Wortbruch und Stillstand an Hessens Schulen

c) gettyimages, SPD-Parteivorstand

„Die hessischen Schulen stehen zu Beginn des Schuljahres 2011/2012 weiter vor den alten Problemen: Sie werden allein gelassen und sind unterfinanziert, die zentralen Herausforderungen in der Bildungspolitik werden gar nicht oder nur halbherzig angepackt und die Kultusministerin redet sich die Welt schön. Wortbruch und Stillstand prägen das Handeln der Landesregierung“, erklärten die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Heike Habermann und der Generalsekretär der hessischen SPD Michael Roth am Freitag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn in Wiesbaden.

Tatsächlich sei es so, dass die Schulen in Hessen vor den bislang größten finanziellen Einschnitten stünden, denn die Einsparvorgabe von 68 Mio. Euro stehe nach wie vor auf der Tagesordnung. Und nach wie vor verweigere die Ministerin jegliche belastbare Aussage, wie sie diese Einsparvorgabe des Finanzministers umsetzen wolle.

„Insofern steht auch völlig außer Frage, dass das Versprechen einer 105-prozentigen Lehrerversorgung endgültig in das Reich der Mythen und Märchen gehört. Denn gemessen an dem Status quo müssten in den nächsten zwei Jahren über 2.600 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Das ist illusorisch und entlarvt den Wortbruch der Landesregierung“, so Habermann.

Auch von den jetzt neu geschaffenen 500 Stellen kämen nach Aussagen der Kultusministerin lediglich 140 in den Schulen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung an. Der Rest gehe in andere Bereiche (z.B. 115 in Ganztagsangebote, 155 für die Abschaffung der so genannten Sternchenregelung bei der Klassenbildung sowie für G8, 10 für die Mittelstufenschule).

„Besonders enttäuschend ist, dass der Landesregierung die Verwirklichung der Inklusion an Hessens Schulen offensichtlich keinen zusätzlichen Cent wert ist. Dies hat die Ministerin selbst eingeräumt. Die Kinder in Hessen und deren Eltern, die mit der Neuregelung im Hessischen Schulgesetz Hoffnungen verbunden haben, verdienen etwas Besseres“, so Habermann

Die Kleinen groß rausbringen

Daher wirbt die SPD Hessen bei einer landesweiten Aktionswoche ab 8. August für eine gute Bildung. Mit rund 100 lokalen Veranstaltungen unter dem Motto „Die Kleinen groß rausbringen“ solle auf die Herausforderungen in der Bildungspolitik aufmerksam gemacht und gegen die Sparpolitik der Landesregierung auf Kosten von Bildung, Betreuung und sozial Benachteiligten protestiert werden. Geplant sind u.a. Infostände, Schulstart-Aktionen oder Sommer- und Kinderfeste. „Nur gute Bildung garantiert unseren Kindern eine gute Zukunft. Bildung und Betreuung brauchen nicht nur mehr Geld, sondern vor allem bessere Ideen, mehr Engagement und ein stärkeres Durchsetzungsvermögen. Im Bildungsbereich sehe ich nur ein Einsparpotenzial. Und das ist Ministerin Henzler“, fasste Michael Roth zusammen.

Habermann wies darauf hin, dass die hessische Regierungskoalition noch vor der Sommerpause eine völlig mutlose Novelle des Hessischen Schulgesetzes auf den Weg gebracht habe.

„Nach wie vor hält die Landesregierung stur an der völlig verkorksten Schulzeitverkürzung im Gymnasium (G8) fest. Nach wie vor gibt es keine Klarheit, wie sie die Schulen hin zu selbstverantwortlichen Schulen entwickeln will – das Schulgesetz bleibt vage und mutlos. Als einzige strukturelle Antwort formuliert das Schulgesetz jetzt die Mittelstufenschule, die ein bisschen schulformübergreifend mit beruflichem Schwerpunkt an den Start geht. Es ist nicht verwunderlich, dass sich nur 18 Schulen gefunden haben, die von dem vermeintlichen Erfolgsmodell Gebrauch machen“, stellte Habermann fest.

Generalsekretär Michael Roth ergänzte, dass die SPD weiter hinter ihrem Konzept des „Hauses der Bildung“ stehe mit den Grundpfeilern Abschaffung von G8, individuelle Förderung aller Kinder, dem längeren gemeinsamen Lernen und dem Ausbau von Ganztagsschulen.

„Dafür wird die SPD im Rahmen der Landesaktionswoche Bildung werben und auch ihre Kritik an der Politik oder besser der Arbeitsverweigerung der Landesregierung vortragen. Politik ist nicht alternativlos und die Wählerinnen und Wähler haben es selbst in der Hand, was an den Schulen und damit mit ihren Kindern passiert“, betonte Roth.

Habermann und Roth forderten nachdrücklich ein, dass die Schulpolitik endlich wieder das Kind in den Mittelpunkt stelle – Schule dürfe sich nicht länger an den Vorstellungen von Bürokraten, sondern müsse sich an dem Leben orientieren. „Wir Sozialdemokraten wollen diesen Paradigmenwechsel. Das bedeutet aber auch, dass man entschieden Veränderungen herbeiführen und Neuland betreten muss. Diese Courage fordern wir im Interesse der Kinder von der schwarz-gelben Landesregierung ein“, so Habermann und Roth.