Marie-Luise Marjan ist eine der bekanntesten Schauspielerinnen des Landes. Nancy Faeser ist Deutschlands erste Innenministerin und will Hessens erste Ministerpräsidentin werden. Ein Gespräch über Rollenbilder, Chancen und übers Miteinander-Lachen.
Woher kennen Sie einander?
Marie-Luise Marjan: Wir haben uns in Hanau kennengelernt, da bin ich seit vier Jahren mit großer Freude Märchenbotschafterin. Das war schön, Frau Faeser ist so eine tatkräftige Person.
Nancy Faeser: Ich kenne Marie-Luise Marjan schon so lange aus dem Fernsehen und es hat mich so gefreut, sie persönlich kennenzulernen. Sie ist eine sehr beeindruckende Frau. Mein Sohn war auch dabei, wir waren beide begeistert, als sie „Aschenputtel“ vorgelesen hat. Dann sind wir ins Plaudern gekommen.
Sie sind zwei Frauen, die unterschiedlichen Generationen angehören: Wie hat sich die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft und in der Politik verändert?
MLM: Ich bin 1940 geboren, damals gab es Mütter und Hausfrauen. Das war das klassische Frauenbild der Zeit. Heute ist die Frau selbstständig, sie kann über sich selbst verfügen, einen Beruf wählen. Das ist eine riesige und wichtige Entwicklung. Früher gab es ganz wenige Politikerinnen und damit auch kaum Vorbilder für Frauen. Heute hat sich das verändert, außerdem gibt es sehr viel politische Information, ganz anders als früher. Ich finde es sehr wichtig, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind und ihr Leben selbst bestimmen können. Und dass Frauen heute Teil der Politik sind.
NF: Ich sehe das auch so, die Rechte der Frauen wurden sehr gestärkt. Dennoch ist noch einiges zu tun. Es treibt mich um, dass Frauen für die gleiche Arbeit nicht das Gleiche verdienen wie Männer. Das muss sich unbedingt ändern. Ich habe mich auch sehr gewundert, als ich vor knapp zwei Jahren ins Amt kam und so viele gefragt haben: Kann eine Frau an der Spitze des Bundesinnenministeriums stehen? Ich hätte mir gewünscht, dass das selbstverständlicher ist.
Frau Marjan, Sie sind mit dem klassischen Rollenbild der Hausfrau aufgewachsen, eine ihrer berühmtesten Rollen ist die der „Mutter Beimer“ in der „Lindenstraße“. Sie selbst haben immer gearbeitet und ein eigenständiges Leben geführt. War das ein schwieriger Weg?
MLM: Das hat mit meiner Biografie zu tun. Ich bin bei Adoptiveltern groß geworden, die waren schon sehr alt. Ich wollte raus in die Welt, hatte immer den Drang, verschiedene Rollen zu spielen. Ich wäre auch sehr gerne Sängerin geworden, aber das konnten meine Eltern nicht bezahlen. Mein Vater war am Elektrizitätswerk, meine Mama war Hutmacherin. Sie haben mir aber alles an Bildung gegeben, was ihnen möglich war, und dafür bin ich ihnen zutiefst dankbar. Bildung ist das Fundament für junge Menschen.
NF: Für mich ist Bildung der Grund, warum ich hessische Ministerpräsidentin werden möchte. Bildung ist der Schlüssel zur Welt, zur eigenen Entwicklung. Und deshalb soll dieser Bereich so organisiert werden, dass alle die gleichen Chancen bekommen, egal aus welchem Elternhaus sie stammen. Sie, Frau Marjan, wären gerne Sängerin geworden, aber es fehlte das Geld, die Ausbildung zu finanzieren. Mich treibt das um. Alle müssen die gleichen Chancen bekommen, egal wie viel Geld die Familie hat. Ich möchte zum Beispiel, dass man für Lehrberufe kein Schulgeld mehr bezahlen muss.
MLM: Ja, das ist so wichtig. Die Menschen sind unterschiedlich begabt, aber alle sollen dieselben Möglichkeiten haben. Ich sage immer: Man kann das Pferd satteln, reiten musst du selbst. Es ist so wichtig, die Möglichkeit zu haben. Auch beim Kinderhilfswerk PLAN International, wo ich mich engagiere, geht es in erster Linie um Bildung. Und weil Sie von den Lehrberufen sprachen: Die sind so wichtig. Das fällt uns jetzt immer wieder auf, weil wir keine Handwerker kriegen. Ich weiß das, ich bin gerade umgezogen. Früher hat man immer gesagt „Handwerk hat goldenen Boden“ – da müssen wir wieder hinkommen.
NF: Ja, unbedingt. Wir müssen den jungen Leuten wieder klar machen, dass die Chancen im Handwerk sehr groß sind. Mich macht es traurig, dass es am Gymnasium gar keine Berufsorientierung mehr gibt, alles läuft aufs Studium hinaus. Das möchte ich als Ministerpräsidentin ändern. Orientierung muss es in jeder Schulform geben. Wer nicht aus einer Handwerkerfamilie kommt, hat häufig keine Berührung mit dem Handwerk und seinen Vorzügen.
MLM: Und Handwerker sind stützend für die ganze Gesellschaft. Sie zahlen auch die meisten Steuern.
NF: Ja, ohne Handwerker würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren.
Was meinen Sie, was hält unsere Gesellschaft im Kern zusammen?
MLM: Dass man sich hilft. Nach dem Krieg haben sich alle untereinander geholfen. Das ist wichtig. Es gibt heute so viele Single-Haushalte, aber ich denke, das „Miteinander tun“ ist so wichtig, gerade für junge Menschen. Miteinander erleben, lernen, lieben, lachen – das hält eine Gesellschaft zusammen. Und Respekt. Wertschätzung und Respekt, ohne kommen wir nicht aus.
NF: Ich denke, Respekt ist das Wichtigste in der Gesellschaft. Ich möchte, dass alle ihr Leben selbst nach ihren Bedürfnissen gestalten können und dabei die Gemeinschaft nicht vergessen. Eine wichtige Stütze sind dabei die vielen ehrenamtlich Engagierten, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, ob im Sportverein, bei PLAN International, wo Sie sich engagieren, in der Geflüchtetenhilfe oder im Kegelverein. Wenn es ein Miteinander gibt, wenn man sich um andere kümmert, entsteht Respekt. Was ich auch wichtig finde, ist das Pflegen von Freundschaften. Das versuche ich trotz meines engen Terminkalenders.
MLM: Ja, Sie haben sicher sehr viel zu tun. Aber zwei Ämter sind auch sehr viel, nicht wahr?
NF: Ich habe ein Amt, ich bin Bundesinnenministerin. Wenn ich hessische Ministerpräsidentin werde, komme ich aus Berlin zurück. Jetzt bewerbe ich mich um dieses Amt.
MLM: Ich wünsche Ihnen alles Gute. Und ein Küsschen für Ihren Sohn.
NF: Vielen Dank. Ich freue mich auf ein Wiedersehen