Hans Eichel vor 25 Jahren zum Ministerpräsidenten gewählt – Regieren mit sozialökologischem Gestaltungsanspruch

Heute vor 25 Jahren, am 5. April 1991, wurde Hans Eichel mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen erstmals zum Hessischen Ministerpräsidenten gewählt. Der hessische SPD-Fraktions- und Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel hat das Jubiläum in einer Pressekonferenz gewürdigt. Schäfer-Gümbel sagte in Wiesbaden:

„Heute vor 25 Jahren wurde eine Regierung mit sozialökologischem Gestaltungsanspruch ins Amt gewählt. Sie hat Hessen anschließend über 8 Jahre erfolgreich regiert und Maßstäbe in Fragen des sozialen Zusammenhalts, der Gleichberechtigung, der Bildungsgerechtigkeit, der Schaffung von Wohnraum und im Umweltschutz gesetzt. Die beiden Regierungen Eichel waren die letzten hessischen Landesregierungen, die Hessen mit echtem Gestaltungswillen und Mut zur Veränderung regiert haben.

Unter schwierigsten finanzpolitischen Rahmenbedingungen – allein die deutsche Wiedervereinigung hat für Land Hessen mit milliardenschweren Belastungen verursacht – ist es gelungen, Gestaltungsspielräume auszuloten und auszunutzen.

Die Berufung eines paritätisch aus Männern und Frauen zusammengesetzten Kabinetts war nicht nur ein symbolischer Akt, sondern Ausdruck echten Willens, die Gleichberechtigung voran zu bringen. Mit dem hessischen Gleichberechtigungsgesetz hat Hessen eine bundesweit beachtete Vorreiterrolle eingenommen.

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum – 41.000 Wohnungen in der ersten Wahlperiode und über 30.000 in der zweiten – war ein Kernpunkt sozialdemokratisch geprägter Regierungspolitik. Damals wie heute war die Versorgung von Normal- und Geringverdienern mit bezahlbaren Wohnungen vor allem im Ballungsraum besonders dringend. Das Instrument der Fehlbelegungsabgabe wurde geschaffen, um zusätzliche Mittel dafür zu gewinnen.

In die Regierungszeit von Hans Eichel fällt der erste Abschnitt des massiven Ausbaus der Kinderbetreuung was ebenso wie das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“ zum scharfen sozialpolitischen Profil der Regierung Eichel zählte.

Hessen war unter Rot-Grün das wirtschaftsstärkste Bundesland und alle Panikmache gegenüber den Grünen als Wirtschaftsschreck entpuppte sich als haltlos. Gerade verkehrspolitisch kam vieles in Bewegung – von der Gründung der Verkehrsverbünde RMV und NNV profitiert das Land bis heute. Mit dem Mediationsverfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens erfolgte eine zentrale Weichenstellung für die Vereinbarkeit von wirtschaftlichen und ökologischen Interessen bei einem solchen Infrastrukturprojekt – was nach den Erfahrungen hinsichtlich der Startbahn West die notwendige Voraussetzung für eine friedliche Realisierung des Ausbaus war.

Mitbestimmung und Beteiligung waren ebenfalls Markenzeichen der Ära Eichel – von der Einführung des Bürgerentscheids auf kommunaler Ebene, über ein modernes Personalvertretungsrecht bis zur Verankerung der Ausländerbeirate in der Kommunalverfassung machte die Koalition Ernst mit dem Ziel, Teilhabe und Transparenz zu verbessern.

Schulpolitisch ragen die Schaffung von 3000 zusätzlichen Lehrerstellen und die Rücknahme der von der Regierung Wallmann vorgenommenen Einschränkung des Elternwahlrechts bei der Auswahl weiterführender Schulen heraus. Das klare Bekenntnis der Regierung zu Gesamtschulen war nach heftigem schulpolitischen Grabenkampf, den die CDU über Jahrzehnte geführt hatte, ein klares Bekenntnis zu Chancengleichheit und Aufstieg durch Bildung.

Mit der Abkehr von der Atomkraft bildete die Hessische Landesregierung einen Gegenpol zur damaligen schwarz-gelben Bundesregierung und Umweltminister Fischer nutzte virtuos die Möglichkeiten des Atomrechts aus. Er wäre allerdings niemals so einfältig und unwissend an eine Stillegungsverfügung für Biblis gegangen, wie das Duo Bouffier-Puttrich 20 Jahre später.

Die beherrschenden umweltpolitischen Themen nämlich die Sicherung des Grundwassers und die Vermeidung von schwer zu entsorgenden, giftigen Sonderabfällen bekam die Landesregierung mittels Grundwasser- und Sonderabfallabgabe in den Griff.

Ein Großprojekt, das Rot-Grün niemand zugetraut hatte, war die Einführung der zweigeteilten Polizeilaufbahn. Hessen hat damit bei der Ausbildung und Bezahlung von Polizeibeamtinnen und –beamten bundesweit eine Vorreiterrolle eingenommen, die vom damaligen Bundesinnenminister und hessischen CDU-Landesvorsitzenden Manfred Kanther massiv bekämpft wurde, während sich die CDU im Landtag Rot-Grün wenigsten mit Lippenbekenntnissen unterstützte.

Hans Eichel hat sich sehr bewusst in die Tradition von Georg August Zinn gestellt, der Hessen als politischen Gegenentwurf zur unionsgeführten Bundespolitik entwickelt hat. Hessen stand unter Hans Eichel für Reformen und Modernität, die Regierung Kohl für verstaubten Stillstand.

In Hessen zeigte sich, wie stabil und zuverlässig Rot-Grün arbeitet. Dabei musste sich kein Partner bis zur politischen Selbstaufgabe verbiegen, sondern produktiver Streit und auch das öffentliche Ringen um die besten Lösungen gehörte dazu. Nach dem Scheitern von Rot-Grün 1986 waren beide Seiten gewillt, verlässlich zusammenzuarbeiten. Gerade die beiden ehemaligen Antipoden, Herbert Günther und Joschka Fischer, bildeten eine stabile Achse zwischen den Partnern.

Die hessische CDU war in nahezu keiner Frage bereit, demokratische Mitverantwortung zu übernehmen. Im Gegenteil, mit maßloser Skandalisierung von Bagatellen und dem massiven Einsatz von Schwarzgeld in Wahlkämpfen, folgte sie ihrem alten Motto, „den Sozialismus zu Lande, zu Wasser und in der Luft“ zu bekämpfen.

Es liegt mir fern, die Amtszeit von Hans Eichel zu verklären. Aber damals gab es einen Reform- und Gestaltungswillen, der in Hessen seit 1999 fehlt. Das gilt leider auch für die amtierende schwarz-grüne Landesregierung, die politisches Biedermeier pflegt, in dem Ruhe die erste Bürgerpflicht ist. Die aber zur aktiven Gestaltung der Zukunft bislang wenig beigetragen hat und keinerlei Hoffnung erweckt, das zu ändern.“