Mord an Halit Yozgat bleibt eine Mahnung – Aufklärung der Tatumstände stockt auch elf Jahre danach

Am 6. April 2006 wurde in Kassel Halit Yozgat ermordet. Der Mord war die letzte bislang bekannte Tat der sogenannten „Ceska-Mordserie“, die dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) zugerechnet wird. Mehrere Mitglieder und Unterstützer dieser rechtsextremen Terrorgruppe, darunter auch Beate Zschäpe, stehen derzeit in München vor Gericht. Zugleich bemüht sich ein Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags um die Aufklärung der dubiosen Begleitumstände des Mordes, der geschah, als sich ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes in Halit Yozgats Internet-Café aufhielt.
Anlässlich des Jahrestages der Ermordung von Halit Yozgat sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag und der SPD in Hessen, Thorsten Schäfer-Gümbel, heute: „Die abscheuliche Tat gegen einen unserer Mitbürger wird uns immer mahnen, dass wir Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und völkisches Gedankengut überall und zu jeder Zeit entschieden bekämpfen müssen. Halit Yozgat ist nicht vergessen. Wir sind es seinem Andenken schuldig, rückhaltlos aufzuklären, was an diesem furchtbaren Tag vor elf Jahren wirklich geschehen ist. Das ist die Aufgabe des Untersuchungsausschusses im Hessischen Landtag.“

Nach wie vor ungeklärt sei die Rolle des Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas Temme. Dieser habe sich während der kaltblütigen Ermordung von Halit Yozgat am Tatort aufgehalten oder diesen nur wenige Sekunden davor verlassen. Temme behauptet bis heute, er habe weder die Schüsse wahrgenommen, die auf das Opfer abgefeuert wurden, noch das Opfer, welches hinter seinem Schreibtisch im Eingangsbereich lag, beim Verlassen des Cafés gesehen. Auch sonst bestreitet Temme jegliche Wahrnehmungen in Bezug auf den Mord. „Die Glaubwürdigkeit von Herrn Temme sahen wir bereits nach seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss im Juni 2016 als vollständig erschüttert an“, so Thorsten Schäfer-Gümbel. Inzwischen gebe es eine neue Untersuchung des Tatgeschehens durch das Team von „Forensic Architecture“ aus London, die alle berechtigten Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Herrn Temme bestätige und verstärke: „Das, was ‚Forensic Architecture‘ ermittelt hat, enthält neue interessante Hinweise. Unsere Mitglieder im Untersuchungsausschuss werden das Material gründlich prüfen und gegebenenfalls im Ausschuss zum Thema machen. Es ist unser Ziel, die wahren Geschehnisse des 6. April 2006 ans Tageslicht zu bringen“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Schäfer-Gümbel kritisierte die Landesregierung und die Vertreter der Regierungsparteien im Untersuchungsausschuss dafür, dass sie die Aufklärungsarbeit nur halbherzig unterstützten. „Manchmal muss man den Eindruck haben, dass es CDU und Grünen nicht so sehr um die Wahrheitsfindung geht, sondern darum, noch elf Jahre nach der Tat den damaligen Innenminister und heutigen Ministerpräsidenten Bouffier zu schützen, in dessen Zuständigkeitsbereich seinerzeit vieles falsch gelaufen und falsch entschieden worden ist. Dem Ausschuss werden von der Regierung auch nach 51 Sitzungen die erforderlichen Unterlagen nur zögerlich und eingeschränkt lesbar geliefert“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Er sagte weiter: „Auch die Frage, wie hessische Behörden mit den Opferfamilien umgegangen sind, beschäftigt uns Sozialdemokraten. Uns ist es wichtig aufzuklären, ob möglicherweise Voreingenommenheit dazu geführt hat, dass der rechtsradikale Hintergrund der Taten nicht frühzeitig erkannt wurde“, so Thorsten Schäfer-Gümbel.