Wir werden mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit schaffen, indem wir mehr echte Ganztagsschulen anbieten, längeres gemeinsames Lernen ermöglichen, die Schulsozialarbeit an allen unseren Schulen verankern und soziale Gruppenbildungsprozesse einbeziehen.
Wir sehen den Zugang zu Bildung als ein lebenslanges Grundrecht jedes Menschen an, auch nach dem Schulabschluss. Dafür brauchen wir eine weitere Verbesserung der Kooperation zwischen Bund und Land. Wir begrüßen daher, dass die SPD in der Koalitionsvereinbarung der Großen Koalition die Aufhebung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich verankern konnte und werden auf die Umsetzung dieser Vereinbarung achten. Nur dadurch ist es möglich, dass der Bund die Mitfinanzierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur auf alle Kommunen ausweitet, die Mittel weiter aufstockt und im Rahmen des vereinbarten Digitalpakts die Modernisierung der Schulen mit 5 Mrd. Euro bundesweit mitfinanziert.
Wir werden in Regierungsverantwortung die Schule vom Kind aus denken und die individuell zugeschnittene Förderung des einzelnen Kindes in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen.
Entscheidungen über die Köpfe der Beteiligten hinweg sind nach unserer Überzeugung in der Schule fehl am Platz. Die notwendigen Veränderungen an unseren Schulen wollen wir deshalb schrittweise im ständigen Dialog mit Eltern, Lehrerschaft, Schulleitungen, Sozialpädagoginnen und -pädagogen an Schulen und Schülervertretungen sowie mit den Schulträgern umsetzen. Dabei spielen am Bedarf der einzelnen Schule ausgerichtete Angebote sowie Modellversuche eine wesentliche Rolle. Versuchsschulen, die alternative pädagogische Konzepte zu individuellem und selbstständigem Lernen entwickeln, wollen wir stärken und ausbauen.
Zur Stärkung der Transparenz werden wir regelmäßig einen hessischen Bildungsbericht veröffentlichen.
1. Bildung ist für uns mehr als die Aneignung von Wissen
Bildung befähigt den Menschen zur Selbstbestimmung, Demokratie und sozialer Verantwortung in einer globalisierten Welt. Sie ist entscheidend für die Entfaltung der Persönlichkeit und schafft Akzeptanz für unterschiedliche Lebensentwürfe. Dabei geht es gleichermaßen um kreative, soziale, ethische und politische Bildung wie um die praktische Vermittlung von Wissen und Qualifikationen, die den Zugang zu Arbeit gewährleisten.
Wir wollen Bildungseinrichtungen, die Kinder und Jugendliche zu gegenseitiger Achtung, zu Freiheit, zu Selbstständigkeit, zu sozialem Verantwortungsbewusstsein und im Sinne der Ideale der Demokratie und der Völkerverständigung anregen.
2. Schluss mit Schubladendenken: mehr Durchlässigkeit nach oben durch mehr individuelle Förderung
Kinder bringen unterschiedliche Lernvoraussetzungen mit. Die Unterschiede zwischen familiären und kulturellen Lebensentwürfen in den Klassenzimmern und Elternhäusern nehmen zu. Wir wollen ein offenes und durchlässiges Bildungssystem, das kein Kind zurücklässt und allen die gleichen Chancen eröffnet, ihre Potenziale zu nutzen.
Um individuell auf das einzelne Kind eingehen zu können, wollen wir erstens Möglichkeiten zur Erfassung der Lernvoraussetzungen für jedes einzelne Kind zur Verfügung stellen. Zweitens wollen wir auch die Rahmenbedingungen zur schulischen Umsetzung (Lernumgebung, Unterrichtsplanung und -gestaltung) schaffen, damit diese festgestellten Lernvoraussetzungen angemessen berücksichtigt werden. Notwendig dafür sind entsprechende Fortbildungen für die Lehrkräfte sowie die Zusammenarbeit mit den Sozialpädagoginnen und -pädagogen in der Schule, aber auch Veränderungen bei den Klassengrößen. Auf unnötige Vergleichsarbeiten, durch die keine Rückmeldung an die Lernenden erfolgt, werden wir verzichten.
Mit mehr individueller Förderung wollen wir „Zwangsabstiege“ reduzieren und auf diese schrittweise ganz verzichten. Sie frustrieren Kinder und Jugendliche und führen nicht selten zu gebrochenen Bildungsbiografien. Die bestehenden Projektbüros für individuelle Förderung werden mindestens verdoppelt. Wir legen wie andere europäische Länder ein Förderprogramm zum Lesen, Schreiben und Rechnen auf, um Lern-, Leistungs- und Teilleistungsschwierigkeiten zu vermeiden.
Besondere Begabungen werden wir fördern. Für diesen Personenkreis werden wir einen Anspruch auf besondere pädagogische Förderung schaffen, um allen Schülerinnen und Schülern mit Unterstützungsbedarf gerecht zu werden. Grundlagen dafür sind die Kinderrechtskonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention. Beratungs- und Förderzentren werden wir zu „Zentren für besondere pädagogische Förderung“ über die Sonderpädagogik hinaus weiterentwickeln. Als regionale Unterstützungsagenturen für individuelle Förderung beraten sie Schulen multiprofessionell aus einer Hand, vernetzen die Schulen mit außerschulischen Einrichtungen und stellen notwendiges Material zur Verfügung.
3. Wir garantieren Chancengleichheit
Der Bildungsabschluss darf nicht von der kulturellen und sozialen Herkunft, dem Geschlecht oder anderen äußeren Faktoren abhängen, wie dies offenkundig im hessischen Schulsystem derzeit häufig der Fall ist.
Die Aufnahme in die weiterführenden Schulen geschieht durch direkte Anmeldung durch die Eltern und Aufnahme durch die Schulleitung.
Zur Stärkung des Elternwahlrechts wollen wir erreichen, dass jede Schule die Schülerinnen und Schüler zu einem Schulabschluss führt, die sie aufgenommen hat. Schulformempfehlungen werden wir durch aussagekräftigere Abschlusszeugnisse ersetzen, in denen Kompetenzen beschrieben werden. Um eine für die Jugendlichen sinnvolle Entscheidung treffen zu können, sollten Eltern frühzeitig über die verschiedenen Ausbildungswege im Anschluss an die jeweilige Schulform informiert werden.
Wir unterstützen die religiöse und weltanschauliche Vielfalt des Angebots durch freie Schulträger und werden das Einhalten des grundgesetzlichen Sonderungsverbots sicherstellen. Schülerinnen und Schüler mit neun Schulbesuchsjahren können den untersten Bildungsabschluss auch im Rahmen einer intensiv geförderten dualen Berufsausbildung erwerben. Es ist eine „Allgemeine Berufsbildungsreife“ auch in Berufsschulen einzurichten, welche im Rahmen einer dualen Ausbildung erfolgen kann. Dieser Schulabschluss ist gleichzusetzen mit dem Hauptschulabschluss.
4. Wir stehen für vergleichbare Bildungschancen in der Stadt und auf dem Land
Wir setzen uns für ein wohnortnahes breit gefächertes Bildungsangebot und damit auch für den Erhalt kleiner Schulstandorte ein. Wir werden die Schulträger bei ihrer Schulentwicklungsplanung unterstützen, damit sie ihre Angebote möglichst nah am Bedarf der Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern ausrichten können. Die Wahlfreiheit der Eltern für den Bildungsgang in erreichbarer Nähe für ihre Kinder wird von uns garantiert.
Wir wollen ein übersichtliches Schulsystem, das in allen Teilen Hessens die gleichen Bildungschancen sicherstellt.
5. Unser Ziel: keine Schülerin und kein Schüler ohne Schulabschluss
Unser Ziel ist es, dass alle Schülerinnen und Schüler die Schule mit einem Abschluss verlassen. Wir wollen erreichen, dass jede Schule am Ende der Pflichtschulzeit einen Schulabschluss vergibt. Dieses Ziel ist nur durch eine Erweiterung der Berechtigung zum Schulbesuch auf 27 Jahre zu erreichen, damit die Gruppe der „Bildungsverlierer“ zielgruppenorientiert und effektiv eingebunden werden kann. Dazu werden wir schulformunabhängige Bildungsstandards entwickeln, die beschreiben, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler am Ende eines Jahrgangs mindestens erreicht haben sollten.
Um Brüche in den Bildungsbiografien der Kinder zu vermeiden, wollen wir, dass die Übergänge von der Kita in die Grundschule und von dort in die weiterführende Schule, in die Berufsausbildung bzw. zum Studium durch verbindliche Zusammenarbeit aller beteiligten Bildungseinrichtungen verbessert werden.
Schulsozialarbeit hilft bei der Schul- und Berufsorientierung durch das Herausarbeiten von Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Mobiles Lernen und Onlinelernen werden ebenso gefördert, um Brüche in Bildungsbiografien einzudämmen.
6. Echte Ganztagsschulen statt Schulgeld am Nachmittag
Wir werden den Ausbau echter Ganztagsschulen massiv vorantreiben. Während die schwarz-grüne Landesregierung Schulen mit wenigen Stunden Nachmittagsangeboten in der Woche bereits als Ganztagsschulen bezeichnet, wollen wir für alle hessischen Familien mit diesem Bedarf ein Angebot schaffen, das diesen Namen auch tatsächlich verdient.
Echte Ganztagsschulen bieten allen Kindern über den Tag verteilt Unterricht, Sport, Spiel, Bewegung, individuell betreute Lernzeiten sowie Fachförderung an. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit sowie zur Vereinbarung von Familie und Beruf und ermöglichen bessere schulische Leistungen, vor allem für benachteiligte Kinder und Jugendliche.
Ihre Vorteile liegen auf der Hand: Sie bieten mehr Zeit zum Lernen, geben Schulen Möglichkeiten, ihren Unterricht kindgerechter über den Tag zu verteilen („Rhythmisierung“) und entlasten berufstätige Eltern. Wir werden deshalb unsere Schulen schrittweise zu echten und kostenfreien Ganztagsschulen in gebundener und teilgebundener Form weiterentwickeln.
Ein Recht auf den Besuch einer Ganztagsklasse wollen wir im Schulgesetz verankern und entsprechende Angebote für alle Schülerinnen und Schüler in erreichbarer Nähe sicherstellen. Schulen, die ihr Ganztagsangebot erweitern wollen, werden wir unterstützen und eine am tatsächlichen Bedarf der Lerngruppen orientierte Personalausstattung zur Verfügung stellen, damit kein Antrag schon beim Schulträger zurückgewiesen werden muss. Dazu werden wir ein Programm zum Ausbau von Ganztagsschulen verabschieden, das den Schulen verlässliche Entwicklungsperspektiven bietet. Inklusive Beschulung und besondere Förderung müssen auch am Nachmittag qualitativ hochwertig möglich sein.
Die Einführung eines Schulgelds durch die Hintertür, wie beim konzeptionslosen „Pakt für den Nachmittag“ der schwarz-grünen Landesregierung, lehnen wir ab. Den Schulen, die am „Pakt“ teilnehmen, bieten wir die Möglichkeit der Weiterentwicklung.
Ganztagsschulen sollen nicht in Konkurrenz zu Vereinen und deren Angeboten stehen, sondern dabei helfen, Kinder und Jugendliche für Sport, Kultur und weitere freiwillige außerschulische Aktivitäten zu begeistern. Daneben soll den Kindern und Jugendlichen auch weiterhin Zeit für selbstbestimmte Freizeit und Ehrenamt zur Verfügung stehen. Die Grundprinzipien und Ziele der Jugendarbeit werden wir absichern.
Zu guten Ganztagsschulen gehören für uns auch Standards für gesunde Ernährung sowie die Bereitstellung von ausreichend Sport- und Bewegungsangeboten. Hierzu wollen wir mit den Schulträgern gemeinsame Vereinbarungen treffen, auch für bauliche Mindeststandards. Gesunde Ernährung gehört auf den Lehrplan. Die hessische Blockade des EU-Schulobstprogramms werden wir aufheben und die kostenfreie tägliche Versorgung unserer Schulen mit Obst ermöglichen.
Unser Ziel ist es, die Kosten für das Schulessen spürbar zu senken. Langfristig bedeutet kostenfreie Bildung für uns auch, dass Familien nicht für das Essen in der Schule bezahlen müssen.
7. Schulen als Ort des sozialen Miteinanders stärken
Eine demokratische Schule hat den Auftrag, zu Solidarität, sozialem Bewusstsein und sozialer Interaktion hinzuführen. Eine besondere Herausforderung ist dabei, den sozialen Zusammenhalt in der Gruppe mit individualisierten Förderkonzepten zu verbinden.
Gemeinschaftsbildungs- und Gruppenprozesse sind von zentraler Bedeutung, um in der Schulgemeinschaft als „Soziales Haus“ Respekt, Toleranz und Solidarität zu entwickeln und zu verankern. Neben dem Bildungsauftrag übernimmt die Schule die Aufgabe, in einer öffentlichen Lebenswelt zu sozialisieren, Schülerinnen und Schüler anzuregen, sie aktiv in Rechte und Pflichten einzubinden und zu schützen. Schülerinnen und Schüler müssen ihre Schule als einen Ort wahrnehmen, in dem sie frei von Diskriminierung, Gewalt und Angst ihre eigene Identität finden können. Soziales Lernen hat einen hohen Stellenwert für die Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen.
Es darf keine Toleranz für Mobbing oder sexualisierte Gewalt geben. Betroffene Jungen und Mädchen benötigen Schutz und Verständnis sowie Hilfe bei der Aufarbeitung des Erlebten. Wir unterstützen das Angebot von Sozialtrainings für Klassen und Projekte zur Mobbingprävention und werden den Schulen Präventionsprogramme, Handlungsleitfäden und Fortbildungen zur Verfügung zu stellen.
Um bei Bedarf koordinierte individuelle Unterstützung für einzelne Kinder bzw. Jugendliche zu erreichen, regen wir die Einrichtung von runden Tischen unter Einbeziehung der Familien und der außerschulischen Familienarbeit sowie der Schulsozialarbeit, der Jugendarbeit und weiterer relevanter Stellen an.
Um Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen sowie Lehrkräfte von nicht unterrichtsbezogenen Tätigkeiten zu entlasten, werden wir die Schulen mit multiprofessionellen Teams aus pädagogisch-therapeutischem Personal und außerschulischen Partnern, Schulsozialarbeit und Schulpsychologen in regionaler Verantwortlichkeit ausstatten.
8. Schulsozialarbeit und Schulpsychologie am bestehenden Bedarf ausrichten
Um den Bedarf nach Schulsozialarbeit zu decken, ist ein flächendeckender Ausbau erforderlich. An jeder Schule soll es Schulsozialarbeit geben, die sich an den örtlichen Rahmenbedingungen orientiert. Wir werden dafür sorgen, dass Kommunen und Schulträger mit den Kosten nicht alleine gelassen werden. Hierzu werden wir eine neue Förderpauschale zur Unterstützung der Träger einführen, damit die Kosten gleichermaßen zwischen Land, Schulträger und Kommunen geteilt werden.
Daneben werden wir den schulpsychologischen Dienst ausbauen und Wartezeiten reduzieren. Dadurch unterstützen wir nicht nur die Lehrkräfte, sondern stärken auch Maßnahmen für Kriseninterventionen.
9. Bedingungen für individuelle Förderung und jahrgangsübergreifendes Lernen in den Schulen verbessern
Durch mehr jahrgangsübergreifendes und gemeinsames Lernen werden wir nicht nur den Erhalt von Schulen im ländlichen Raum und damit die wohnortnahe Schulversorgung sichern. Wir wollen eine Unterrichts- und Schulorganisation ermöglichen, die an den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Schülerin bzw. des einzelnen Schülers ausgerichtet ist. Auch durch individuelle Förderung mit Förderplan und intensiver sowie regelmäßiger Beratung von Schülerinnen und Schülern und Eltern im Verlauf eines jeden Schuljahres streben wir den Verzicht auf Versetzung in die nächstniedrigere Schulform und auf die Nichtversetzung in die nächsthöhere Klasse an.

Wir werden die Rahmenbedingungen für Schulen verbessern, die jahrgangsübergreifendes Lernen realisieren wollen, z. B. in Form von gemeinsamen Lerngruppen der Klassen 1 und 2 („Schuleingangsstufe“), oder dem Nebeneinander unterschiedlicher Lerngeschwindigkeiten („Binnendifferenzierung“) und durch andere Lehr- und Lernformen.
Dazu wollen wir Lehrkräften durch zusätzliche personelle und materielle Ressourcen ermöglichen, Schülerinnen und Schüler stärker individuell zu bewerten und ihre Kompetenzen zu fördern, statt nur das Erreichen von Lernzielen zu dokumentieren. In der Lehrkräfteaus- und -fortbildung muss der Unterricht in heterogenen Lerngruppen stärker gewichtet werden.
10. Die flexible Oberstufe: maßgeschneiderte Schuldauer und bessere Vorbereitung auf die Zukunft
Wir sind davon überzeugt, dass der neunjährige Besuch von Gymnasium bzw. Gesamtschule – also das Abitur nach 13 Schuljahren – der Normalfall und eine sinnvolle Grundlage für den Erwerb des Abiturs ist. Wir wollen jedoch, dass die Schülerinnen und Schüler die Oberstufe entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen und ihrer Lerngeschwindigkeit in zwei, drei oder vier Jahren durchlaufen können. So wird das Abitur wahlweise schon nach zwölf, im Normalfall nach 13, in Ausnahmefällen nach einem längeren Zeitraum möglich – ohne ganze Jahrgangsstufen überspringen oder wiederholen zu müssen. Schülerinnen und Schüler sollen dabei mehr Möglichkeiten erhalten, ihren eigenen Bildungsverlauf in Abstimmung mit Lehrerschaft und Eltern selbst zu steuern. Damit schaffen wir echte Wahlfreiheit für Schülerinnen und Schüler, die ihre Schulzeit verkürzen wollen oder aufgrund ihrer Lebensumstände mehr Zeit benötigen. Gleichzeitig erleichtern wir durch mehr jahrgangsübergreifendes Lernen den Erhalt von kleineren wohnortnahen Oberstufen im ländlichen Raum.
Ein weiteres Element der von uns angestrebten Oberstufenreform wird eine bessere Vorbereitung auf die nachschulische Lebenswelt sein. Dies schließt die Vorbereitung auf Hochschule und Arbeitswelt, Berufs- und Studienorientierung ebenso ein wie das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Sozialkompetenzen und Gemeinschaftsbildungen. Die reformierte Oberstufe setzt darüber hinaus die verstärkte Förderung von Eigenständigkeit, Verantwortung und Selbstbewusstsein sowie die Stärkung der Fähigkeit zu fachübergreifendem und fächerverbindendem Arbeiten um. Bei den Prüfungsfächern in der Abiturprüfung wollen wir mehr Auswahlmöglichkeiten zulassen, um die individuelle Schwerpunktsetzung von Schülerinnen und Schülern zu fördern.
Bei allen Veränderungen wollen wir gewährleisten, dass die Schulen flexibel agieren können. Sie sollen befähigt werden, eigene Konzeptionen zu entwickeln und umzusetzen. Verpflichtende Vorgaben für genehmigungsfähige Praxiskonzepte wollen wir möglichst gering halten. Die Vergleichbarkeit von Leistungsanforderungen und Lernergebnissen werden wir dabei immer sicherstellen.
11. Das schwarz-grüne Inklusionschaos beenden
Hessen hat seit mehr als 30 Jahren Erfahrung mit dem „Gemeinsamem Unterricht“ von Kindern mit und ohne Behinderung. Daran wollen wir anknüpfen und das derzeitige Inklusionschaos beenden. Lehrkräfte werden nicht länger kostbare Zeit auf den Straßen zwischen den Schulen vergeuden, sondern im inklusiven Unterricht mit unseren Schülerinnen und Schülern arbeiten. Dazu wird es eine auskömmliche sonderpädagogische Grundversorgung an allen Schulen geben, die dem tatsächlichen Bedarf gerecht wird, ohne Lehrkräfte zusätzlich zu belasten. So wollen wir erreichen, dass durch bessere Rahmenbedingungen für alle Schülerinnen und Schüler auch alle von der schulischen Inklusion profitieren. Denn gut organisierter und ausgestatteter inklusiver Unterricht ermöglicht es, dass Schülerinnen und Schüler zu selben Zeit Unterschiedliches lernen. Zudem stärkt er das soziale Miteinander. Denn wer von vornherein mit Menschen aufwächst, die als behindert oder beeinträchtigt gelten, lernt von Anfang an, dass es normal ist, verschieden zu sein und Rücksicht auf andere zu nehmen.
Dafür werden wir die notwendigen finanziellen und personellen Mittel zur Verfügung stellen sowie insbesondere die Aus-, Fort- und Weiterbildungskapazitäten in der Lehrer-/innenbildung ausweiten. Damit sorgen wir dafür, dass Schulen ihre inklusive Weiterentwicklung organisieren können, ohne dass ein Qualitätsverlust entsteht. Jedes Kind hat das Recht, eine Schule wohnortnah zu besuchen. Das bedeutet, dass jede Schule in die Lage versetzt wird, bei Bedarf inklusiv zu arbeiten. Den Einsatz der Förderpädagogen an den allgemeinen Schulen werden wir transparenter und vor allem verlässlicher gestalten. Sie werden mindestens mit einer halben Stelle, in der Regel vollständig und fest, an einer allgemeinbildenden bzw. berufsbildenden Schule eingesetzt.
Mit einem Masterplan Inklusion werden wir die verschiedenen Etappen auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem definieren. Dabei werden alle Schulsituationen eines Kindes mit Unterstützungsbedarf ins Auge gefasst, insbesondere auch die Ganztagsangebote. Ein solcher Masterplan muss langfristig und somit über eine einzelne Wahlperiode hinaus angelegt sein. Er beinhaltet auch einen Handlungsleitfaden zur individuellen Unterstützung.
12. Masterplan für die Digitalisierung in Schule und Unterricht: Medien- und Digitalisierungskompetenz als neuen Lerninhalt für alle Schulformen verankern
Die Auswirkungen von Digitalisierung und Medienentwicklung auf Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte und Schulen insgesamt wurde von der Landesregierung noch nicht annähernd begriffen. Wir wollen, dass Schulen die Grundlagen für einen reflektierten Umgang von Jugendlichen mit der Digitalisierung schaffen.
In der Digitalisierung und Medienentwicklung ergeben sich vielfältige Chancen. Gleichzeitig hat dadurch jedes Kind heute ungehindert Zugang zu jugendgefährdenden Inhalten. Gruppen in sozialen Netzwerken definieren Mobbing völlig neu. Wir werden deshalb die Vermittlung von Medienkompetenz zur Aufgabe für jede Schule machen und ein Zertifikat dafür einführen.
Ein Masterplan für die Digitalisierung in Schule und Unterricht, Unterrichtsdidaktik sowie ein Landesmedienkonzept sind längst überfällig. Wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler die Neuen Medien selbstbewusst und kreativ nutzen, aber auch mit Risiken, etwa in Bezug auf Suchtverhalten, Mobbing, sexistische und gewaltverherrlichende Inhalte, Datenschutz usw., verantwortlich umgehen lernen. Gleichzeitig sollen die Chancen der Neuen Medien zur Gestaltung innovativer Lehr- und Lernprozesse (u. a. bei individueller Förderung) herangezogen werden, wo sie sinnvoll und altersgerecht eingesetzt werden können. Klar ist: Digitale Medien können keine Lehrkraft ersetzen.
Dazu benötigen die Schulen Ausbau, Wartung und Administration der technischen Infrastruktur, entsprechend durch Fortbildung qualifizierte Lehr- und Fachkräfte sowie die Versorgung mit schnellem Internet. Wir setzen uns für die Entwicklung einer gemeinsam von Bund und Ländern verantworteten bundesweiten, durch die Länder, Schulen und Lehrkräfte anpassbaren, kostenfrei nutzbaren, adaptiven multimedialen Lernplattform ein. Zur Förderung der digitalen Lernmittelfreiheit werden wir die Rahmenbedingungen zur Erstellung und Bereitstellung offen lizenzierter Lehr- und Lernunterlagen durch qualifizierte Lehrkräfte schaffen. Open Educational Resources (OER) sollen in Hessen fester Bestandteil des schulischen Lebens werden.
Digitale Bildung ist für uns mehr als der Einsatz Neuer Medien, technologiegestütztes Lehren und die Vermittlung von Anwendungskompetenzen. Wir wollen, dass junge Menschen nicht nur lernen, neue Technologien zu bedienen, sondern sie zu beherrschen, selbst Entwicklungen vorzunehmen und ihre Auswirkungen zu verstehen.
Entsprechende Kulturkompetenzen und Inhalte müssen in unseren Schulen vermittelt werden. In einer digitalen Welt gehört neben Lesen, Schreiben und Rechnen auch das Coden zu den grundlegenden Fähigkeiten. Coden wird zur neuen Kulturkompetenz. Lehrpläne müssen entsprechend evaluiert und bedarfsgerecht angepasst werden.
13. Neue Lehrkräfte braucht das Land: Lehrermangel beenden, Lehrerausbildung reformieren, Lehrerfortbildung stärken
Wir wollen den Lehrer/innenmangel beenden, fachfremden Unterricht reduzieren, die Lehrerausbildung reformieren und die Lehrkräftefortbildung stärken. Durch bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Entlohnung werden wir für Lehrkräfte, die bisher in Teilzeit arbeiten, Anreize schaffen, ihre Arbeitszeit wieder zu erhöhen. So kann dem Lehrkräftemangel mit qualifizierten Kräften zeitnah begegnet werden.

Die derzeitige Einstellung von Seiten- und Quereinsteigern darf die geltenden Standards für die Qualifikation von Lehrkräften nicht aushebeln. Wir werden die jetzt noch unabdingbare Einstellung von Seiten- und Quereinsteigern verbindlich mit Maßnahmen verknüpfen, die die Professionalität aller dauerhaft als Lehrkräfte tätigen Personen sicherstellt. Für Lehrkräfte für arbeitstechnische Fächer werden wir für eine Weiterqualifizierung mit entsprechender Besoldung sorgen.
Um die permanente Lehrkräftefortbildung vor Ort zu stärken, wird die Hessische Lehrkräfteakademie um drei regionale Kompetenzzentren und ein Fortbildungskolleg mit der Zuständigkeit für berufsbegleitende Weiterentwicklung und Schulentwicklung erweitert.
Wir werden allen Lehrkräften, die als Quereinsteiger/-innen derzeit an unseren Schulen unterrichten, Angebote zur Weiterqualifizierung anbieten. Falls die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, werden wir ihnen durch diese Weiterqualifizierungen den Erwerb einer Lehrbefähigung oder eines Lehramts ermöglichen.
Der Bedarf an zusätzlichen Lehrkräften wird auch künftig hoch sein. Eine vorsorgende Personalbedarfsplanung für Hessen ist längst überfällig. Auf dieser Basis werden wir eine mittelfristige Gesamtbedarfsplanung erstellen, die unter Berücksichtigung demografischer Faktoren, der von uns geplanten Reformen in Unterricht und Schulorganisation sowie unter Einbezug einer seriösen Finanzkalkulation Mangelfächer, Personal-, Ausbildungs- und Qualifikationsbedarf definiert und die erforderlichen Maßnahmen plant. Wir werden deshalb die Zahl der Lehramtsstudienplätze und der Studienplätze für Sozialpädagogik in Absprache mit den Universitäten so erhöhen, dass wir den künftigen Einstellungsbedarf decken können. Um mehr Studierende für Mangelfächer zu gewinnen, werden wir die Einführung eines eigenen Hessenstipendiums für Mangelfächer initiieren.
Die zweite Phase der Lehrer/innenausbildung an den Studienseminaren und deren Verankerung in der Fläche ist für uns unerlässlich. Angehende Lehrkräfte, die ihr Erstes Staatsexamen erfolgreich in Hessen abgelegt haben, erhalten von uns eine Ausbildungsgarantie zur zeitnahen Absolvierung des Vorbereitungsdienstes.
Die Anforderungen an das hessische Lehramtsstudium sind gestiegen. Zum einen sind in der Unterrichtspraxis solide Fachkenntnisse in den unterrichteten Fächern sowie erziehungswissenschaftlicher Kenntnisse zentral. Gleichzeitig müssen Lehramtsstudierende auf veränderte Praxisanforderungen angemessen vorbereitet werden, etwa auf Inklusion, Gruppen mit unterschiedlicher Lerngeschwindigkeit, Berufsorientierung, den Umgang mit Kindern, bei denen zu Hause wenig deutsch gesprochen wird, den praxisnahen und anwendungsbezogenen Einsatz von digitalen Medien im Unterricht sowie den Jugendmedienschutz. Diese Defizite werden wir unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus der vom Bund mit 500 Mio. Euro geförderten Qualitätsoffensive Lehrerbildung angehen und dazu die Fortbildung der im Schuldienst arbeitenden Lehrkräfte systematisch ausbauen. Um zukünftige Lehrkräfte auf die gestiegenen Anforderungen ihres Berufs besser vorzubereiten, wollen wir die universitäre Phase aller Lehrämter auf zehn Semester anheben. Um berufsbiografische Brüche möglichst zu vermeiden, werden wir mit Beginn des Lehramtsstudiums eine Reflexion persönlicher Kompetenzen und der Eignung verbindlich gestalten.
Die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte werden wir vor allem in den Bereichen Fachkompetenz, Fachdidaktik und Erziehungskompetenz auf- und ausbauen. Für die Kooperationskompetenz in Schulen mit hohem Migrantenanteil und Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf entwickeln wir neue Formen der Beratung und Weiterbildung. In den Fächern, die in der Schulpraxis zu einem sehr hohen Anteil fachfremd unterrichtetet werden, werden wir besondere Weiterbildungsangebote für langfristig Unterrichtende entwickeln. Gleichzeitig werden wir den fachfremden Unterricht durch die Einstellung von Fachkräften reduzieren.
14. Die Arbeitsbedingungen der Lehrerinnen und Lehrer verbessern
Die Attraktivität des Lehrerinnen- und Lehrerberufs in Hessen hat in den vergangenen Jahren stark nachgelassen, was sich im aktuell auftretenden Lehrermangel niederschlägt. Fast 10 % aller Lehrkräfte sind mit befristeten Verträgen beschäftigt und werden spätestens nach fünf Jahren entlassen, um einem Anrecht auf eine Entfristung zu entgehen. Bei der Anzahl der Lehrkräfte, welche für die Dauer der Sommerferien entlassen werden, um Geld einzusparen, ist Hessen Spitzenreiter. Wir werden diese unsägliche Praxis beenden.
Überlastungsanzeigen von Lehrkräften aufgrund unbesetzter Stellen sind an der Tagesordnung. Wir werden deshalb prüfen, wie wir Lehrkräfte entlasten können. Zusätzliche Unterstützung werden wir durch den Ausbau multiprofessioneller Teams sowie durch Assistenzkräfte (Erasmusprogramm sowie Freiwilliges Soziales Jahr) an allen Schulformen schaffen. Wir werden den Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften ausbauen.
Für Lehrkräfte, die sich als überlastet empfinden oder Gewalt erfahren, werden wir eine unabhängige Ombudsstelle schaffen.
Wir werden dafür sorgen, dass der Berufseinstieg künftig professionell begleitet wird und dass für alle Lehrämter Beförderungsmöglichkeiten mit schulspezifischen Aufgaben an den einzelnen Schulen geschaffen werden.
Die Grundschullehrkräfte haben eine große Verantwortung für den zukünftigen Bildungsweg eines jeden Kindes. Durch die Ausweitung auf zehn Semester werden die Grundschulstudiengänge inhaltlich aufgewertet. Um dies zu würdigen und die Ungleichbehandlung von Lehrämtern zu beenden, soll die Einstiegsvergütung künftig für alle Lehrämter gleich bei A13/E13 liegen. Die Angleichung der Besoldung soll auch bereits im Schuldienst befindlichen Lehrkräften zugutekommen können. Deshalb werden wir durch entsprechende Qualifizierungsangebote die Voraussetzungen dafür schaffen.
Die Arbeitszeit von Lehrkräften ist nicht begrenzt auf Unterrichtsstunden, sondern neu realistisch zu definieren im Hinblick auf erheblich veränderte Anforderungen des Berufs, z. B. Beratung, Förderpläne, Inklusion, Ganztagsschule usw. Für schulinterne Absprachen und die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern und Akteuren müssen feste Kooperationszeiten angerechnet werden. Fristgerechte Stellenbesetzungen müssen wieder selbstverständlich werden. Die mobile Vertretungsreserve werden wir mit voll ausgebildeten Lehrkräften ausbauen, um befristete Verträge zu reduzieren und qualifizierten Vertretungsunterricht sicherzustellen.
15. Leitungsverantwortung wieder attraktiv machen
Auch Schulleitungsstellen bleiben zunehmend vakant. Unter anderem der zunehmende Verwaltungsaufwand schreckt viele Lehrkräfte von der Übernahme von Verantwortung als Schulleiterin oder Schulleiter ab. Um die Übernahme von Leitungsfunktionen in der Schule wieder attraktiv und effektiv zu gestalten, muss das Leitungsdeputat von Schulleitungen ebenfalls den steigenden Anforderungen angepasst werden. Wir wollen für eine bessere Vorbereitung und Begleitung für diese Positionen sorgen. Den Einsatz von zusätzlichen Verwaltungsfachkräften werden wir erleichtern.
16. Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Schulen und der Schülerschaft stärken
Die Weiterentwicklung von Schulen zu selbstständigen Schulen ist in den vergangenen Jahren ins Stocken geraten. Die Freiheit zur Entwicklung eigener Profile und Gestaltungsspielräume ermöglicht es, neue pädagogische Wege auszuprobieren. Um dies zu erreichen, bedarf es einer Entlastung von verwaltungstechnischen Zwängen. Für ihre Schulentwicklung und Evaluation wollen wir den Schulen ein eigenes Budget bereitstellen. Dieses Budget wird keine Verlagerung finanzieller Verantwortlichkeiten des Landes oder der Schulträger auf die Schulen bedeuten. Wir wollen dabei die demokratische Selbstverwaltung von Schulen stärken. Insbesondere Schülerinnen und Schüler sollen ihr eigenes Schulumfeld stärker als bisher altersgerecht mitgestalten können. In der Schulkonferenz der Sekundarstufe, dem zentralen Entscheidungsgremium einer Schule, sollen künftig Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern zu jeweils einem Drittel vertreten sein.
Im Rahmen dieser zunehmenden Selbstständigkeit ist das Aufgaben- und Rollenverständnis von Schulleitung, Schulgemeinde und Schulaufsicht demokratisch verfasst weiterzuentwickeln. Zur Unterstützung und Begleitung der Schulen ist für uns eine in der Fläche verankerte, fachlich kompetente und angemessen ausgestattete Schulaufsicht auch in Zukunft unerlässlich.
17. Mehr Lehrerstellen an Schulen mit besonderen Herausforderungen bringen
Die derzeitige Zuweisung von Lehrerstellen nach dem Sozialindex, der die soziale Lage ihres Einzugsgebiets widerspiegelt, wollen wir im Sinne individueller Förderung ergänzen und stärker an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schülern der einzelnen Schule ausrichten. Darüber hinausgehende Lehrerstellenzuweisungen werden wir an das Schulprofil und die individuellen Bedingungen vor Ort koppeln.
Schulen, die besonders viel leisten, müssen zur Bewältigung von unterschiedlichen Lern- und Erziehungsvoraussetzungen auch besonders unterstützt werden.
Wir werden Schluss damit machen, dass verschiedene pädagogische Profile und Konzepte gegeneinander ausgespielt werden. Die unter Schwarz-Grün erfolgten Stellenkürzungen bei den Grundschulen und Stundenkürzungen im Bereich der Intensivbeschulung werden wir rückgängig machen.
18. Berufs- und Lebensweltorientierung der Schülerinnen und Schüler verbessern
Wir wollen alle Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, ihre Berufswahlentscheidung gut überlegt zu treffen. Schon eine entwicklungsgerechte Beschäftigung der Jugendlichen mit den verschiedenen Wegen, die sich ihnen bieten, ist hilfreich, um den späteren Übergang in Ausbildung, Studium und Beruf zu erleichtern und um Abbrüche zu vermeiden.
Dazu gehören handwerkliches Arbeiten in der Grundschule und die frühzeitige Förderung von Kindern und Jugendlichen in den mathematisch-naturwissenschaftlichen-technischen (MINT-)Fächern genauso wie Informationen über die duale Ausbildung als Teil der beruflichen Orientierung und Kompetenzfeststellungen sowie individuelle Beratungen als Grundlage für die Berufswahlprozesse flächendeckend an allen weiterführenden Schulen. Hierfür werden wir die Berufsorientierung, wie sie im Fach Arbeitslehre vermittelt wird, auch an Gymnasien mit Pflichtstunden unterlegen und genügend Zeit und Raum in allen Schulformen gewähren. Praktika sollten in der Schule gut vor- und nachbereitet werden, damit sie einen Gewinn für Schülerinnen und Schüler sowie Betriebe darstellen.
Wir unterstützen die Lehrerschaft dabei, sich für die Möglichkeiten der Berufswahl ihrer Schülerschaft auf dem aktuellen Stand zu halten und sich mit Ausbildungsbetrieben und Hochschulen auszutauschen. Die Berufsorientierung an den Schulen darf allerdings nicht die Pflicht der Hochschulen und Ausbildungsbetriebe ersetzen, über ihre Angebote außerschulisch zu informieren. Wir werden deshalb ein Konzept für regelmäßige Praxistage, die Lehrkräften einen kurzen und intensiven Einblick in die Arbeitswelt und Ausbildungsberufe ermöglichen, entwickeln.
Wir wollen Jugendliche auf die Bewältigung von Fragen des Rechts und des Verbraucherschutzes vorbereiten und diese Themen dazu in den Fächern Arbeitslehre sowie Politik und Wirtschaft angemessen verankern.
19. Berufliche Schulen fit für neue Aufgaben machen
Als Träger der dualen Ausbildung stehen die beruflichen Schulen gleichwertig neben der gymnasialen Oberstufe. In dieser Stellung sind sie auf den nichtakademischen und praxisorientierten Teil der Bildung von Schülerinnen und Schülern fokussiert. Wir wollen die beruflichen Schulen in die Lage versetzen, auch in der neuen Arbeitswelt ihre zentrale Funktion als wichtiger Lernort neben dem Betrieb zu erfüllen, an dem theoretisches Wissen für eine moderne und entwicklungsfähige Berufstätigkeit vermittelt wird. Dafür müssen berufliche Schulen mit deutlich mehr Ressourcen ausgestattet werden, auch im Hinblick auf die Anforderungen der Digitalisierung. Wir begrüßen daher den auf Bundesebene vorgeschlagenen Pakt für berufliche Schulen und werden uns aktiv an der Ausgestaltung und Umsetzung beteiligen.
Wir wollen die beruflichen Schulen stärker darauf ausrichten, die Potenziale der Schülerinnen und Schüler auszuschöpfen und junge Menschen ohne Schul- und ohne Berufsabschluss flexibler zu qualifizierten Abschlüssen zu führen.
Den Ausbau von Produktionsschulen werden wir möglichst in Kooperation mit beruflichen Schulen unterstützen.
Wir wollen auch die Akzeptanz von kleineren Lerngruppen und die Kooperation zwischen verschiedenen Berufsfeldern erwirken, um gerade auch im ländlichen Raum Standorte beruflicher Schulen zu erhalten. So können junge Menschen wohnortnah ihre Ausbildung wahrnehmen.
Wir wollen die Ausbildung von Berufsschullehrkräften an den Hochschulen durch zusätzliche Lehrstühle und innovative Lehrkonzepte stärken.
20. Demokratiebewusstsein und politische Bildung stärken
Demokratische Bildung ist für uns Aufgabe aller Schulformen und aller Jahrgangsstufen. Dies setzt eine pädagogische Begleitung voraus. Wir wollen die politisch-demokratische Bildung an allen Schulen stärken und Schülerinnen und Schülern insbesondere die Chancen und Möglichkeiten der gesellschaftlichen und politischen Partizipation sowie die Chancen und Risiken ökonomischen Handelns aufzeigen. Wir wollen bereits in der Grundschule damit beginnen und partizipative Ansätze, wie den Klassenrat, stärken.
Wir wollen durch Bildung gegen die Ausbreitung extremistischer Haltungen jedweder Art vorgehen und Schulen dazu ermuntern, sich europaweit auszutauschen und Programme zur Erinnerungskultur zu entwickeln. Wir werden sicherstellen, dass der Buch- und Medieneinsatz im Unterricht die Darstellung verschiedener Lebensweisen und Persönlichkeitsmerkmale berücksichtigt.
„Politik und Wirtschaft“ als Leitfach der politischen Bildung werden wir stärken, indem es zwingend bis zum jeweiligen Schulabschluss fortgeführt wird. Eine Aufwertung dieses Fachs in den Stundentafeln der Bildungsgänge der Haupt- und Realschule ist ebenso notwendig wie die Neukonzeption eines entsprechenden Lehrplans in der Berufsschule. Die Möglichkeit fächerübergreifenden gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichts werden wir erweitern. Für den Bereich „Gesellschaftslehre“ wird ein aktualisiertes Kerncurriculum entwickelt.
Demokratielernen muss ein verbindlicher Bestandteil der Lehrkräfteaus- und -fortbildung werden. Zudem werden wir die demokratische Schulentwicklung systematisch unterstützen.
21. Wertevermittlung durch Religion und Ethik gewährleisten
Wir wollen, dass Religionsunterricht für alle Glaubensrichtungen, die an einer Schule gehäuft vertreten sind, unter staatlicher Aufsicht angeboten wird, so wie dies bereits beim katholischen und evangelischen Religionsunterricht der Fall ist. Dazu gehört vielerorts der islamische Religionsunterricht, den wir evaluieren und weiter ausbauen werden. Dabei werden wir sicherstellen, dass Religion nur von Lehrkräften mit abgeschlossenem Studium mit Lehramt unterrichtet wird und die Lehrkräfte ausschließlich der staatlichen Aufsicht verpflichtet sind.
Wir wollen das verbindende Potenzial gemeinsamer Werte stärken und werben für den gegenseitigen Austausch und das gleichberechtigte Miteinander von religiösen und nicht religiösen Weltanschauungen. Ethikunterricht werden wir mit qualifizierten Lehrkräften ausbauen und aufwerten.
22. Den Investitionsstau beenden und zeitgemäße Schulen ermöglichen
Ein leistungsfähiges Bildungssystem erfordert eine zeitgemäße Schulausstattung und moderne, barrierefreie Schulgebäude. Um für Schülerinnen und Schüler individuelle Förderung in Gruppen mit angepassten Lerngeschwindigkeiten zu ermöglichen, bedarf es einer dafür geeigneten Raumgestaltung und -unterteilung an Schulen („Differenzierungsräume“). Anträge auf Ganztagsschulentwicklung dürfen nicht an fehlenden Sozialräumen und Mensen scheitern.
Unsere Schulpolitik wird für die Schulträger verlässlicher sein als die derzeitige. Wir wollen durch eine Verstetigung der Mittel die Schulträger unterstützen, den Investitionsstau an unseren Schulen beenden, die Schulausstattung modernisieren und die Rahmenbedingungen für digitales Lernen schaffen. Wir wollen künftig die verlässliche und planbare Finanzierung des Aus-, Um- und Neubaus von Schulen gewährleisten.
23. Vollständige Lehr- und Lernmittelfreiheit umsetzen und Fremdwerbung an der Schule unter Kontrolle bringen
Die Erhebung versteckter Lehr- und Lernmittelkosten, wie z. B. die Anschaffung von Arbeitsheften und Lektüren, Kopierpauschalen, „Bring your own device“ usw., stellt eine zusätzliche Belastung von Schülerinnen und Schülern aus Elternhäusern mit geringem Einkommen dar und muss beseitigt werden.
Wir wollen die Unabhängigkeit von Schule sichern und Beeinflussung verhindern. Lehrkräfte sind zunehmend dem Einfluss einer speziell auf Schule ausgerichteten Werbebranche ausgesetzt. Ob durch Wettbewerbe oder Unterrichtsmaterial – zahlreiche Firmen versuchen, ihren Markennamen in den Köpfen von Schülerinnen und Schülern und ihrer Eltern zu platzieren. Deshalb fordern wir die Einrichtung einer unabhängigen Monitoringstelle und klare Regelungen für ein Verbot von Fremdwerbung an Schulen. Wir werden weiterhin die Einflussnahme von Dritten auf Schule und Unterricht durch Schulsponsoring regeln, um eine Spaltung der öffentlichen Bildungseinrichtungen zu verhindern und Chancengleichheit zu garantieren. Diese kann als Anlaufstelle für Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler fungieren, aber auch selbstständig Recherchen vornehmen und sowohl Unterrichtsmaterialien als auch weitere Angebote sichten und bewerten. Anhand transparenter Kriterien wird das Ergebnis öffentlich zugänglich gemacht.
24. Recht auf Bildung auch nach dem Schulabschluss
Allen Bürgerinnen und Bürgern muss der Zugang zu Bildung, Weiterbildung, Qualifikation und gesellschaftlicher Teilhabe möglich sein. Der Erwerb versäumter Schulabschlüsse muss an den Schulen für Erwachsene gewährleistet sein. Wir wollen lebensbegleitende Weiterbildung durch die Volkshochschulen und öffentlich geförderte Träger der Weiterbildung neben Schule, Ausbildung und Hochschule als gleichwertigen Teil des öffentlichen Bildungssystems ausbauen und gemäß diesen Erfordernissen finanzieren sowie durch eine flächendeckende Bildungsinfrastruktur absichern. Den Weiterbildungspakt werden wir mit aktualisierten Handlungsschwerpunkten fortführen. Dabei sind für uns die öffentlichen und freien Träger der Erwachsenenbildung mit ihren Bildungsangeboten bei der Gestaltung von Lernprozessen, die fundamentale gesellschaftliche Veränderungen begleiten, unverzichtbar. Unser Ziel ist ein über alle Lebensabschnitte hinweg bildungsfreundliches gesellschaftliches Klima mit einer anwachsenden Weiterbildungsbeteiligung. Wir wollen ein wohnortnahes, koordiniertes und flächendeckendes Angebot von biografieorientierter Bildungsberatung schaffen. Programmbereiche, die wir besonders unterstützen und langfristig absichern werden, liegen in der politischen und kulturellen Bildung sowie in der Alphabetisierung und Grundbildung.
Zum nächsten Kapitel: ZUKUNFT JETZT MACHEN mit gutem Start für junge Menschen
In nur einer Minute erhalten Sie Ihr persönliches Wahlprogramm. Finden Sie hier heraus, was wir konkret für Sie tun können.