Ministerin gefährdet Vertrauen in Justiz

Über einen Zeitraum von 15 Jahren soll der Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander B. Gutachteraufträge im Wert von mehr als zwölf Millionen Euro an ein einziges Unternehmen vergeben und dafür hunderttausende Euro an Schmiergeldern kassiert haben.

SPD-Landtagsfraktion – Günter Rudolph

Foto: SPD-Landtagsfraktion, Luisa Neurath

Günter Rudolph

ist MdL und Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion.


Was nach einer unglaublichen Geschichte klingt, ist leider genau so passiert. Offensichtlich ohne jede Kontrolle konnte ein einzelner Beamter jahrzehntelang über Gutachteraufträge in großem Umfang entscheiden. Die Tatsache, dass diese Korruptionsmasche erst nach 15 Jahren aufgeflogen ist, lässt einen fassungslos zurück. Doch an dieser Geschichte macht vieles fassungslos.

Es beginnt damit, dass Justizministerin Eva Kühne-Hörmann ihrer Bringschuld gegenüber dem Parlament nicht nachgekommen ist und nicht über den Vorwurf und die Ermittlungen informiert hat. Nein, das hat sie den Medien überlassen. Ab dem Zeitpunkt, als die hessischen Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus der Zeitung von den Machenschaften des Oberstaatsanwalts erfahren mussten, hat sich Kühne-Hörmann hinter der ermittlungsleitenden Staatsanwaltschaft verschanzt. In dieser Rolle ist die Ministerin dann in den folgenden Sitzungen des Rechtspolitischen Ausschusses ganz und gar aufgegangen: Drängende Fragen nach der Vergabepraxis in der hessischen Justiz im Allgemeinen und in der Generalstaatsanwaltschaft im Besonderen sowie nach dem offenkundigen Versagen behördeninterner Kontrollmechanismen hat sie einfach weggewischt. Und davon, ob der tatverdächtige Staatsanwalt sich „nur“ für die Auftragsvergabe hat schmieren lassen oder ob er auch inhaltlich auf diese Gutachten Einfluss genommen hat, wollte sie erst recht nichts wissen.

Doch wie konnte es überhaupt zu diesem Skandal kommen? Zunächst hätte man annehmen können, dass bei der Staatsanwaltschaft entscheidende Kontrollmechanismen versagt haben. Aber es war viel mehr als das: Entscheidende Kontrollmechanismen bei der Vergabe von Gutachten, wie beispielsweise ein Vier-Augen- Prinzip, gab es überhaupt nicht. Und wahrscheinlich hat auch die unzureichende personelle Ausstattung der Justiz den Korruptionsfall begünstigt. Wahrscheinlich wäre dieser gar nicht möglich gewesen ohne das Outsourcing von Gutachten und Datenauswertungen an private Unternehmen.

Was die Ministerin daraufhin dann als ultimative Sofortmaßnahmen vorgestellt hat, waren nicht mehr als Selbstverständlichkeiten – darunter die Gründung einer Stabsstelle für Innenrevision, die Schließung der Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht sowie die Einführung eines Vier-Augen-Prinzips bei der Gutachtenvergabe der Generalstaatsanwaltschaft. Warum es ein solches Vier-Augen- Prinzip, das selbst in kleinsten Kommunen standardmäßig angewendet wird, nicht gab, weiß die Ministerin nach eigener Aussage allerdings nicht und sie scheint es auch nicht zu hinterfragen. Von einem geeigneten Vorschlag, wie sie die Missstände in der Generalstaatsanwaltschaft abstellen und ein transparentes Verfahren für die Vergabe von Gutachten einführen will, ist sie damit noch weit entfernt. Mit dem bloßen Vorschlag, eine irgendwie geartete Stabsstelle zur Innenrevision einzurichten, ist es jedenfalls nicht getan.

Alexander B. hat das Ansehen der hessischen Justiz beschädigt und die Justizministerin hat es erneut beschädigt, als sie den Versuch unternommen hat, den Skandal möglichst klein und vor allem von dem Parlament möglichst weit entfernt zu halten.


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