

Die Neuauflage der integrationspolitischen Leitlinien der SPD-Landtagsfraktion hat der integrationspolitische Sprecher der Gerhard Merz am Mittwoch in Wiesbaden vorgestellt. Bereits 2010 haben wir als SPD-Fraktion im Hessischen Landtag erstmals unsere integrationspolitischen Leitlinien Integration für Hessen 10 Punkte für Anerkennung und sozialen Zusammenhalt veröffentlicht, diese sind für uns nach wie vor der Grundstein für ein schlüssiges Konzept zu einer modernen Integrationspolitik, so Merz.
Durch die Arbeit in der Enquetekommission Migration und Integration im Hessischen Landtag, eingesetzt auf Initiative der SPD-Landtagsfraktion, sowie durch viele Gespräche mit Fachleuten, Organisationen und Institutionen wurden jedoch neue Erkenntnisse gesammelt, die nun ihren Platz in der Neuauflage der Leitlinien gefunden haben. Die neue Version unserer integrationspolitischen Leitlinien ist deshalb erheblich erweitert und um einige neue Schwerpunkte ergänzt worden. Auch haben wir für die einzelnen Bereiche konkrete Maßnahmenkataloge entwickelt, um zu verdeutlichen, welche Konsequenzen wir in Regierungsverantwortung aus unseren Positionen ziehen wollen. Insgesamt kann man aber sagen, dass unsere grundsätzlichen Positionen und viele Sachaussagen der bisherigen Fassung der integrationspolitischen Leitlinien bestätigt worden sind, so Merz.
Die Landesregierung, ihre Projektlandschaft, ihr Verhältnis zum Islam
Die Integrationspolitik der Landesregierung ist von Modellprojekten und Einzelmaßnahmen geprägt. Es fehlt Hessen an einer nachhaltigen Integrationspolitik, die auf einem umfassenden inhaltlichen Ansatz und auf einer verlässlichen finanziellen Basis ruht. Modellprojekte sind dafür kein Ersatz. Sie sind auch für sich genommen nur dann sinnvoll, wenn die im Modellprojekt gewonnenen positiven Erkenntnisse und Erfahrungen in langfristige Politik umgesetzt werden und sich die Kommunen und die freien Träger auf einen substantiellen Beitrag des Landes dazu verlassen können. Davon sind wir in Hessen leider weit entfernt. Wir unterschätzen nicht, was im Bereich Integration in den Modellregionen Integration, aber auch in anderen Kommunen tagtäglich getan wird. Dies ist aber eine Leistung der Politik und der Menschen vor Ort und nicht die des Integrationsministers. Dass die Landesregierung ihre Integrationspolitik auf medienwirksame Projektfinanzierungen reduziert, macht deutlich, dass es ihr eher um die eigene Vermarktung geht und nicht um langfristig wirksame Integrationspolitik.
Als im Grundansatz schwankend und zudem von heftigen inneren Kontroversen geprägt muss die Haltung der Landesregierung zur Rolle des Islam in Deutschland bezeichnet werden. Dies wird am Beispiel islamischer Religionsunterricht immer wieder deutlich. Das JA zum bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht, das auf Seiten der FDP-Minister Hahn und Beer mittlerweile deutlich geäußert wird, sowie die positiven Ergebnisse der islamwissenschaftlichen und staatskirchenrechtlichen Gutachten der beiden antragstellenden Verbände DITIB-Landesverband Hessen e.V. und der Ahmadiyya Muslim Jamaat in der Bundesrepublik Deutschland e.V. lassen auf eine baldige Einführung hoffen. Leider wird die Debatte nach wie vor von kritischen Stimmen aus der CDU-Fraktion, vor allem auch aus deren Führung, begleitet. Ein Scheitern der Hessischen Landesregierung bei diesem wichtigen Thema und nach diesem teilweise quälenden Prozess aber wäre ein fatales Signal.
Integrationspolitische Leitlinien: Schwerpunkte
Sprache, Bildung, Arbeit
Ein Schwerpunkt sozialdemokratischer Politik im Allgemeinen aber auch sozialdemokratischer Integrationspolitik im Besonderen ist und bleibt das Thema Bildung. Hier geht es uns nicht nur um die Einführung eines integrierten Bildungssystems, um den bedarfsgerechten Ausbau von Ganztagsschulen sowie um das Erlernen der deutschen Sprache, sondern auch um die verstärkte Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern mit Migrationshintergrund. Gerade Lehrerinnen und Lehrer mit entsprechendem Erfahrungshintergrund können Mittler zwischen den Kulturen, Sprachen und Religionen werden und gleichzeitig auch Vorbilder für die Kinder und Jugendlichen sein.
Zentrale Aufgabe von Integrationspolitik ist aber auch die gezielte Förderung von Ausbildungs-, Weiterbildungs-, und Arbeitsmarktchancen. Hier spielt auch die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse eine große Rolle. Dem in diesem Frühjahr verabschiedeten Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz des Bundes muss nun endlich eine Regelung für die in die Zuständigkeit der Länder fallenden Berufe folgen. Dies hat die SPD-Landtagsfraktion bereits Ende des vergangenen Jahres parlamentarisch gefordert. Hamburg ist hier bereits mit gutem Beispiel vorangegangen, die hessische Landesregierung hat nun vor der Sommerpause ein solches Gesetz angekündigt. Wann und mit welchem konkreten Inhalt dies in den Landtag eingebracht wird, bleibt abzuwarten.
Der Islam – ein Bestandteil Deutschlands
Der Islam als Religion, die religiösen islamischen Gemeinschaften und natürlich vor allem die vielen gläubigen Muslime sind selbstverständlich Bestandteil der deutschen Gesellschaft. Diese Tatsache bildet eine der Grundlagen für die Integrationspolitik der SPD-Landtagsfraktion. So fordern wir bereits seit 2009 die Einführung eines verfassungskonformen, dem evangelischen und katholischen Religionsunterricht gleichzusetzenden islamischen Religionsunterrichts. Die Musliminnen und Muslime in unserem Land haben einen Anspruch auf einen solchen Unterricht, er ist in allererster Linie Ausdruck der verfassungsrechtlich garantierten Gleichbehandlung aller Religionen durch den Staat und weniger eine Frage pragmatischer Integrationspolitik. Dem müssen und wollen wir gerecht werden.
Wir sprechen uns außerdem mit Nachdruck dafür aus, dass die Menschen, die in Deutschland leben auch hier ihren religiösen Überzeugungen entsprechend begraben werden können. Dies bedeutet vor allem, Bestattungen ohne Sarg zuzulassen. Bestattungen ohne Sarg sind in Deutschland bereits in vielen Bundesländern möglich. Auch Hessen muss sich in dieser Hinsicht endlich der Realität anpassen. In der Bundesrepublik leben weit über 4 Millionen Muslime, 10 Prozent von ihnen in unserem Bundesland. Mit der zunehmenden Zahl muslimischer Migrantinnen und Migranten in Deutschland entsteht der nachvollziehbare Wunsch nach einer Bestattung in dem Land, in dem sie auch gelebt haben. Dem muss endlich auch in Hessen Rechnung getragen werden.
Vielfalt ermöglichen. Diskriminierung, Hass und Gewalt bekämpfen
Diskriminierung, Rassismus, Hass und Gewalt können sich unabhängig vom sozialen Status gegen jeden Menschen mit Migrationshintergrund richten. Ziel jeder Integrationspolitik muss daher auch sein, diskriminierende rechtliche und tatsächliche Barrieren für das gleichberechtigte Miteinander abzubauen, fremdenfeindliche und rassistische Einstellungen in der Bevölkerung zu bekämpfen und Akte der Gewalt und des Terrorismus mit allen Mitteln zu verhindern und unnachsichtig zu verfolgen. Die Bekämpfung von Diskriminierung, Rassismus, Gewalt und Terror ist insoweit ein elementarer Bestandteil von Integrationspolitik. Da der Bund in diesem Gebiet keine allumfassende Gesetzgebungskompetenz besitzt ihm fehlt diese beispielsweise im Bereich der schulischen Bildung- ist das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) des Bundes nicht ausreichend. Wir fordern daher ein Landesantidiskriminierungsgesetz, um sicherzustellen, dass sich Betroffene rechtlich besser zur Wehr setzen können.
Flüchtlingspolitik
Flüchtlinge verlassen ihre Heimatländer nicht leichtfertig aus Abenteuerlust, sondern weil sie dort verfolgt, misshandelt oder gefoltert werden, weil sie Bürgerkrieg, Hunger und drängender wirtschaftlicher Not entrinnen wollen. Dies muss man sich bewusst machen, wenn man sich mit Fragen deutscher und hessischer Flüchtlings- und Asylpolitik beschäftigt. Sowohl die deutsche als auch die hessische Flüchtlingspolitik sind nach wie vor von sehr restriktiven Ansätzen geprägt. Ein Beispiel hierfür ist die Residenzpflicht für Asylbewerber. Diese ist in Hessen bisher auf die Regierungsbezirke beschränkt. Die SPD-Landtagsfraktion hatte die Landesregierung im Anschluss an sehr klare und eindeutige Stellungnahmen aller Sachverständigen in einer Anhörung der Enquête-Kommission in einem Antrag u.a. aufgefordert, per Rechtsverordnung einen vorübergehenden Aufenthalt im gesamten Landesgebiet zu ermöglichen, sowie Gespräche mit anderen Bundesländern aufzunehmen, um länderübergreifende Regelungen zu finden. Der erstgenannten Forderung kommt die Landesregierung nun nach Äußerungen des Innenministers wohl nach. Wir setzen uns auch weiterhin für länderübergreifende Regelungen, sowie eine bundesweite Aufhebung der Residenzpflicht ein.
Nicht nachvollziehbar sind außerdem die besonderen Härten bei Beschäftigungsmöglichkeiten für Geduldete. Die Beschäftigungsverfahrensverordnung regelt, dass erst nach Ablauf des ersten Aufenthaltsjahres eine Beschäftigung erlaubt werden kann, diese Erlaubnis steht zudem im Ermessen der Bundesagentur für Arbeit. Eine Zustimmung zu einer Beschäftigung ohne Prüfung kann erst nach vier Jahren erteilt werden. Die von konservativen Politikern häufig genutzte Formulierung der Einwanderung in soziale Sicherungssysteme kann vor diesem Hintergrund nur als widersprüchlich bezeichnet werden. Man kann den Menschen nicht vorwerfen, in soziale Sicherungssysteme einzuwandern und ihnen auf der anderen Seite jahrelang den Zugang zum Arbeitsmarkt verweigern. Überdies handelt es sich bei dem Personenkreis der Geduldeten oft auch um qualifizierte Arbeitskräfte, die gerade heute dringend benötigt werden. Diese werden an einer erfolgreichen Arbeitsplatzsuche gehindert. Wir setzen uns daher für eine umfassende Neuregelung des Aufenthaltsrechts ein, die u.a. auch Langzeitgeduldeten einen schnelleren Weg zur Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthaltstitels ermöglicht. Die Landesregierung ist gefordert, sich im Bundesrat hierfür einzusetzen.
Politische Partizipation
Wer gleichberechtigt in Gesellschaft, Kommune und Staat mitbestimmen kann, ist eher bereit, Verantwortung zu übernehmen und aktiv mitzugestalten. Die SPD fordert daher seit Jahren ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU- Ausländer. Über den Bundesrat gab es durch SPD-geführte Landesregierungen wie Rheinland-Pfalz und Berlin bereits Gesetzesinitiativen zur Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Ausländer, auch die SPD-Bundestagsfraktion hat entsprechende Initiativen eingebracht. Mangels politischer Mehrheiten ließ sich die Forderung bisher jedoch nicht durchsetzen. Um die Möglichkeiten politischer Teilhabe für Ausländerinnen und Ausländer zu erweitern, verfolgen wir daher noch alternative Ansätze. So setzt sich die SPD-Landtagsfraktion seit langem für die Stärkung der Rechte der Ausländerbeiräte ein, auch im Rahmen der HGO- Novelle im letzten Jahr wurde durch entsprechende Initiativen eine Erweiterung der Rechte der Ausländerbeiräte in den Kommunalvertretungen gefordert.
Unumstritten ist innerhalb der SPD auch die Abschaffung des Optionsverfahrens. So setzen wir uns dafür ein, dass die doppelte Staatsangehörigkeit grundsätzlich möglich wird. Bereits 2000 sollte diese eingeführt werden, auf Grund der konservativen Mehrheit im Bundesrat war mit dem zu dieser Zeit eingeführten Optionsverfahren jedoch nur ein Kompromiss möglich. Ein Kind ausländischer Eltern, welches in Deutschland geboren wird, erwirbt nach diesem Verfahren nun zunächst auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr muss es sich jedoch für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Durch diesen Kompromiss wurde ein unfassbarer Verwaltungsaufwand geschaffen, der die Betroffenen zudem in Loyalitätskonflikte bringt. Hiermit ist niemandem geholfen. Wir setzen uns daher weiterhin für eine uneingeschränkte doppelte Staatsbürgerschaft und für die Abschaffung des Optionsmodells ein und werden dieser Forderung mit einem Antrag nach den Sommerferien nochmals Nachdruck verleihen.