Thorsten Schäfer-Gümbel: Schwarz-Gelbe Regierung verharrt in Stagnation – Zukunftsideen liefert nur die Opposition

Portraitfoto von Thorsten Schäfer-Gümbel c) C. Jaenicke

Ein "weiteres Jahr der politischen Stagnation auf Seiten der Landesregierung" bilanziert der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Thorsten Schäfer-Gümbel in seinem Jahresrückblick 2011. "Die Regierung Bouffier hat die die Entdeckung der Langsamkeit zum Prinzip erklärt. Mit Behäbigkeit und fehlender Inspiration wird sie weder der Dynamik unseres Bundeslands noch den Herausforderungen der Zeit gerecht", sagte Schäfer-Gümbel am Mittwoch in Wiesbaden. "Es reicht nicht, wenn ein Ministerpräsident sich auf die Rolle als Moderator beschränkt."

Die Umfragen von Infratest dimap und der Forschungsgruppe Wahlen aus diesem Monat hätten der Landesregierung ein denkbar schlechtes Zwischenzeugnis ausgestellt. "Diese Koalition genießt wenig Vertrauen, die Mehrheit wünscht sich den politischen Wechsel."

"Zukunftsideen liefert die Opposition und der größte Fortschritt ist leider erreicht, wenn diese von Schwarz-Gelb ansatzweise umgesetzt werden", sagte Schäfer-Gümbel zum Beispiel mit Blick auf den hessischen Energiegipfel. "Statt beherzte Schritte zur Energiewende zu verabreden, hat Ministerpräsident Bouffier gerade einmal einen Minimalkonsens herbei moderiert, der den Ansprüchen an eine Energiewende bei weitem nicht gerecht wird." Und selbst bei der Umsetzung des Minimalkonsenses trete die Koalition auf die Bremse, wie die Reaktion auf den entsprechenden Gesetzentwurf der SPD zeige. "Mit der Stilllegung von Biblis und den anderen deutschen Altmeilern ist eine wichtige Etappe der Energiewende erreicht worden. Es ist tragisch, dass es dafür der Katastrophe von Fukushima bedurfte. Aber die Energiewende ist mehr als der Ausstieg aus der Atomkraft."

Das "Prinzip der Langsamkeit" gehe bei Schwarz-Gelb einher mit "fehlender Weitsicht in zentralen politischen Fragen". "Nicht nur bei der Energiepolitik hat die Koalition jahrelange Fehleinschätzungen revidieren müssen, sondern auch beim Thema Nachtflugverbot und bei der Börsenfusion." Beim Nachtflugverbot gebe es aber bislang nur Lippenbekenntnisse, die im klaren Widerspruch zum tatsächlichen Handeln stünden. "Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem Verbot von Nachtflügen das getan, was die Landesregierung verweigert hat. Der Lärmschutz hätte parallel zum Genehmigungsverfahren und zum Bau der neuen Landebahn angepackt werden müssen. Die Landesregierung beschäftigt sich zehn Jahre zu spät mit dem Thema." Schäfer-Gümbel erneuerte die Forderung nach Rücknahme der Revision. "Die Landesregierung klagt für Nachtflüge und nicht für Nachtruhe – damit setzt sie den Wortbruch weiter fort, der mit dem Planfeststellungsbeschluss begonnen wurde."

Bei der Börsenfusion bestätige sich die Einschätzung der SPD, die vor den Risiken gewarnt habe, als "CDU und FDP das Projekt noch durch die rosarote Brille" betrachtet hätten. "Aber auch hier bezieht Ministerpräsident Bouffier bis heute keine Position. Das schadet dem Finanzplatz Frankfurt."

Finanzpolitisch gebe sich die Landesregierung weiterhin kommunalfeindlich und verlange den Städten, Gemeinden und Kreisen über die Kürzung des Kommunalen Finanzausgleichs weiter ein Sonderopfer ab. "Der Verpflichtung der Schuldenbremse zur Haushaltskonsolidierung durch Wahrnehmung der Einnahmeverantwortung, durch Aufgabenkritik und Effizienzsteigerung genügt die Landesregierung hingegen nicht. Sie betreibt vielmehr Klientelpolitik und gießt ihre gesellschaftpolitischen Vorstellungen in Sparvorschläge, die dem Gemeinwesen schaden statt nutzen." Jüngstes Beispiel dafür sei die Absicht, die Landesanteile an der "Nassauischen Heimstätte" zu veräußern. "Einmal mehr will sich Schwarz-Gelb aus der sozialen Verantwortung stehlen".

Bildungspolitisch habe sich Schwarz-Gelb mit dem neuen Schulgesetz für den Weg in die Vergangenheit statt in die Zukunft entschieden. "Die Grundübel sind das Festhalten an der völlig verkorksten Verkürzung der Gymnasialzeit (G8) und die fehlenden Konsequenzen aus den einschlägigen Bildungsstudien. Selbst die Bundes-CDU ist weiter als die Koalition in Hessen, die nur Stillstand produziert", so Schäfer-Gümbel. Die SPD habe einen eigenen Entwurf für ein hessisches Schulgesetz vorgelegt, der "auf der Höhe der Zeit" sei und die Voraussetzungen für Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit schaffe. "Aber gefangen in den ideologischen Schützengräben seiner Partei hat der Ministerpräsident den konstruktiven Dialog darüber schlicht verweigert."

An den Hochschulen setze sich die mangelhafte Bildungspolitik fort. Sehendes Auges habe die Landesregierung die Verschärfung der Studienbedingungen durch den Ansturm von Erstsemstern zugelassen. "Die SPD hat seit Jahren vor dieser Situation gewarnt, vor über einem Jahr ein Finanzkonzept vorgelegt und als Ultima Ratio ein Notprogramm verlangt. Die Landesregierung verschanzt sich hingegen hinter dem unter massivem Druck vereinbarten und völlig unzureichenden Hochschulpakt."

Schäfer-Gümbel erinnerte daran, dass die Landesregierung im Jahr 2011 auch ihrer langen Geschichte von Skandalen und Affären weitere Kapitel hinzugefügt habe. Immer wieder sei deutlich geworden, dass der heutige Ministerpräsident seinem Nachfolger im Amte des Innenministers einen "Berg an Problemen" hinterlassen habe. "Vetternwirtschaft, skandalöse Auftragsvergaben, eklatantes Versagen bei der Personalführung – all das hat Herr Rhein von seinem Vorgänger geerbt."

Die Versuche der schwarz-gelben Koalition, die Aufklärung von Skandalen in den Untersuchungsausschüssen des Landtags zu behindern, seien zweimal vom Staatsgerichtshof gestoppt worden.