
Die Debatte um die Geschäftspraktiken der Taxi-App Uber in den letzten Wochen hat einmal mehr gezeigt: Die Digitalisierung, einst gepriesen als technisches Vehikel zu einer neuen Welt mit großartigen Möglichkeiten, birgt handfeste Gefahren. Ähnlich wie AirBnB, eine elektronische Börse, auf der Privatleute ihre Wohnung untervermieten können, nutzt auch Uber die kaufmännische Motivation des Einzelnen, um ein neues, digitales Geschäftsmodell daraus zu stricken. Ein Geschäftsmodell freilich, das Steuern und soziale Standards systematisch unterläuft und von Solidarleistungen und Arbeitnehmerrechten wenig wissen will.
Diese Seite der Sharing Economy ist nur das neuste Thema. Dass die Technologien von Computern und Internet in einem nie dagewesenen Ausmaß private Daten anhäufen und nicht nur die Wirtschaft, sondern sogar Geheimdienste diese Daten ganz offenbar um jeden Preis zu ihren Zwecken nutzen wollen, ist schon länger bekannt. Und alltagstaugliche Antworten auf diese neuen Gefahren müssen erst noch gefunden werden. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, welche großen Chancen die Digitalisierung bietet. Und zwar keineswegs nur für profitorientierte Konzerne wie Google, Apple oder Amazon. Zum Beispiel in der Telemedizin zur Versorgung ländlicher Räume mit Expertenwissen oder als digitale Arztberatung, zum Beispiel bei seltenen Krankheiten. Kleine und mittelständische Unternehmen können mit neuen Ideen und technischen Verbesserungen weltweit agieren und an dezentralen Standorten bleiben. Verbesserungen der Produktion können Menschen von gefährlicher und ungesunder Arbeit befreien nicht nur in der Industrie 4.0, sondern zum Beispiel mit digitalen Drohnen, die Stromkabel kontrollieren (damit Menschen nicht mehr auf Strommasten klettern müssen).
Oder mit E-Learning, wo über Internet und Videoportale Lernen und sogar Vorlesungen Teilnahme und damit lebenslange Weiterbildung an jedem Ort zu jeder Zeit ermöglichen. Damit kann eine ganz neue Bildungsdurchlässigkeit erreicht werden für Sozialdemokraten ein wichtiges Thema. Oder Crowd-funding, mit dem engagierte Bürger in kleine, spannende Start-ups investieren können sozusagen die Demokratisierung der Innovationsfinanierung: für einen Supermarkt, der ohne Verpackungen auskommt (originalunverpackt.de/), eine Technologie, die mit Solarchips in Fahrradwegen Energie erzeugt oder ein Projekt, das ehemalige Strafgefangene durch die Ausbildung von Blindenhunden resozialisiert (www.hundebande.org/). Spannend ist auch die Frage, wie neue Bezahlformen im Internet aussehen können, die nicht nur darin Politibestehen, dass Konzerne unsere Daten bekommen, um uns mit manipulativer Werbung zu erreichen.
Zum Beispiel zur Finanzierung von unabhängiger Information und Qualitätsjournalismus im Internet. Viele technische Chancen müssen auf ihre Wechselwirkungen hin angeschaut werden. Zum Beispiel werden bald unsere Autos miteinander kommunizieren können. Sie können dann per GPS wissen, wer wann die nächste Kreuzung erreicht. Aber es bedeutet auch, dass wir der Technik mehr Kontrolle überlassen. Wollen wir das? Und was bedeutet das rechtlich, wenn es doch kracht? Dürfen dann manche Autofahrer nur noch mit Technikkontrolle fahren, weil sie schon drei Unfälle hatten? An diesem Beispiel zeigt sich gut, wie weit die Fragen reichen, die sich hier stellen.
Daran knüpft die Denkwerkstatt der hessischen SPD an, die das Thema Digitalisierung und Gesellschaft mit Wissenschaftlern, Experten aus Wirtschaft und Gewerkschaft sowie Akteuren der Kulturszene in einem einjährigen Prozess eingehend diskutiert. Ihr Ziel ist, der hessischen Sozialdemokratie Vorschläge zum politischen Umgang mit der Digitalisierung unserer Lebensbereiche zu unterbreiten, damit die Kraft der sozialen Innovation begünstigt und nicht eingeschränkt wird. Sie wirkt darin mit der Programmkommission der Bundespartei zusammen. Denn die Digitalisierung wird voranschreiten. Die Frage ist: wie wollen und wie können wir sie gestalten, damit unsere Vorstellungen von Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und dem guten Leben für alle dadurch besser verwirklicht werden können.
Autor: Dr. Thomas Spies, Leiter der Denkwerkstatt
Digitalisierung und Gesellschaft
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