Landesregierung hat keine Antworten auf wichtige Zukunftsfragen am Arbeitsmarkt

Der Landtag hat heute die Regierungserklärung des Sozialministers zum Thema „Fachkräfte gewinnen – Arbeitsmarkt sichern“ entgegengenommen. In der Plenardebatte warf der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Wolfgang Decker, der schwarz-grünen Landesregierung vor, auf den drohenden Fachkräftemangel und auf andere wichtigen Zukunftsfragen des Arbeitsmarktes kaum Antworten zu bieten.
Decker stellte fest: „Leider besteht die heutige Regierungserklärung in zu vielen Teilen aus Altbekanntem, aus Selbstverständlichem und bisweilen aus Worthülsen. Mit anderen Worten: Es fehlt an zahlreichen Stellen an Konkretem, an Greifbarem. Und es fehlt schlicht die Prüfung der Wirksamkeit. Die Landesregierung setzt sich selbst dem Verdacht aus, dass es CDU und Grünen in erste Linie um PR geht. Es mangelt dieser Landesregierung auch hier am Willen, Dinge grundlegend verbessern zu wollen.“

Decker merkte an, dass ein klares Bekenntnis zur flächendeckenden Verbesserung der Kinderbetreuung, zum Ausbau der Ganztagsschulen und zu einem qualifizierten Einwanderungsgesetz Hessen einen großen Schritt zur Fachkräftesicherung vorangebracht hätte.
„Nicht erwerbstätige beziehungsweise geringfügig beschäftigte Frauen bilden das größte Fachkräftereservoir. Hundertausende Frauen haben den Wunsch, endlich wieder in das Erwerbsleben zurück zu kehren. Oder anstatt eines Minijobs zumindest einen ordentlich entlohnten Teilzeitjob annehmen zu können. Oder endlich wieder ganztags arbeiten zu können. Sie können es in vielen Fällen nicht, weil sie keine Möglichkeit haben, ihre Kinder betreuen zu lassen. Deshalb muss die Landesregierung dafür Sorge tragen, dass ausreichend Ganztagsplätze in Kitas zur Verfügung stehen. Schwarz-Grün kann die Landesförderung nicht bei 35 Stunden enden lassen und die weitere Finanzierung den Kommunen oder den freien Trägern überlassen. Es darf nicht sein, dass die Gebührenspanne immer weiter auseinander geht und dass sich die Eltern in manchen hessischen Kommunen die Kita kaum noch leisten können“, so der SPD-Politiker. Für manche Frau lohne es sich schlicht und ergreifend nicht, arbeiten zu gehen, wenn die Familie das Geld anschließend fast komplett für die Kita ausgeben müsse.
„Seit Jahren debattiert der Landtag immer wieder darüber, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang gibt zwischen guter Schulbildung, qualifiziertem Schulabschluss, Berufsausbildung und der Vermeidung des Fachkräftemangels. Vor wenigen Tagen hat die Landesregierung den Entwurf zur Novelle des hessischen Schulgesetzes vorgelegt. Er ist eine herbe Enttäuschung. Einmal mehr erweist sich die Landesregierung als größte Bremse für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in unserem Land“, ergänzte Decker.

Auch im Bereich der Ausbildungsförderung gebe es noch viel Optimierungsbedarf. Eine grundlegende Evaluation aller Bildungsangebote im Bereich der Ausbildungsförderung des sogenannten „Übergangsbereiches“ und der vollschulischen Ausbildung sei anscheinend aber bisher nicht erfolgt.
Ein weiterer Baustein zur Eindämmung des Fachkräftemangels sei die Erwerbsbeteiligung älterer und erfahrener Menschen. Dabei gehe es nicht nur um den verstärkten Erhalt der Erwerbsfähigkeit und gezielte Weiterbildung, sondern es gehe vor allem auch um nachhaltige Strategien zur Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser. Die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer habe in den letzten zwei Jahren zugenommen, sei aber in erster Linie der guten Wirtschaftsentwicklung zu verdanken. Außer der Feststellung, dass es hier Potentiale gebe, biete die Landesregierung keine konkreten Ideen und Ansätze, mit welchen Maßnahmen die Beschäftigung älterer Menschen seitens des Landes flankierenden unterstützt werden könnte.
„Das Fachkräftepotenzial von Menschen mit Behinderungen muss ebenso genutzt und gefördert werden, wie das Potenzial ausländischer Fachkräfte. Denn selbst dann, wenn wir alle inländischen Potenziale optimal gehoben haben, bleibt aufgrund des demographischen Wandels ein erhebliches Defizit an Fachkräften, dass nur mit ausländischen Arbeitskräften geschlossen werden kann. Wir brauchen einen klaren gesetzliche Rahmen, damit vieles einfacher, transparenter und zielführender gestalten werden kann“, forderte der SPD-Arbeitsmarktexperte. Dabei dürften aber einheimische Arbeitskräften und Flüchtlingen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
„Wer Fachkräfte gewinnen und halten will, muss auch für gute Arbeit, faire Löhne, sichere Beschäftigung und für stärkere Tarifbindung sorgen. Dazu gehört nicht nur das bereits geltende Mindestlohngesetz, dazu gehört auch die Eindämmung des Missbrauchs bei Leiharbeit und bei Werkverträgen. Und dazu gehört auch die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern“, sagte Decker.

„Beruflich und akademisch qualifizierte Fach- und Führungskräfte in Industrie, Handwerk und Dienstleistungsbranchen sind eine unverzichtbare Basis für Wachstum, Innovation, gute Arbeit und Wohlstand. Wenn die Landesregierung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirklich stärken will, dann muss sie die Bedürfnisse von Frauen und Familien stärker berücksichtigen. Die Industrie 4.0 steht als Stichwort für eine Veränderung der Arbeitswelt in Produktion, Dienstleistung und Handwerk. Es bestehen Chancen für individuelle Beteiligung und Selbstbestimmung, flexibleres Arbeiten, Zeitsouveränität und eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben. Es muss vor allem darum gehen, Arbeit weiterhin menschengerecht, sicher und fair zu gestalten“, so Wolfgang Decker.