Gesundheit, Krankenhäuser und Pflege

Wir wollen ein modernes Gesundheitssystem, das krisenfest und flächendeckend eine Gesundheitsversorgung für alle gewährleistet – gerecht, nachhaltig und barrierefrei. Gesundheit und medizinische Versorgung, Prävention, Pflege und Rehabilitation sind Teil der Daseinsvorsorge. Sie gehören zu den wichtigsten Staatsaufgaben, insbesondere der Länder und der Kommunen. Gesundheit ist kein Wirtschaftsgut und darf nicht nach Kassenlage gemacht werden. Das Gesundheitssystem darf nicht allein den Regeln der Markwirtschaft überlassen werden. Wir setzen eine bedarfsgerechte, chancengleiche Prävention und Versorgung, unabhängig von Einkommen, Wohnort, Versicherungsstatus oder Alter um.

Gesundheit ist ein Menschenrecht – Gesundheit ist keine Ware

Was in der Vergangenheit privatisiert und kommerzialisiert wurde, das muss nach strengen Standards überwacht werden. Seit dem Verkauf der Universitätskliniken Marburg und Gießen im Jahr 2006 an einen privaten Träger wurden sämtliche Befürchtungen Realität. Zusagen wurden gebrochen, Tricks und Täuschung der Öffentlichkeit häufen sich. Leidtragende sind vor allem Patient*innen sowie die Mitarbeitenden der Kliniken. Aber auch die Belastung des Landeshaushaltes ist inzwischen deutlich höher, als durch den seinerzeit geringen Verkaufspreis erlöst wurde. Und nicht zuletzt die wichtige Funktion als Ort der Forschung und Lehre hat erhebliche Einbußen erlitten. Wir werden uns mit allen landesgesetzlichen Mitteln und rechtlichen Interventionsmöglichkeiten für die Entprivatisierung des Uniklinikums Gießen-Marburg einsetzen. Für eine am Menschen und nicht an Profiten orientierte Gesundheitsversorgung gehören Krankenhäuser in gemeinnütziger oder öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Mit Gesundheit darf kein privatwirtschaftlicher Profit zu Lasten der Patient*innenversorgung und Beschäftigten gemacht werden.

Rundum gut versorgt – bedarfsgerechte Strukturen schaffen

Gute medizinische Versorgung ist für das ganze Land unverzichtbar. Dazu müssen Land und Kommunen deutlich mehr rechtliche und praktische Möglichkeiten für Planung und Steuerung bekommen. Dazu gehört eine entsprechende finanzielle Ausstattung zur Umsetzung.

Die Kassenärztliche Vereinigung hat die Aufgabe, die ambulante Versorgung mit Haus- und Fachärzt*innen, insbesondere Kinderärzten und Psychotherapeuten sicherzustellen. Das fordern wir konsequent ein und erwarten, dass sie attraktive Bedingungen für die Niederlassung von Hausärzt*innen, Psychotherapeut*innen etc. im ländlichen Regionen schafft. Zudem braucht es eine kleinräumige Bedarfsplanung. Und es müssen mehr Studienplatze für Medizin und Ausbildungsplätze in allen medizinischen Berufen geschaffen werden. Wir werden in diesem Zusammenhang für mehr Praxis im Studium, bessere Rahmen- und Arbeitsbedingungen, die Entlastung der Bürokratie/Entbürokratisierung sowie für Teilzeitmöglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung sorgen, um Lebensrealitäten besser zu entsprechen.

Alle Menschen müssen barrierefreien Zugang zur medizinischen Versorgung, Pflege und Unterstützungsleistungen haben. Wir setzen uns für den anonymen Krankenschein und flächendeckende Clearingstellen in Hessen ein und wollen die Versorgungslücke für Nicht-Versicherte sowie für Geflüchtete schließen.

Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung

Seelische und psychische Erkrankungen belasten Betroffene und Angehörige schwer und erzeugen großes Leid. Wir werden die therapeutische Unterversorgung bekämpfen und Beratungsstellen, Suchthilfe, den sozialpsychiatrische Dienst, die psychosomatische Grundversorgung sowie die ambulante Psychiatrie und Psychotherapie besser vernetzen und uns für eine flächendeckende, zeitnahe Versorgung überall in Hessen einsetzen.

Daneben ist für schwere psychische Krisen ein gutes stationäres und teilstationäres Angebot erforderlich, welches innovative Konzepte, wie „Behandlung Zuhause“ und tagesklinische (Intensiv-) Angebote beinhaltet.

Medizinische Versorgung verbessern

Wir werden eine auskömmliche Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser sicherstellen. Die Finanzierung muss sich am Bedarf orientieren, der eine evidenzbasierte Versorgungsforschung zugrunde liegt. Darüber hinaus braucht es eine gute Krankenhausplanung, die es derzeit in Hessen nicht gibt. Nur so kann eine angemessene wohnortnahe Grundversorgung und zentrale Hochleistungsmedizin sichergestellt werden. Wir werden gute Qualität mit kurzen Wegen sicherstellen und den ambulanten mit dem stationären Sektor eng verzahnen. Dazu braucht es bessere Planung, Kooperation und intelligente Konzepte. Kommunale Medizinische Versorgungszentren, Gesundheitskioske sowie –lotsen, Gemeindepflegekräfte vor Ort und Pflegestützpunkte sichern die gute und sichere medizinische Versorgung der Menschen vor Ort. Telemedizin ergänzt ortsunabhängig die Versorgung, deshalb wollen wir in allen Landkreisen Telenotärzte und zusätzlich Gemeinde-Notfallsanitäter schaffen. Gesundheitskonferenzen in denen alle Akteure gemeinsam aktiv sind, Gesundheitsreporte und Versorgungsatlanten wollen wir verbindlich einführen, um regionale Versorgungsstrukturen an den Bedarfen orientiert auszubauen.

Notfallversorgung

Im Notfall muss es schnell gehen – das geht nur mit klarer Struktur. Es braucht eine Stärkung statt Kürzung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD). Modellprojekte wie der gemeinsame Tresen für ÄBD und das Krankenhaus Frankfurt/Höchst werden wir landesweit etablieren. Landeseinheitliche Regelungen der Befugnisse im Rettungsdienst werden wir prüfen.

Beschäftigte sind das A und das O

Die Beschäftigten im Gesundheitswesen sichern ein gelingendes Gesundheitswesen. Fachkräftemangel gefährdet Menschenleben. Schon jetzt fehlen in Deutschland zu viele Pflegekräfte (in Kliniken, stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen). Dieser Notstand bei der Versorgung hilfsbedürftiger Menschen wird sich in unserer alternden Gesellschaft bei gleichzeitig abnehmender Attraktivität von Pflegeberufen in den nächsten 10 Jahren dramatisch zuspitzen. Deswegen schaffen wir gute Arbeitsbedingungen und ausreichende Ausbildungs- und Studienplätze mit angemessener Bezahlung. Wir stärken die Pflege- und Pflegehelferausbildung in Hessen, damit Pflegefachkräfte ausgebildet werden und sie durch Helferberufe qualifizierte Unterstützung erhalten, die eine spürbare Entlastung bedeuten. Wir werden zudem die Ausbildungsplätze in den nächsten Jahren erhöhen und finanzieren die Helferkurse auskömmlich. Ferner wollen wir dem eklatanten Mangel an Lehrkräften für Pflege- und Gesundheitsberufe entgegenwirken und werden daher an Hessischen Hochschulen die pädagogische Ausbildung von Lehrkräften im Gesundheitswesen fördern, Stipendien sowie Förderprogramme für Studierende der pflegepädagogischen Studiengänge aufgelegen. Um echte Nachqualifizierungsmöglichkeiten für Personen, die in den Lehrberuf wechseln wollen, zu schaffen, werden wir akademische Nachqualifizierungsstudiengänge sowie praxisnahe Übergangslösungen für die Pflegeschulen ermöglichen, bis ausreichend Lehrkräfte vorhanden sind. Die Anerkennung von Pflegekräften werden wir beschleunigen. Durch Personalmindeststandards, die sich am Bedarf des Patienten orientieren, sichern wir gute Arbeitsbedingungen in der Pflege und in allen medizinischen Berufen, verbessern die Versorgung, sowie die Patientensicherheit und bauen Personalmangel ab. Mit zusätzlicher Entbürokratisierung sorgen wir für Entlastung und dafür, dass alle im Gesundheitswesen Tätigen wieder mehr Zeit für Patienten haben. Klar ist: was für gute Versorgung nötig ist, dass muss auch vollständig, refinanziert werden. Tarifsteigerungen sind bei den Personalkosten für alle Dienstarten sowie Entlastungstarife komplett zu finanzieren. Wir setzen uns ferner dafür ein, die Leiharbeit in der Pflege zu minimieren.

Pflege wertschätzen – Pflege zu Hause unterstützen

Pflege ist eine wichtige und wertvolle Aufgabe. Bessere Bedingungen der häuslichen Pflegeleistung, die ganz überwiegend durch Frauen erbbracht wird, sind ein wichtiger Schritt, der Dimension des Problems jedoch nicht genügend. Wir werden gemeinsam mit Praktikern, Forschung und den Kommunen über einen Landespflegeplan gegensteuern.

Vor allem müssen sich die Arbeitsbedingungen dringend verbessern. Das Personal braucht wieder mehr Zeit, um sich der Bedürfnisse der zu Pflegenden annehmen zu können. Dabei können auch die Stärkung interprofessioneller Zusammenarbeit, die Digitalisierung in Form von Entbürokratisierung und technischer Assistenz einen wichtigen Beitrag leisten.

Enger und besser als heute müssen alle beteiligten Akteure bei dieser Herausforderung zusammenarbeiten, ihre Ressourcen und Erfahrungen bündeln und die Belange sowohl von Arbeitnehmer*innen als auch von Patienten und Pflegebedürftigen stärker einbeziehen. So wird der Bedarf für stationäre und ambulante Kranken- und Altenpflege, insbesondere in der Kurzzeitpflege- und der Verhinderungspflege sowie bei Entlastungs- und Betreuungsleisten, in einer wohnortnahen Versorgung erkannt und erfüllt.

Zudem soll eine Strategie zur Pflegevermeidung gestützt und flächendeckend ausgrollt werden: die mobilisierende und rehabilitative Pflege soll befördert werden, damit Menschen ermöglicht wird, sich zu mobilisieren, zu stabilisieren, den Pflegegrad zu verringern und weitere Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. So rücken wir das Individuum mit seinem Hilfebedarf in den Fokus, damit die Lebensqualität bestmöglich erhalten wird und Menschen länger fit in ihrer Häuslichkeit bleiben können.  Pflegebedürftige und ihre Angehörigen brauchen keine leere Versprechungen mehr, sondern endlich bessere Unterstützung und genügend Plätze in der ambulanten Pflege, Tages-, Kurzzeit-, Verhinderungspflege sowie bei Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Neben bedarfsgerechten, wohnortnahen Angeboten wollen wir die Pflegestützpunkte flächendeckend ausbauen, ihre Tätigkeitsfelder erweitern und ein Case-Management als Lostenfunktion durch den „Gesundheits- und Pflegedschungel“ etablieren.

Frauengesundheit

Die Gesundheit von Frauen wurde durch die Corona Pandemie besonders belastet. Deshalb werden wir umgehend bessere Beratung fördern und Eltern-Kind-Kliniken stärken. Geburtshilfestationen müssen für werdende Eltern gut erreichbar sein. Wir brauchen eine 1:1-Betreuung unter der Geburt, eine Sicherstellung einer wohnortnahen, niedrigschwelligen geburtshilflichen Versorgung, den Erhalt der Hebammenhilfe und eine Anpassung der Honorare und Gehälter auf ein Niveau entsprechend der hohen Verantwortung. Wir werden eine Studie in Auftrag geben, um die Daten- und Forschungslage rund um das Thema „Gewalt unter der Geburt in Hessen“ zu verbessern. Neben einem Hebammenregister brauchen wir ein umfassendes Konzept zur Beseitigung der Unterversorgung auf dem Land, eine geeignete Versorgungsplanung und mehr Ausbildungsplätze für Hebammen und Entbindungspfleger*innen. Zu einer flächendeckenden, wohnortnahen Versorgung gehören für uns auch Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch und –konfliktberatung. Es ist unser Ziel, dass Frauen in Hessen innerhalb maximal einer Stunde mit dem öffentlichen Nahverkehr eine Praxis oder Klinik erreichen können, die Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Dasselbe gilt für staatlich anerkannte Schwangerenkonfliktberatungsstellen, diese müssen zudem finanziell bedarfsgerecht ausgestattet werden.

Alle Medizinstudierenden müssen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs erlernen, genauso wie Selbsthilfegruppen und psychosoziale Beratung zum Thema frühe Fehlgeburten und Stille Geburten. Die Möglichkeiten „vertraulichen“ Geburt werden wir besser bekannt machen. Wir setzen uns dafür ein, dass es überall in Hessen Anlaufstellen für eine medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung gibt. Auch diese müssen schnell von den Frauen erreicht werden können.

Wir übernehmen für Menschen mit geringem Einkommen die Kosten von Verhütungsmitteln und Hygieneartikeln und organisieren die Ausgabe niedrigschwellig.

Kindergesundheit

Neben einer wohnortnahen, niedrigschwelligen geburtshilflichen Versorgung, muss die Hebammenhilfe erhalten und ausgebaut werden, damit Kinder von Geburt an aktiv, präventiv und intervenierend geschützt werden und gut ins Leben starten können.  Viele Eltern finden keinen Kinderarzt. Sie werden abgewiesen, weil die Praxen überlaufen sind. Dabei sind Eltern gesetzlich verpflichtet, ihre Kinder zu den U-Untersuchungen zu bringen. Besorgniserregend ist, dass es sich weiter verschärfen wird, denn bis 2025 fallen etwa ein Viertel der Praxen weg, weil in etwa 150 Ärzte in den Ruhestand gehen und keine Nachfolge finden. Ein hessischer Aktionsplan ‚Kindermedizin‘ wird eine erstklassige Versorgung für Kindern mit Hebammen, Kinderärzten und Kinderkliniken sicherstellen und den Verfassungsauftrag der Kinderrechtskonvention für das Kindeswohl und das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit umsetzen.

Gesundheitschancen: Prävention & Gesundheitskompetenz

Armut macht krank. Arme Menschen leben kürzer als wohlhabende Menschen. Armut, Arbeitslosigkeit, prekäre Lebensverhältnisse und Bildungsbenachteiligung sind die größten Gesundheitsrisiken. Diese Ungerechtigkeit braucht eine enge Kooperation von Medizin, Pflege, Prävention und sozialer Arbeit. Wir machen Gesundheit zu einem Querschnittsthema in allen Politikbereichen (Health In All Policies). Wir werden die Selbstbestimmung und Gesundheitskompetenz aller Menschen stärken. Das gilt in Kita und Schule, am Arbeitsplatz durch den Arbeitsschutz genauso wie für die Selbsthilfe. Wir sorgen für kostenfreie Verhütungsmittel und Hygieneartikel für Menschen mit geringem Einkommen.

Versorgungssicherheit mit Medikamente stärken

Unsere Versorgungssicherheit mit Medikamenten ist dramatisch gefährdet, auch das hat die Corona-Pandemie deutlich gemacht. Für eine sichere Versorgung mit Arzneimitteln sind mehr Transparenz über die gesamte Länge der Lieferkette, die Produktion wichtiger Medikamente durch mehrere Anbieter, mehr Qualitätssicherung und bessere Zusammenarbeit auf EU-Ebene nötig. Wir wollen aber auch die Standortfaktoren so verbessern, damit Produktionen ins Land oder zumindest in die EU zurückgeholt werden können.

Klima und Gesundheit

Der Klimawandel gefährdet die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen. Hochwasser und Wirbelstürme verletzen Menschen, Insekten übertragen Krankheiten, Hitzewellen belasten alle und gefährden Senioren, kleine Kinder und Menschen mit Beeinträchtigung. Wir werden mit einem Hitzeaktionsplan die Gesundheit schützen und Menschen durch Information stärken, sich selbst, insbesondere bei extremer Hitze, zu schützen.

Öffentlicher Gesundheitsdienst

Die Gesundheitsämter sind die wichtigsten Einrichtungen, um die Gesundheit aller zu schützen – das hat die Pandemie mehr als deutlich gezeigt. Sie sorgen für Prävention, Umweltmedizin, Kinder- und Jugendgesundheit, Infektionsschutz sowie flächendeckender sozialpsychiatrischer Hilfe. Wir werden sie finanziell und logistisch besser ausstatten. Dazu gehören auch attraktive Arbeitsbedingungen mit konkurrenzfähiger Bezahlung und endlich eine moderne digitale Ausstattung.  Wir ein Förderprogramm „Gesundheit im Quartier“ ein

Digitalisierung

Wir brauchen endlich flächendeckend die elektronische Patientenakte (ePA) sowie datenschutzsichere Möglichkeiten für Ärzt*innen und Therapeut*innen, Dokumente und Befunde zu verschicken und zu verwalten. Das schafft mehr Zeit und mehr Ressourcen für Patient*innen. Besonders sozial benachteiligten Menschen muss der Zugang zu digitalen Angeboten durch verständliche Gesundheitsinformationen und barrierefreie Systeme ermöglicht werden.

Bürgerversicherung

Wir werden uns auf allen Ebenen für die Einführung der solidarischen Bürgerversicherung einsetzen und die Zwei-Klassen-Medizin überwinden. Konkret werden wir in Hessen die Wahlfreiheit zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung für Beamt*innen einführen.