezu gleich bleibenden Niveau, die polemisierenden und verfälschenden Ausführungen zu Gewalttaten des linken Spektrums hätte er sich jedoch besser gespart, da die von seinen Fachleuten vorbereitete Darstellung im diametralen Gegensatz zu den Ausführungen des Ministers stünden.
"Der Innenminister hat den 27 Fällen der rechten Szene eine aus seiner Sicht bedenklichen Entwicklung der linken Szene entgegen gesetzt, die durch Sommercamps und ähnlichen Angriffen auf Polizeibeamte trainiere, und dass man die Folgen auch bei Demonstrationen beobachten könne. Umso erstaunlicher ist dann aber, dass die eigenen Zahlen des Innenministers bei den Gewaltdelikten aus der Linken-Szene 23 Fälle und einen Rückgang von 64,1 Prozent ausweisen", stellte Faeser fest. Ein seriöser Umgang mit politisch motivierter Gewalt sehe nach Ansicht der Innenpolitikerin anders aus.
Besonders zu kritisieren sei abschließend auch die wiederholte Darstellung Rheins, dass jährlich 550 Anwärter zusätzlich bei der Polizei eingestellt würden. Tatsächlich liege die zusätzliche Einstellungsquote bei rund 150 Anwärtern, so dass das von der CDU in der Vergangenheit verursachte Personalloch im Dienst vor Ort noch immer nicht geschlossen sei.